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Giraffen summen im Dschungel

"Giraffen summen" von und mit M. Haller, J. Mekontchou, U. Wiplinger

Das Schönste kommt, wenn die Performance der drei Darsteller_innen der schallundrauch agency zu Ende ist. Dann dürfen die Babys die gepolsterte Bühne erobern und so tun als wäre es ihr Zuhause. Performance darf man die die 30 Minuten in der kleinen gepolsterten Arena im Studio des Dschungel-Kindertheaterhauses gar nicht nennen. Es ist eine bekrabbelbare Installation mit bunten Sitz- und Spielelementen, in der gesungen, erzählt und vorsichtig getanzt wird. Die Eltern sitzen glücklich am Rand, während sich die Windelkinder die Aktion kaum beachten. Sie spielen ihr eigenes Theater.

Wie immer bei einer Einladung an die Allerkleinsten, interessiert mich das Verhalten der Zuschauer_innen mehr, ist auch amüsanter, ja aufregender als das eigentliche Angebot. Dennoch, schallundrauch agency hat mit „Giraffen summen“ eine fein gebaute und alle Sinne entzückende Performance erdacht. Es gibt keine Grenze zwischen dem kreisrunden Spielraum, den Dorli Mayer mit dünnen farbigen Polstern in allen Größen ausgestattet hat, und den Bänken rundum. Noch bevor das Spiel beginnt haben die Mutigsten diese Elemente erobert, legen sich zum vorgetäuschten Schlaf hin, wackeln damit durch die Arena, wollen unbedingt, das der krabbelnden Nachbarin haben und scheuen sich auch nicht, ihr es unter dem Hinterteil wegzuziehen. Einträchtiges Summen © schallundrauch agency

Dass sich die Performance auch an die Eltern wendet und eher von diesen beachtet und genossen wird, ist klar, wenn Michael Haller die Einleitung spricht. In der schallundrauch agency wachsen einige Kleinkinder heran. Man hat also Erfahrung und ist der Ansicht, dass die Lebenswelten nicht getrennt werden sollen und „Kultur“ nicht allein den Erwachsenen zusteht. Auch Babys sollen schon daran nippen dürfen. Haller, Jules Mekontchou und Una Wiplinger, singen und spielen einfühlsam und professionell. Nur wenige im Minipublikum kümmern sich um die Darsteller_innen. Sie lassen sich in ihrem Tun – umher krabbeln oder stolpern, auf dem Schoß sitzen, genüsslich am Schnuller oder an den ausgestreuten bunten Eiern saugen, – nicht hindern. Alles ist erlaubt. Die Bühne wird zum Spielplatz. Die ausgestreuten Eier sind Rasseln, die die Lieder begleiten sollen. Das müssen Papa und Mama besorgen. Draußen scheint die Sonne.  Darsteller_innen in Aktion © schallundrauch agency

Haller, Mekontchou und Wiplinger zeigen in anregenden 30 Minuten den Eltern, wie sie mit ihren Kindern spielen (Händetheater und tanz), singen und interagieren können. Dazu braucht es keine fremden Animateure, die manchen der Winzlinge gar nicht geheuer sind. Nur Annika scheint mit ihren 14 Monaten bereits zu verstehen, worum es geht. Gehen kann sie nur an der Hand ihrer Mutter, doch krabbeln wie ein Wiesel kann sie in ihrem bunten Höschen ganz allein. Und so ist sie immer hinter dem Geschehen her, sitzt auf den Knien mit großen Augen vor Una und versucht deren Gesten nachzuahmen, klatscht mit ihr in die Hände.
Die Mutter ist vergessen.

Was das kleine sorgfältig geplante Spiel für alle abrundet ist die Spielzeit danach, die Babys dürfen weiterhin auf der „Bühne“ bleiben, die Darsteller bleiben dabei, singen noch ein wenig und sammeln die bunten Rasseleier ein, wenn die kleinen Hände sie denn loslassen. Begeisterter Applaus von den Eltern. Im Alter von noch nicht zwei Jahren gibt es auch noch keinen Begriff von Anfang und Ende und das „Patschhandizam“ fällt auch den meisten noch recht schwer.

Giraffen sind übrigens keine auf der Bühne, die mimen die Darsteller_innen im entsprechenden Lied selber. Doch was wissen Einjährige schon von Giraffen und ihren langen Hälsen? Noch sind im abwaschbaren Bilderbuch Ball und Bett, Mama und Papa, Haus und Hund zu sehen. Das ist gut so. Die Eroberung der Welt hat noch Zeit.

Schallundrauch agency: „Giraffen summen“, eine bekrabbelbare Performance für Babys von 6 bis 15 Monaten, gesehen am 19. Juni 2016.im Dschungel im Rahmen des Szene Bunte Wähne Tanzfestivals.