Christina Fonthes: Wohin Du auch gehst
Geboren 1987 in Kinshasa, Kongo, lebt Christin Fonthes heute in London, wo sie Rewrite, eine Schreibakademie für PoC-Autorinnen gegründet hat. Jetzt ist ihr 2023 fertig gestellter Roman veröffentlicht worden. Michaela Grabinger hat Where You Go, I Will Go aus dem Englischen für den Diogenes Verlag übersetzt. Wohin du auch gehst erzählt von zwei in Kinshasa gebürtigen, in London lebenden Frauen und ihren Geheimnissen.
Über mehr als 40 Jahre erstreckt sich die Geschichte von Mira, später in London Tantine Mireille genannt, und der jungen Bijoux, die von ihren Eltern zur Tante nach London geschickt wird. Christina Fonthes lässt Bijoux im Plauderton ihr Leben zwischen Afrika und Europa, zwischen Heimat und Fremde, zwischen afrikanischer Tradition und modernem Leben in London, erzählen. Bijouxs Geheimnis wird bald gelüftet, wenn Tantine Mireille ihr erklärt, dass sie heiraten müsse, der Mann sei bereits gewählt. Sioux, die Leserinnen wissen es längst, ist lesbisch.
Mireille ist strenggläubig, schleppt auch Bijoux in Versammlungen und Gottesdienste einer Sekte unter Papa Pasteur. Homosexualität, so Tantine Mireille, „ist unafrikanisch.“ Bijoux wird einem grausamen Exorzismus unterzogen und sie fügt sich in die Heirat mit einem jungen Mann aus gutem Haus, der jedoch ebenfalls unfreiwillig zum Ehemann geworden ist und seine Nächte außer Haus verbringt. 
Miras Geschichte ist komplizierter und wird von der Autorin erzählt, doch auch ihr Geheimnis wird die Leserin ahnen, noch bevor die Tragödie öffentlich wird.
Fonthes erzählt nicht chronologisch, greift vor und zurück und erzählt aus dem Leben der beiden Frauen parallel.
Bijoux, die von ihrer Liebe und der Unterdrückung erzählt, ist eine positiv eingestellte Frau, beklagt sich nicht, erfreut sich an ihrer neuen Geliebten, Chancey, die aus derselben Gegend am Rand von Kinshasas stammt wie sie. Mira hingegen schweigt, doch Bijoux lernt dieses Schweigen zu deuten, zu lernen, dass „Schweigen auch eine Sprache ist.“
Die individuellen Geschichten spiegeln auch die Zeit wider. Fonthes erzählt vom Leben in Afrika,
von der Gewalt, die auch in Kongo herrscht und vom Leben der Afrikanerinnen in Europa, wo die unterdrückende Moral nicht viel lockerer ist als in der Heimat der Protagonistinnen. Der Autorin gelingt es, lebendige, komplexe Figuren zu zeichnen, deren Denken und Handeln und auch Schweigen gut u verstehen sind. Sie ist ganz nah am Alltag ihrer Figuren,
berichtet, ohne zu urteilen. Auch an der Plattheit eines queeren Frauenromans ist sie nahe dran, doch ihre Erzählkunst, das kunstvolle Verweben von Europa und Afrika, der stummen Tantine Mireille mit der oft überschäumenden Bijoux rettet sie vor dem Absturz ins flache Wasser. 
Einst war Mireille / Mira so jung und wild wie Bijoux, aus dem warmen Nest der Familie wurde sie geworfen und landete in London im Gefängnis dieser Sekte, um sich reuevoll salbt zu geißeln und in Schweigen zu versinken.
Doch Christina Fonthes sieht wie ihre Bijoux das Schicksalsglas halbvoll und entlässt ihre Leserinnen zufrieden und gut gelaunt. Alles fügt sich und erfüllt sich zu einem glücklichen Ende.
Christina Fonthes: Wohin du auch gehst / Where You Go, I Will Go aus dem Englischen von Michaela Grabinger, 416 S., Diogenes 2025. € 25,70. E-Book € 21,99