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Dschungel-Saisonbeginn: Zweifaches Premierenfest

"Play" – Kampf in Zeitlupe. © Rainer Berson

Einen fulminanten Einstieg in die Saison 2018 / 19 präsentierte der Dschungel dem in Festeslaune erschienen Publikum von sechs bis ∞. Janina Sollmann und Gabriele Wappel (schallundrauch agency) haben die „Parole Haifisch“ ausgerufen, die flämische Choreografin Karolien Verlinden hat eine Turnriege aus je drei sportlich trainierten Tänzerinnen und Tänzern in ihrem Stück „Play“ zu Höchstleistungen angespornt. Wurde im Haifischbecken von Groß und Klein viel gelacht, so herrschte bei „Play“ atemloses Staunen über Zirkusnummern und Gruppentanz.

"Parole Haifisch":  Beste Freundinnen halten immer zusammen (Janina Sollmann, Gabriele Wappel). © Theresa Pewal„Parole Haifisch“ bezieht sich auf das Gebiss des fälschlich als Menschenfresser gefürchteten Knorpelfisches, das immer wieder nachwächst. So ein Gebiss sollten beste Freundinne haben und es der Welt immer wieder zeigen. Janina Sollmann und Gabriele Wappel sind zwei erfahrene Schauspielerinnen und Tänzerinnen, die ihre Stücke selbst erdenken und schreiben, keine Angst vor dem Improvisieren und auch nicht vor der Preisgabe privater Gedanken und Erlebnisse haben. Auf der Bühne versprühen sie Charme und Energie und wissen mit Intelligenz zu unterhalten. Sie sind Tiefseetaucherinnen und Astronautinnen, tanzen voll Lebenslust und singen laut (und auch falsch), weil sie das zu Hause nicht dürfen. Beste Freundinnen haben auch Konflikte und dann sitzt die eine zuhause und reimt locker ihr Sehnsuchtslied, die andere überlegt am Meeresstrand (vor der Tür), wie sie zur versöhnenden Umarmung wieder zurückkommen kann.
Realität und Fantasie, Persönliches und Allgemeines fließen nahtlos ineinander in dieser romantischen Performance, die so viele Schichten hat, dass sich jede(r) Einzelne großartig bedient fühlt. "Parole Haifisch": Der gefährliche Hai entpuppt sich als harmlose Forelle. Im Kopfstand Gabriele Wappel. © Theresa Pewal Die Jüngsten (empfohlen ab 6) zerkugeln sich vor Lachen, freuen sich über die großartigen Haifischkostüme von Anna Panzenberger, in dem Janina steckt und – Gabi hat recht – der erste Versuch, ganz in schwarz mit stacheligem Kragen, ähnelt mehr einem Dracula, der zweite gelingt besser, hat ein riesiges Maul, ist aber bei näherem Hinsehen eine harmlose Forelle, staunen, dass man auch im Kopfstand verständlich sprechen kann und nehmen den Rat mit nachhause, dass man sich wehren kann, auch wenn man falsch singt. Die Gleichaltrigen, Sollmann und Wappel sind Mitte vierzig (sehen aber, wenn es sein muss, auf der Bühne aus wie 14) erfreuen sich an der Musik aus alten Hitparaden und den Anspielungen auf Bert Brecht / Kurt Weill; in der Großelterngeneration werden längst versunkene Erinnerungen geweckt. Die Bewunderung für die nie versiegende Energie und Spielfreude der beiden Gründerinnen der nun schon 15 Jahre alten schallundrauch agency hegen allen Zuschauer*innen gleichermaßen.

"Plasc": Choreografierter Sport. © Rainer BersonFür junges Publikum ab 10 hat Karolien Verlinden ein Tanzstück kreiert, das sich, auf Anregung von Corinne Eckenstein, an Pieter Bruegels d. Ä. Bild „Die Kinderspiele“ orientiert.
Perfekt gelungen ist mit den sechs Tänzer*innen aus Wien der erste choreografierte Teil. Tänzerische und turnerische Bewegungen bilden eine Einheit, wenn die Gruppenmitglieder miteinander und gegeneinander antreten. Freundschaft und Rivalität, Konkurrenz und Gemeinsamkeit, Siegesfreude und Enttäuschung werden sichtbar. Ballspiele und Einzelwettbewerbe, wie etwa Schwimmen, werden pantomimisch perfekt imitiert, es wird gerangelt und gekugelt, gerollt und gerauft. Großartig ein brutaler Kampf jede gegen jeden in Zeitlupe hoch oben auf dem Kasten, der allmählich in einzelne Platten zerlegt, einen neuen Boden ergeben wird. Auch da muss eine Hand in die Hand andere greifen, sonst bleiben Lücken. Manchmal ertönt eine weibliche Stimme aus dem Lautsprecher, die das Geschehen kommentiert, so herrlich nichtssagend, wie mancher Fernsehmoderator. "Play": Blancieren mit der Stange und auf dem Schwebebalken. © Rainer Berson
Im zweiten Teil dürfen alle sechs ihr Können im Balancieren, Jonglieren, am schwebenden Reck und mit Stäben zeigen. Das ist Akrobatik pur, Kraft und Ausdauer der Mitwirkenden ist bewundernswert, mir aber bald langweilig. Sportbegeisterte werden auch diesen Teil genießen. Dennoch: 70 Minuten sind genau um 10 Minuten zu lang, Wiederholungen und Leerlauf sind unvermeidlich. Blumen und Jubel hat das schweißtriefende Team auf jeden Fall verdient.

Doppelter Premieren zur Saisoneröffnung 2018/19 im Dschungel Wien, 20. September 2018, Dschungel Wien.
schallundrauch agency / Janina Sollmann, Gabriele Wappel: „Parole Haifisch“, Konzept, Regie, Performance: Sollmann, Wappel. Raum, Licht, technische Leitung: Silvia Auer. Forelle und Kostümberatung: Anna Panzenberger. Dramaturgische Beratung: Frans Poelstra.
Weitere Vorstellungen bis 24.11.2018, auch für Schulen.
Karolien Verlinden (Tuning People): „Play“, nach einer Idee von Corinne Eckenstein (Dschungel Wien). Choreografie: Karolien Verlinden. Tanz: Magdalena Forster, Fie Myging, Rudi Äneas Natterer, Maartje Pasman Marco Payer, Dennis Alexander Schmitz. Bühne: Rachid Laachir; Kostüm: Wim Muyllaert; Sondscape: Jochem Baels; Lichtdesign: Koen Corbet; Voice Ober: Clara Diemling. Mit Unterstützung von Flanders State of the Art, het palais, KHM Wien.
Weitere Vorstellungen bis 14.12.2018.