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Ambrose Parry: „Das Gift der Lüge“, Medizinalkrimi

Brookmyre + Haetzman sind Ambrose Parry. © John Devlin / The Scotsman

 

Das Autorenpaar Christopher Brookmyre und Marisa Haetzman, alias Ambrose Parry, lockt die Leserinnen wieder nach Edinburgh, wo im 19. Jahrhundert die Medizin erstaunliche Fortschritte machte. Nach „Die Tinktur des Todes“ wird nun „Das Gift der Lüge“ verspritzt. Wieder sind der emsige und experimentierfreudige Arzt James Young Simpson, eine historische Person, der junge Arzt Will Raven und die nun zur ehrbaren Arztgattin gereifte Dienstmagd Sarah die Hauptpersonen. Im Mittelpunkt steht Simpsons ebenso segensreiche wie gefährliche Entdeckung des Chloroforms als Schmerz- und Rauschmittel.

Der Effekt von Chloroform auf James Young Simpson und Freunde.© Wellcome Library, LondonSimpsons Kollegen sind ihm nicht alle gut gesinnt, viele neiden ihm den Erfolg, von dem er, weichherzig und sozial, gar nicht profitiert, diskreditieren und verunglimpfen ihn. Ravens Hoffnung, er könnte wieder mit Sarah, die er aus Hochmut und Borniertheit schnöde verlassen hat, um im Ausland seinen Doktorgrad zu erwerben, wieder anbändeln, doch dann muss er erfahren, dass Sarah Fisher nun Mrs. Baker ist. Ihren Posten bei Simpson hat sie behalten, allerdings nicht mehr als Dienstmädchen, sondern als seine Assistentin. Besonders gut versteht sich die ehrgeizige junge Frau auf das richtige Dosieren von Chloroform. Beiden, Sarah und Will, klopft das Herz, als sie einander wiedersehen, weil Will Raven von Simpson, bei dem er vor Jahren gelernt hat, als seine Vertretung eingestellt wird.Die Old Town in Edinburgh, einst ein Armenviertel, jetzt als Kulturerbe eine Touristenattraktion. © cityexplorerstours.com/Sarah will alles daran setzen, um die Verleumdungskampagne zu beenden und die missgünstigen Mediziner zum Schweigen zu bringen. Nolens volens muss sie dafür Raven um Hilfe bitten. Der weigert sich anfangs, um es sich mit der Ärzteschaft in Edinburgh nicht zu verderben, doch als ihm klar wird, dass jemand wissentlich ganze Familien ausrottet und Chloroform dabei immer ein Rolle spielt, wird auch er wieder Detektiv. Dass bei der Aufklärung der Morde auch eine plötzlich verstorbene Blutegelfamilie eine Rolle spielt, ist eine dGedenktafel auf Simpsons Haus in der Queen Street 52. Dort spielt auch der Roman. © twitter.comer Anekdoten, die den Humor von Brokmyre und Haetzman, nicht nur am Schreibtisch, sondern auch im Leben ein Paar, beweisen.
Marisa Haetzman ist nicht nur Ehefrau, sondern auch Ärztin und Medizinhistorikerin. Dr. Elizabeth Blackwell, eine der ersten Promovierten Ärztinnen Englands. Ein Vorbild für Sarah. © Hobart and William Smith Colleges Archives - hacademic.hws.edu/library/Sie liefert also die verbürgten Details im Kampf gegen Krankheit und Schmerzen und auch um Patient:innen. Raven und Sarah sind erfundene Figuren, aber so lebendig und glaubhaft wie die realen. Besonders Sarah gereicht allen Leserinnen zur Freude. Sie will mehr sein als die Dienerin der Männer, ob als Mädchen für alles oder als Ehefrau. Sie liest und versteht medizinische Werke, um sich weiter zu bilden, und als sie von Elizabeth Blackwell, eine der ersten an der Universität promovierten Ärztinnen Englands und von Charlotte von Siebold (1788–1859), der ersten Gynäkologin Deutschlands, Parry: Cover. Piper Pendoerfährt hat sie keinen dringenderen Wunsch, als selbst Medizin zu studieren. Daher darf die Leserschaft auf einen dritten Band über die Ärzte und Morde in Edinburgh vor mehr als 150 Jahren hoffen.
Ambrose Parry – vermutlich lässt sich dieser fiktive Name besser verkaufen als Autor und Autorin auf dem Cover – weiß flüssig zu erzählen, schildert auch die medizinischen Tatsachen spannend genug, ohne mit schwierigen Details zu langweilen. So lassen sich die Bände auch im Original gut lesen.

Ambrose Parry: “Das Gift der Lüge“, aus dem Englischen von Hannes Meyer, Pendo im Piper Verlag, 2021. 496 Seiten. € 17,50.
Englische Ausgaben:
„The Way of All Flesh”, Cannongate, 2018.
„The Art of Dying“, Cannongate, 2019.