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Daniel Spoerri: Der Garten bei Seggiano

"Dies irae" von Olivier Estopey © Giardino

Verborgen zwischen den kleinen toskanischen Orten Seggiano und seinem winzigen Ortsteil Pescia liegt am Fuß des Monte Amiata im schattigen Tal das Paradies, il Giardino, der Garten. So ist der Flurname des 16 ha großen Areals, in dem der Künstler und Sammler Daniel Spoerri „seinen“ Garten pflegt. Was darin wächst ist Kunst. Skulpturen, Assemblagen, Installationen. Von Spoerri selbst und von seinen Freunden. In nahezu 20 Jahren haben sich mehr als 100 Werke angesammelt, die den Garten zu einem Zauberland machen. Die Natur spielt willig mit.

Leicht zu finden ist er nicht, dieser friedliche Garten Eden. Daher ist am sichersten, das Navigationsgerät mit den Koordinaten zu füttern: 42° 55’ 21’ N / 11° 23’12 O. Auf der Straßenkarte gibt es einen Stern für den Giardino, doch der ist an der falschen Stelle und die winzigen Orte, sind in einer praktisch zu faltenden Karte nicht zu finden. Dennoch hat noch jede Besucherin den Garten entdeckt. Daniel Spoerris Gardino ist der Stolz der Provinz Grosseto und ist der Monte Amiata einmal nicht zu sehen, fragt man die alten Männer auf ihren hölzernen Stühlen vor der Bar. Es dauert eine Weile bis sie sich einigen, aber das Diskutieren und Wegweisen ist ihre Leidenschaft (neben ihrem täglichen Glas Vin Santo). Der Eingang in den Giardino
„Hic terminus haeret“, was  übersetzt soviel bedeutet, „Hier haftet der Übergang“. Oder auch, „Hier ist die feste Grenze (mein Limit)“. Dido sagt das zu Jupiter (Vergil: „Aeneis“) da  sie den untreuen Aeneas verflucht. In rostroten Lettern steht der Satz über dem Tor und bedeutet für mich, dass wir in Frieden durch das Tor gehen sollen, weil hier der schnöden Welt Geschrei draußen bleibt.

Daniel Spoerri, der Gründer des Giardino © Archiv Die Reisenden werden reich belohnt. Im riesigen Areal haben die Figuren und Objekte, Installationen und Assemblagen alle ihren ganz speziellen Platz gefunden. Der große „labyrinthische Mauerweg“, (das doppelgeschlechtliche Wesen mit Phallus und Brüsten ist begehbar), der „Teufel“ und der „Drache“, der Feuer speit, kaum erblickt er eine Besucherin, die „Schöne und das Biest“ und die „Krieger der Nacht“, die nasse Füße haben; das „balzende Paar“ ist im Schatten der hohen Bäume kaum zu finden, doch die „Acht mageren Albträume“ muss man nicht suchen, sie stehen plötzlich da, mitten im Sumpfgras und auch die sieben „Grazierinnen“ müssen die Füße kühlen, bei näherem Hinsehen sind die Faschiermaschinen zu erkennen, die mit Hutmodeln kombiniert sind. Grazien sind das keine, eher kampfbereite schwarze Amazonen.
Eine der ersten Installationen ist auf einem Hügel nahe der östlichen Grenze am Ende des Giardino zu finden. „Der Nabel der Welt – Die Einhörner“. Sie stehen im Kreis, aus ihren Pferdeköpfen stechen die spitzen Hörner wie Lanzen ins Blau des Himmels. Eine Installation aus einem von Spoerri aus einer Laune heraus absichtlich zerbrochenen Narwalzahn, Bronze und Gold, 8 m hoch. Angeblich stand früher an dieser Stelle das Dorf Seggiano, jetzt grüßen die Häuschen vom gegenüberliegenden Hügel. Lesende (Spoerri nach Topor)

Den Hügel hinuntergelaufen, weg von den kleinen Villen (Empfang, Gästehaus, Wohnung und Studio des Künstlers Spoerri, ein kleines Gasthaus mit Namen „Non solo Eat Art” erinnert dass Kunst hungrig macht) hin zu den drei überlebensgroßen Trommel Kriegern aus Bronze. Das Visier ist herunter gezogen, ich möchte mit den 160 Gänsen aus Stahlbeton die Flucht ergreifen und bin doch fasziniert von den stummen Riesen.„Dies irae / Tag des Zorns“ heißt dieses Werk, das wie nahezu alle Schätze im Giardino in kein Museum passen würde. Räumlich nicht und auch nicht ästhetisch. Doch hier, im Giardino, stehen Trommler und Gänse, als fühlten sie sich, trotz Furcht und Zorn, wohl an diesem Ort.

