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Michael Turinsky: "Reverberations", Tanzquartier

Still ruhen noch Tänzerin und Tänzer. © M. Loizenbauer.

Um den Wiederhall, den wir in der Gesellschaft (nicht) mehr finden, geht es dem Tänzer und Choreografen Michael Turinsky in seinem Stück „Reverberations“. Mit zwei Tänzern und einer Tänzerin zeigt er im Tanzquartier sparsame, bedachtsam gesetzte Bewegungen, bis sich das Trio zu einem einzigen Körper mit sechs Beinen vereint. Die Bühnenausstattung, das wechselnde Licht und die in silberglänzenden Hüllen steckenden Körper verwachsen mit dem hämmernden Beat zu einem Raum der Solidarität. Turinsky tanzte diesmal nicht selbst, betrachtete sein Tanzstück gespannt aus der Zuschauerreihe, bis ihn, nachdem die Lichter erloschen waren, das begeisterte Publikum vor den imaginären Vorhang gerufen hat.

Die Gruppe driftet auseinaner, findet aber bald w ieder zusammen. Alle Fotos © Michael LoizenbauerAuf der kreisförmigen Bühne liegen drei silbrige Körper, vielleicht Raumfahrer oder Besuch aus einer anderen Galaxie. Das Publikum bildet einen lockeren Halbkreis, sitzt rechts und links der Bühne auf Augenhöhe mit den Tänzer*innen und auf den Stufen der von den Sesseln befreiten Zuschauertribüne. Im Hintergrund droht mächtig der Lautsprecherturm, Leuchtstoffröhren bilden den Außenkreis der Bühne. Dieses Setting und die zu Beginn kaum merklichen Bewegungen der drei Körper entwickeln einen Sog, der es leicht macht geduldig zu warten, bis die in ernsthafter Stille zaghaft gehobenen Beine immer höher steigen und das Trio endlich zu einer synchronen Bewegung findet. Mit angewinkelten Unterschenkeln liegen sie da, glitzernde Knieschützer lassen die Oberschenkel als Stümpfe aufragen, wieder muss ich an Wesen der fremden Art denken. Für die passenden Kostüme sind Lise Lendais und Ines Kirchengast verantwortlich; die Bühne ist von Jenny Schleif und Ines Kirchengast gestaltet. Eliabeth Ward in "Reverberations" von Michael Turinsky

Dann setzt der Dub-Sound ein und fordert Andreas Guth, Mzamo Nondlwana und Elizabeth Ward zum Aufstehen auf. Der Tanz auf zwei Beinen beginnt. Turinsky hat seine drei Mitwirkenden bedachtsam ausgewählt: Ward ist eine auch in Wien bekannte Choreografin und Performerin; Nondlwana kommt aus Johannesburg, lebt seit 2009 in Salzburg, wo er seine Ausbildung bei SEAD abgeschlossen hat. Mramo Nondlwana: "Veverberations" von Michael TurinskyIm kommenden Mai wird er im Tanzquartier sein Solo „My Garden flourishes with Flowers“ zeigen. Andreas Guth arbeitet und lebt in Vorarlberg und ist Mitglied des Kollektivs Tanzfähig, einer Initiative in Dornbirn, „mehr Vielfalt in den zeitgenössischen Tanz zu bringen.“ Diese Vielfalt zeigt auch Turinsky in seiner Choreografie und gibt ihr so einen eigenen Reiz.

Wie der Choreograf Turinsky, ist auch der Tänzer Guth in den Bewegungsmöglichkeiten eingeschränkt, Ward und Nondlwana passen sich perfekt an, doch ist das Vokabular schmal, große Sprünge, wirbelndes Chaos oder heftige Gebärden sind nicht zu erwarten. Ein nahezu in sich ruhende Performance. Georg Blaschke hat Körperarbeit, „somatic contribution“ geleistet. Andreas Guth macht das Trio in Turinskys "Reverberations" vollständig.

Inmitten der Solidaritätsbekundungen weckt mich ein kräftiger, nahezu aggressiver Marsch, gemeinsam und synchron, aus der Trance. Als sechsbeiniger Körper sind die Drei dann wieder eins miteinander. Als Kette umrunden sie laufend die am Bühnenrand Sitzenden, kommen auch den ersten Reihen auf der Tribüne ganz nah, die Lichter (Andreas Lendais) flackern auf und erlöschen wieder, unbeirrt hämmert der Dub-Sound (Hyko Dubz), sich selbst wiederholend und monoton.Solidarität durch Umarmung: Guth, Nondlwana, Ward.

Wie und wohin das Tanztrio der anderen Art entschwunden ist, habe ich nicht mitbekommen. Plötzlich ist es finster, der Bühnenraum ist leer, begeisterter Applaus brandet auf.

Michael Turinsky hat, so steht aus auf dem Programmzettel, „einen Versuch gestartet, eine Antwort auf die fortschreitende Entsolidarisierung zu finden.“ Gefunden hat er sie nicht, aber ein eindrucksvolles inklusives Tanzstück geschaffen.

Michael Turinsky: „Reverberations“, Uraufführung, 8. März 2018, Tanzquartier.
Zwei weitere Aufführungen: 9., 10. März 2018.