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Hungry Sharks: “#fomo – The Fear Of Missing Out”

Hungry Sharks: Urban Dance in St. Pölten © Dušana Baltić

Urbaner Tanz im Festspielhaus St. Pölten. Mit „#fomo“ gastierten die Hungry Sharks das erste Mal in einem großen Haus. Das 2014 uraufgeführte Stück ist in einer weiterentwickelten Fassung präsentiert worden, die mit zwei Tänzerinnen und drei Tänzern in eher düsterem Ambiente Einfluss und (Über-) Macht der modernen Kommunikationstechnologien, der Computerspiele und sozialen Medien behandelt.

Hungry Sharks: Gefangen im Netz. © Hungry SharksFünf TänzerInnen, in leicht futuristisch anmutenden Kostümen, bewegen sich auf der leeren Bühne zu elektronischen Sounds und kraftvollen Beats. Das Licht, von der Decke, den Seiten und mit einem Bauscheinwerfer variantenreich eingesetzt, erzeugt Fokussierungen, Isolierungen einzelner Performer, wirft, an Platons Höhlengleichnis erinnernd, Schatten von Menschen an die Rückwand, mit denen die PerformerInnen kommunizieren. Wir sehen getanzte Computerspiele, Instagram Facefilter, Selfie-Orgien, lästige Likes, neue Messages und hellstrahlende Smartphones, die dem Publikum direkt vor das Gesicht gehalten werden. Ein Tänzer windet sich zu elektronisch verfremdetem Gejammer und Geschrei am Boden. Höllenqualen leidet dieses Opfer. Der Schatten einer Hand greift, immer größer werdend, nach den Zuschauern. Wir kriegen Euch alle!

Getanzt wird eine Mischung aus verschiedenen urbanen Stilen: Breaking, Locking, Popping, Hip-Hop, House, szenisch und dennoch fließend ineinander übergehend. Die Choreografie gibt Raum für Soli, wechselnde Synchronizitäten und komplexe Gruppen-Tänze, die eindrucksvoll das hohe Niveau jedes einzelnen Performers wie auch das der Compagnie als homogene Einheit demonstrieren. Die elektronische Musik wird direkt in Bewegung umgesetzt, mit feinem Gespür für einander, für den Raum und mit einer Bühnenpräsenz, die fesselt. Ein von den Hungry Sharks auf ihre Art getanzter Walzer, als Spirale des Hineingleitens, ist ein ästhetischer Hochgenuss. Hungry Sharks : Tanz auf düsterer Bühne. © Dušana Baltić

„#fomo“ übt Kritik an der Kritiklosigkeit, mit der sich viele der schönen neuen Welt der Kommunikations- und Computertechnologien hingeben, dieser erlauben, sie selbst in Besitz zu nehmen. Ein fulminanter Abend, der das begeisterte, vor allem recht junge Publikum mit einem wohl eher nur kurz anhaltenden Zögern beim Griff zum Smartphone entlässt.

Die Hungry Sharks, eine Vereinigung von etwa 20 österreichischen TänzerInnen, gegründet 2011 von Valentin Alfery und Dušana Baltić, arbeiten in wechselnder Besetzung mit den Elementen des Urban Dance, die sie vor allem bei Straßenperformances, Jams und Battles kreieren, entwickeln und auf ihre Wirkung hin testen. Hungry Sharks: Akrobatische Übung. © Dušana BaltićSie leisten seit ihrer Gründung Pionierarbeit auf diesem Gebiet in Österreich und ich meine, sie haben inzwischen ein künstlerisches Niveau erreicht, das dem Urban Dance als eigenständige Form zeitgenössischen Tanzes deutlich mehr Aufmerksamkeit und insbesondere auch Unterstützung bescheren sollte. Choreografen wie José Montalvo, Akram Khan oder Sidi Larbi Cherkaoui integrieren Elemente des Urban Dance in ihre Arbeiten und somit in den professionellen Betrieb. Die Arbeit der Hungry Sharks als nicht-professionelle Compagnie des ausschließlich Urban Dance ist daher umso höher zu bewerten. Ein Ausdruck dessen ist die Einladung in das Festspielhaus St. Pölten.

Hungry Sharks:“#fomo – The Fear Of Missing Out“, Choreografie: Valentin Alfery; Produktion und Kostüme: Dušana Baltić; Lichtdesign: Joe Albrecht; Musik: Darkside, Nicolas Jaar, Tipper, Old Boy OST; Performance: Farah Deen, Olivia Mitterhuemer, Moritz Steinwender, Patrick Gutensohn, Valentin Alfery; Festspielhaus St. Pölten, 2.November 2018.