Es gibt kein Ende und keinen Anfang – Paradies eben, ohne hohe Mauern, kein Engel vertreibt die Besucher mit gezücktem Schwert – man darf gehen wie man will, zur besseren Orientierung sind manche Wege in die Wiesen gemäht, im dunklen Wald stolpert man über Wurzeln und sucht viele der Skulpturen unter dem wuchernden Efeu. Spoerri geht immer mit, erklärt und erzählt, beweist Humor und Bescheidenheit und ich durchstreife den Garten so lange bis die Batterien des Audio-Guides leer sind. Dann hole ich mir von Mariella ein neues Gerät und weiß am Ende von zwei Tagen, dass ich nicht alles was dieses Paradies aus Blumenwiesen und Olivenhainen, kleinen Schonungen, Bächen und Teichen und Kunstwerken, zu bieten hat, betrachten und einen konnte. Was ich aber besucht habe, hat mich entzückt und viele der Kunstwerke sind zu Freunden geworden, auch wenn so manche durchaus nicht freundlich sein wollen. Das gibt zu denken aber nichts zu fürchten.

Der Damoklesgang: Das Schöne ist gefährlichManche der Installationen ordnen sich einem Thema untergeordnet und es ist geraten, sie in der richtigen Reihenfolge zu durch- und umwandern, sonst bleibt die Erlösung aus. Über die Brücke der Gorillas kommt man zum Damokles-Rosengang. Wie schön! Rosen ranken links, Jasmin Blüten rechts und oben drüber? Scharf geschliffene Sensenblätter. Wie gefährlich! Doch danach landet man bei einer der wenigen Marmorskulpturen. Zwölf Mal letztes Abendmahl, für zwölf berühmte Frauen. „Duodecim ultimae cenae de claris mulieribus“. Er hat’s mit dem Essen und dem Verdauen, dem Aufnehmen und dem Hergeben,  der Daniel Spoerri.
Bevor ich den Giardino verlasse besuche ich noch einmal die „schlafenden Vögel“ in ihrer schönen Voliere, gleich daneben Sitzt „die versponnene Leserin“–  ich denke: „Das bin ich. Gegenüber von Spoerris Domizil im Giardino tanzt „Daniel Nijinski Superstar“ an der Hauswand. Immer in der gleichen Pose, ein Geschenk des Künstlers Non Vital an Daniel Spoerri, der Tänzer war bevor er seine Karriere bildender Künstler begann.  Daniel Nijnskij Superstar

Der junge Daniel hat klassischen Tanz und Pantomime studiert und am Berner Stadttheater getanzt und choreografiert. Doch das Ballett, vermutlich das ganze Theater, waren ihm zu wenig konkret. Er wandte sich der Objektkunst zu, hatte Erfolg mit seinen „Fallenbildern“ und widmete sich der „Eat-Art“. Der Garten ist in eine Stiftung (Fondazion Hic Termnus haeret) umgewandelt, Roberto Rossi verwaltet sie: „Er soll niemandem privat gehören“, will der Gründer. doch die Auswahl und Aufstellung der Objekte lässt er sich nicht nehmen. „Das Auswahlkriterium bin ich“, sagt der 86jährige selbstbewusst und gibt zu, dass sie völlig subjektiv ist. Regeln und Kriterien gibt es keine. Unter den vertretenen Künstlerinnen und Künstlern sind bekannte, auch berühmte, oder gänzlich ruhmlose. Manche sind auch schon tot.

Il Giardinio di Daniel Spoerri, I - 58038 Seggiano GR
Öffnungszeiten:
Von Ostern bis 1. Juli: täglich außer montags von 11 bis 20 Uhr
Von 1. Juli bis 15. September: täglich von 11 bis 20 Uhr
Von 15. September bis 31 Oktober: täglich außer montags von 11 bis 20 Uhr
Von November bis Ende März: nur auf Voranmeldung

„Ab-Art“: Ausstellungshaus Spoerri, Hauptplatz 23, Hadersdorf am Kamp.
Öffnungszeiten: März, April: FR - SO 11- 17 Uhr
ab Mai: DO - SO 11 – 18 Uhr
ab Oktober: DO - SO 11 - 17 Uhr.