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ImPulsTanz – Holzinger & Riebeek

Holzinger, Riebeek: Ungezügelte Leidenschaft. © Karolina Miernik

Florintena Holzinger und Vincent Riebeek träumen romantisch. In ihrem dreiteiligen Tanzstück „Schönheitsabend“ erinnern sie sich auf ihre spezielle Art an Episoden der Tanzgeschichte. Les Balletts Russes, die Tänzerin Anita Berber, die Wien zum Kochen gebracht hat und Vaslav Nijinsky, Symbol der Tanzkunst, bilden den Hintergrund für einen bewegten Abend im Kasino am Schwarzenbergplatz.

Von den Uraufführungen im Rahmen des Festivals ImPulsTanz, ist der „Schönheitsabend“ sicher eine, die ohne Langeweile auskommt und dem Duo Florentina Holzinger und Vincent Riebeek  Gelegenheit geben, ihre Talente zu zeigen. Die drei Teile der Vorstellung sind aussagekräftig überschrieben: „Tänze des Lasters“, „Tänze des Grauens“, „Tänze der Ekstase“.

Skandal in Wien. Die Titel erinnern an ein anderes  Duo, nämlich Anita Berberr & Sebastian Droste, die Anfang der 1920er Jahre im Wiener Konzerthaus mit dem Programm „Tänze des Lasters, des Grauens und der Ekstase“ aufgetreten sind. Der Titel allein (im Verein mit dem Aufführungsort) hat für die Skandalisierung gereicht. Der Titel war (und ist wohl noch immer) so vielversprechend wie marktgerecht, dass er auch einen Bildband über die beiden Tänzer_innen geschmückt hat. Was den „Skandal“ zur Freude der Veranstalter hochtrieb, war überdies die Homosexualität von Droste, aus der er kein Hehl gemacht hat. Auch darauf nehmen Holzinger & Riebeek deutlich Bezug. Holzinger / Riebeeck beim Sexsport.

Als bunte Folie, die Holzinger / Riebeek freizügig beleben, dienenTanzereignisse zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts. Etwa  besagtes „Skandalduo“, das Ballett ,„Shéhérazade“, von Michael Fokine für Les Ballets Russes (Ausstattung und Kostüme: Léon Bakst) zum gleichnamigem Orchesterwerk von Nikolai Rimsky-Korsakov, oder der letzte öffentliche Auftritt Nijinskys, 1919 in einem Schweizer Hotel, währenddessen er einen Nervenzusammenbruch erlitten hat und von da an den Großteil seines Lebens († 1950) in Heil- und Pflegeanstalten verbringen musste. Auch seine Choreografien wurden als „skandalös“ angesehen, behandelten doch alle seine Werke sexuelle Themen. In der Uraufführung von „Shéhérazade“, 1910 in Paris, tanzte übrigens Nijinsky der leidenschaftlichen Sklaven, der vom Sultan aus Eifersucht getötet wird. Ida Rubinstein tanzte die Sultana.

Diese  pikanten Geschichten und Episoden dienen als Auslöser für eigene Interpretationen und Gedanken, Die Bewegungen von damals gehen in die von heute über.

Figurine von Léon Bakst Im üppigen Dekor und mit aufwändigen Kostümen (die  für das Scheherazade-Kapitel hat Valerie Hellbaut orientalisch nachempfunden) konzentriert sich das Paar auf Sexualität, Lust, Schmerz und Queerness. Nijinsky muss überdies für das Bild des echten Künstlers herhalten, der nur einer sein darf, wenn er dem Wahnsinn verfällt. Romantisch aber kaum realistisch.

Zwischen Ironie und Parodie. Wirken die angedeuteten Ballettschritte nicht wirklich ernsthaft, sogar parodistisch, so zeigen Holzinger & Riebeek vor allem in den akrobatischen Akten – nein nicht die auf dem Boden, sondern auf dem Hochreck –  welch kräftige, gut trainierte Tänzer_innen sie sind. Und auch wie gut sie das, was sie sagen wollen mit dem Körper umzusetzen wissen.
Der letzte Teil ist nicht ganz so verständlich, da scheint es um die Utopie eines Paradieses zu gehen, in dem Mensch und Tier, Mann und Frau, Pflanzen und Bäume einander gleich sind und Friede auf Erden herrscht. Und das, meine ich, ist die pure Romantik. Das kompromisslose Performer_innen auch eine schwärmerische Seele haben und von Paradiesen träumen, ist eine Überraschung. So ist „Schönheitsabend“ ein richtig bunter Abend, an dem auch die akrobatischen Übungen ganz leicht erscheinen.

„Florentina Holzinger & Vincent Riebeek: „Schönheitsabend“, 11. 8., Kasino am Schwarzenbergplatz im Rahmen von ImPulsTanz 2015.

Weitere Vorstellungen 12., 13.8. 2015