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Jan Jakubal und andere: „Möbel“, Kultursommer

Jan Jakubal probiert neue Möglichkeiten. © Ingeborg Schwab

Der Kampf mit einem eigenwilligen Sessel, die exakten Handbewegungen beim Aufbau eines Regals und ein geheimnisvolles Kastl, mit dem sich zwei Arbeiter herumschlagen, erfreuen an einem lauen Sommerabend die Gäste des Wiener Kultursommers. „Möbel“ ist der gemeinsame Titel für drei Kurzstücke mit Objekten und Akrobatik, Präzision und Komik. Jan Jakubal mit Esther Baio (Yellow Buoy), Tiina Sööt und Dorothea Zeyringer sowie Marco Otoya und Adam Lebesmühlbacher zeigen, dass Möbelstücke, widerspenstige und fügsame, durchaus mit den Bühnen-Künstler*innen mithalten und sogar die Hauptrolle übernehmen können.

Jan Jakubal vom Fischauge betrachtet. © yellow buoySo schnell, wie der Kultursommer Wien die Bühnen aufgestellt hat, damit alle neuen Musen ihres Amtes walten können, so wenig Zeit war, um Neues einzustudieren. Doch das Vorhandene, frisch geprobt, vielleicht gekürzt und für die Pawlatschen adaptiert, erfreut nicht nur die Fans, sondern auch ein neues Publikum, Menschen aus der Umgebung, Familien, die es nützen, dass es keine Schwellen zu überwinden gilt und kein Eintrittspreis zu berappen. Man kommt mit Maske und gibt die Kontaktdaten bekannt und hält den nötigen Abstand, manchmal ist das mobile Café da, und ein Espresso oder ein G’spritzter sorgen für zusätzliche Erfrischung.
Jan Jakubal hat einen Teil seines verwirrenden, aufregenden Stücks „Hanuman Addiction Cycle“ über die in uns gerufen und ungerufen wuchernden Gedanken herausgehoben. Hanuman ist ein hinduistischer Affengott mit magischen Kräften. Aus der Langfassung von "Hanuman Addiction Cycle" von Jan Jakubal  mit Niina Lindroos. © yellow buoyDoch für die Performance auf der Bretterbühne mit Naturbeleuchtung, spürt man diese Kräft nichtt, auch wenn der unheimliche Affengeist auftaucht und die Kinder zum Lachen bringt. Das Unheimlich war ausgeklammert, Akrobatik und Humor unterhalten auch die Erwachsenen, wenn Jakubal mit dem Sessel kämpft, dessen Boden einbricht und ihn gefangen hält. Befreiung ist nicht möglich, auch der Partnerin (Esther Baio, eingesprungen für die Puppenkünstlerin und ursprüngliche Mittänzerin Niina Lindroos) ist es nicht möglich, den während eines Tête-à -Tête zu Boden gegangenen Partner zu befreien. Das hölzerne Gestellt ist lebendig und boshaft, hält auch sie gefangen. Doch der Affengott hilft, mit riesigen Flügeln schwebt er unter dem Bühnendach, dTiina Sööt und Dorothea Zeyringer arbeiten seit 2012 zusammen. © Sööt / Zeyringeras menschliche Paar ist verwandelt, offenbar von ihm verschlungen.
 Noch während der verdiente Beifall gespendet wird, marschieren zwei junge Frauen auf die Bühne, in sechs Schritten, die sie laut zählen. Das laute Zählen und das Ansagen jeder einzelnen Bewegungen – man hat ja keine Ahnung, wie viele einzelne Bewegungen nötig sind, umSööt / Zeyringer: Kleine Pause vor dem Abmarsch. © Sööt / Zeyringer einen Stift aus der Hosentasche zu nehmen, der dann mit seinem Pendant ein Brett halten soll. Auch wieviel Probenarbeit dahinter steckt, um diese Exaktheit und Koordination – keine Einzelheit bleibt unkommentiert – der Bewegungen bei der Montage des Regals zu zeigen. Sööt / Zeyringer sprechen immer unisono, auch wenn sie nicht immer das Gleiche machen, vor allem wenn sie einander gegenüberstehen. Am Ende haben die beiden kommandierenden Arbeiterinnen ihr Regal fertig gebaut und zählen die Schritte beim geordneten Abgang.
Noch einmal wird gearbeitet, doch ohne Kommentar. Otoya / Lebesmühlbacher Schwerarbeit: Adam Lebesmühlbacher, Marco Otoyamachen eher das Gegenteil, ihr Möbelstück ist fertig, es wird ein wenig zerlegt. Sehr geschickt sind diese zwei im Blaumann nicht, manchmal blicken sie völlig disparat ins Publikum, suchen ihr Werkzeug, werden an diesem Abend keinen zweiten Auftrag annehmen, so langsam und umständlich erledigen sie ihre Arbeit. Vis comica, die Kraft der Komik, braucht keine Wörter und keinen roten Knopf auf der Nase, um zu wirken. Präzision, Schwung und Körperbeherrschung genügen. Drei Stücke – ein Vergnügen.

„Möbel“, drei Sketches. Performance: Yellow Buoy (Jan Jakubal / Esther Baio); Söös / Zeyringer; Marco Otoya, Adam Lebesmühlbacher. Im Rahmen von Kultursommer Wien. Gesehen am 6.8.2020, Modular Space Muthsamgasse.