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Susanne Mischke: Hättest Du Geschwiegen, Softkrimi

Erfolgsautorin Susanne Mischke. © Raphael Michalek

Zum neunten Mal ermittelt Kommissar Bodo Völxen in Hannover. Ein bekannter Journalist liegt auf einer Gstettn am Rand der Stadt. Die Liste der Verdächtigen ist lang, und, wie es sein soll, bleibt am Ende ein Name übrig. Doch trotz des schwer zu lösenden Falls sind Mischkes Hannover-Krimis pure Erholung. Man trifft alte Bekannte wieder und besucht am Abend mit Völxen seine Schafe und bewundert den Sonnenuntergang, und vergisst ganz, dass es einen Mord aufzuklären gilt.

Völxens Ruhepol: Die Landschaft und sein Bauernhof am Deister. © hanover.deVölxen und seine Mitarbeiter*innen sind, bis auf den meist alkoholisierten Macho Erwin Raukel, durchwegs sympathische Zeitgenoss*innen, auch die Familienangehörigen sind Mischke-Fans schon gut bekannt. Sabine etwa, die Klarinette spielende Ehefrau von Bodo, Peda Rodriguez, die fürsorgliche Mutter von Fernando, der mit der obergescheiten Jule verheiratet ist, die deshalb das Team verlassen musste und nun beim LKA arbeitet und diesmal wie eine Brieftaube mit geheimen Botschaften hin und her flattert. Auch der gute, etwas ruppige Geist dieser SoKo Hannover, die Cebulla, ist wie immer am Kaffeekochen, liebend gern für den Hauptkommissar, eher unwillig für dessen Untergebene. Dass sie erst kürzlich auf einen Heiratsschwindler hereingefallen ist, darf nur geflüstert werden. Die kettenrauchende Oda Kristensen und die eigenwillige Elena Rifkin, die sich nur mit dem Nachnamen rufen lässt und auf Grund ihrer Wurzeln perfekt Russisch spricht. Sie sitzt diesmal zwischen zwei Stühlen, weil ihr Bruder einen Nachtclub führt und womöglich mit der Russenmafia in Verbindung steht. In Linden, einem Vorort von Hannover, liegt ein Toter auf der Halde. © Nele SchröderÜberdies ist sie frisch verliebt. Der bärenstarke SEK-Mann Toni Bronski ist der Auserwählte, der allerdings einstweilen noch eine Nebenrolle spielt. Zum geplanten Essen mit Rifkins Eltern kommt es nicht, weil sie zum Zeitpunkt gefesselt in einem Audi sitzt, hineingeschubst von zwei Männern mit Masken und Pistolen. Völxen hat keine Ahnung, er hat sich auf dem Heimweg einen Eisbecher gegönnt und sitzt gelassen in der Abendsonne.

Die Ermittlungen gleichen der Suche im Irrgarten. Ist die russische Mafia beteiligt oder geht es um Liebe und Eifersucht? Das LKA will den Fall an sich reißen, schließlich könnte auch Drogenhandel im Spiel sein. Der Tote Journalist, Boris Markstein, eine lokale Größe, hat nicht nur in seinem Blatt, der Bild, geschrieben sondern auch in anderen Zeitungen. An welchen brisanten Geschichten hat er gearbeitet? Obwohl den Markstein, lästig und rücksichtslos, niemand leiden konnte, sind Völxen und sein Team vom Tod des Journalisten richtig erschüttert. Angenehm oder unangenehm, man hat intensiv mit ihm (oder gegen ihn) gearbeitet. Am Kröpcke löffelt Völxen in Seelenruhe sein Eis, von Rifkins Entführung ahnt er nichts. © Tim Schaarschmidt / HAZJetzt ist er selbst Opfer, und das gibt Gelegenheit, einen Blick ins Milieu der Redaktion einer Lokalzeitung zu werfen. Dort arbeitet auch Fernandos Schwester, und die nutzt die geschwisterlichen Zusammenkünfte für ihre Zwecke aus. Dem lokalen Mafia-Boss passt es gar nicht, dass die Organisation in der Titelgeschichte erwähnt wird und Troubles gibt es also genug in diesem verzwickten Fall, das lauwarme Bier, das der Nachbar Bodo Völxen jeden Abend beim Plausch am Zaun anbietet, ist da höchst willkommen.

Susanne Mischke bedient sich zwar manchen Klischees, charakterisiert ihr Personal jedoch scharf und lässt die Leserinnen auch Hannover und die Umgebung immer besser kennen lernen, schließlich wohnt sie selbst in der Gegend. Ihr Stil ist flüssig, ohne erhobenen Zeigefinger flicht sie aktuelle Diskussionsthemen ein und vergisst, Hannoverkrimi 9, Cover. © Piper Verlagtrotz der vielen Nebenwege ins Privatleben der handelnden Personen, die Krimihandlung nicht und auch nicht ihren Humor, wofür die Niedersachsen nicht wirklich berühmt sind. Doch es gibt immer Ausnahmen, schließlich ist der Kabarettist Otto Waalkes einer der bekanntesten Niedersachsen. Die Autorin selbst ist 1960 in Schwaben geboren, wo man angeblich für „Späßle“ auch wenig übrighat. Es sind die Ausnahmen, die das Klischee bestätigen.
Dass die Verlage vielfach Titel wählen, die weniger mit dem Inhalt eines Buchs zu tun haben als mit dem Druck der Marketingabteilung, Kaufanregendes auf das Cover zu setzen, ist Tatsache. Im aktuellen Fall wird diese bestätigt. Wer da angesprochen wird und nicht geschwiegen hat, ist mir nicht klar geworden.

Susanne Mischke. „Hättest du geschwiegen“, Hannoverkrimi 9, Piper 2020. 320 S. € 15,50. Auch als E-Book erhältlich.