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Angelin Preljocaj: „Siddharta“, Ballett-DVD

Erleuchtete Erleuchtung Aurélie Dupont. © ArtHaus / youtube

Der französische Choreograf Angelin Preljocaj hat sein von der Gründerfigur des Buddhismus, Siddhartha Gautama, inspiriertes Ballett für die Compagnie der Pariser Oper geschaffen. Nicht die beste Arbeit des Choreografen, verschwand es schnell wieder vom Spielplan, ist jedoch als DVD erhältlich. Ein Ballett, das vor allem durch die Tänzerin Aurélie Dupont, die die immaterielle Figur der Transzendenz und des Erwachsens aus irdischer Finsternis personifiziert, sehenswert ist.

Nachdem die Pariser Compagnie seine beiden abendfüllenden Ballette „Le Parc“ (1994), zu Musik von Mozart, und „Casanova“ (1998), Musik von Goran Vejvoda, in ihr Repertoire übernommen hat, hat Preljocaj 2010 „Siddharta“ eigens für das Ballett der Oper in Paris kreiert. Sein 1989 für die Compagnie der Oper Lyon geschaffenes Ballett "Roméo et Juliette" war im November 2018 im Festspielhaus St. Pölten zu sehen.

Aurélie Dupont und Nicolas Le Riche. © ArtHaus / youtubeNach einem Indienaufenthalt wollte er die spirituelle Dimension des indischen Tanzes auch dem westlichen Tanz verleihen. Mit einem großen Ensemble von 50 Tänzer*innen zeigt er nicht die Lebensgeschichte des geläuterten Fürstensohnes Siddharta, dessen Tod 483 v. Chr. den Beginn der buddhistischen Zeitrechnung markiert, sondern konzentriert sich auf das Erlebnis der Erleuchtung und der Abkehr vom sorglosen Leben im Reichtum.

Weder seine Fra noch ein verliebtes Bauernmädchen können ihn auf seinem Weg helfen, erst „L’Éveil“, die personifizierte Erweckung, zeigt ihm, wohin er gehen muss. Aurélie Dupont, jetzt Directrice der Compagnie an der Pariser Oper, damals jedoch noch aktive Étoile, macht diese Rolle zum Erlebnis. Begleitet von einer Schar junger Frauen, die aus dem Königreich der Schatten aus Solors Traum im Balett „La Bayadère“ zu stammen scheinen, schwebt Dupont in einen weißen Schleier gekleidet über die Bühne, als wäre sie aus Luft geformt. Nicht nur Siddharta ist von diesem Wesen fasziniert. Aurélie Dupont, schimmernd, luftig, schwebend. ©  Arthaus / YouTube

Siddharta (Nicolas Le Riche) widersetzt sich den Wünschen seines Vaters, die Herrschaft zu übernehmen und macht sich mit seinem Cousin Ananda (Stéphane Bullion) auf die Reise, um die Vision eines asketischen Daseins zu verwirklichen. Doch Männer bleiben Männer, und so können auch Siddharta und Ananda den Versuchungen, die auf dem Weg lauern, nicht widerstehen. Le Riche und Bullion sind zwei energische Tänzer, die in Preljocas kräftigem, kantigem Vokabular mit wilden Armbewegungen und hohen Sprüngen den irdischen Kontrast zum Tanz der überirdischen Frauen bilden. In düsteren Szenen der Schwachheit der beiden Reisenden zeigt Preljocaj eine mechanisch auf dem Boden rollende behelmte Gang, über der eine Abrisskugel (die Welt?) schwebt. Trostlos und wenig verführerisch.

Die Tanzsprache von Preljocaj: Geometrie in Bewegung. © ArtHausDie Musik stammt vom französischen Komponisten und Direktor des Pariser Conservatoire Bruno Mantovani (* 1974), der eng mit der Opéra national verbunden ist und Opern-, Film- und Ballettmusik komponiert. Für seine Oper „Akhmatova“ (uraufgeführt in Paris 2011) wurde ihm der Ordre des Arts et des Lettres verliehen. Vermutlich wirkt die Komposition live gehört anders als von der Konserve. Da zerren die lauten Schlagzeugwirbel in den Verführungsszenen samt den Gitarrenriffen an den Nerven; die zarten Flöten- und Naturtöne können samt den Violinen mit den flirrenden Körpern der Damen nicht mithalten.

Das Bühnenbild von Claude Lévêque besticht vor allem durch die goldenen Visionen, die am Horizont immer wieder aufschimmern. Auch die Wirkung des Lichts, von der renommierten Designerin Dominique Bruguière eingericDie wunderbare Aurélie Dupont  in "Siddharta". © ArtHaus /  YouTubehtet, ist auf der DVD wunderbar eingefangen. Am Ende ist Siddharta tatsächlich zum Buddha geworden und so durchscheinend wie seine „Erweckung“. In einem faszinierenden Pas de deux verschmelzen Dupont und Le Riche indischen Tanz und westliches Ballett. Als Doppelwesen, das nicht mehr von dieser Welt ist, ruhen sie am Ende und nehmen den Segen des königlichen Vaters entgegen. Nur mit zwei Auftritten bleibt Wilfried Romoli, der den König darstellt, im Gedächtnis. Preljocaj hat den ehemaligen Étoile der Pariser Oper und nun Lehrer an der École de dance als Gast eingeladen. Auch seinen Abschied von der Compagnie hat Romoli 2008 mit einem Stück von Preljocaj genommen. Mit Laurent Hilaire interpretierte er den Pas de deux „Un trait d’union“ aus dem Repertoire der Oper.DVD-Cover  "Siddharta"  © ArtHaus

„Siddharta“ ist nicht unbedingt als  Meisterwerk zu bezeichnen, zu sehr hat sich Preljocaj auf die Ruhe und Gelassenheit Buddhas verlassen. Möglich, dass die schwarzen Gestalten in den dunklen Szenen für die Aufnahme nicht genügend ausgeleuchtet worden sind, jedenfalls bleiben die feenhaften, von innen her leuchtenden Visionen der Erweckung mehr im Gedächtnis haften als die bösen schwarzen Geister.

Angelin Preljocaj: „Siddharta“, Aufnahme der Uraufführung: Paris, 2010. Musik: Bruno Mantovani, Dirigentin: Susanna Mälkki. Mit Aurélie Dupont, Nicolas Le Riche, Wilfried Romoli und dem Corps de Ballet de l’Opéra de Paris. DVD: ArtHaus Musik.