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Georg Ringsgwandl: „Der varreckte Hof“

Linde Prelog, Altbäuerin am "varreckten Hof" © Bettina Frenzel

Die gelungene Inszenierung der Stubenoper des bayerischen Kabarettisten Georg Ringsgwandl durch Dora Schneider mit Linde Prelog als so verwirrter wie bewusster Altbäuerin hat im Herbst des Vorjahres im KosmosTheater das Publikum so begeistert, dass sie weder aufgenommen wird. Was urkomisch mit Spiel und Gesang und gut gesetzten Pointen beginnt, endet in bedrückender Realität. Schonungslos kritisiert Ringsgwandl die Gesellschaft in Stadt und Land.

Die alte Bäuerin wartet auf Nachwuchs, doch die Kinder, Sohn Rupert und Tochter Gerlinde, versagen. Die Alte ist raffiniert, redet Unsinn und nässt ins Bett, ist aber noch immer die Herrin am „gschlampaten Hof“. „Ålls is gschlampat“ singt sie, aber „wichtig is, dass weida geht“. Deshalb muss ein richtiges Weib her, „das aufnimmt“. In Svetlana der jungen feschen Pflegerin meint die Weichsenriederin sie gefunden zu haben.

Rina Kaçinari: Cellovirtuosin und rescshe Putzfrau © BettinaFrenzelDie Themen, die sich Ringsgwandl  vornimmt, um Klischees zu zertrümmern, den Unsinn der Lebensführung aufzuzeigen und klarmacht, dass da niemand Gewinnerin /Gewinner sein kann, sind so vielfältig und aktuell, wie sie täglich von den Medien behandelt werden. Von der Landflucht über das Los von Pflegebedürftigen und Pflegekräften bis zur sterbenden Landwirtschaft und dem selbstgemachten Berufsstress. Ist dieses Leben, ob als überflüssige Alte, als ungeliebte Migrantin, als vielfach belastete Frau schlechthin, als fauler Beamter oder sich abhetzender Manager, überhaupt lebenswert? Ringsgwandl beantwortet die Frage zögernd. Svetlana bekommt das erwünschte Kind, der Hoferbe besinnt sich und wird heiraten. „G’heirat wird erst, wenn des Kind da ist“, befiehlt die Weichsenriederin und schmatzt zufrieden ihren Brei. Wie's weida geht, kann sich das Publikum selbst ausmalen. Rosig sieht die Zukunft am varreckten Hof nicht aus.

Werdende Mutter samt ebensolcher Großmuter: Im besten einverständnis (Jelena Popžan, Linde Prelog) © Bettina Frenzel

Wie erwartet, ist in dieser stimmigen und abwechslungsreichen Inszenierung Linde Prelog, Steirerin mit eigener Landerfahrung, der Star dieser Inszenierung. Diese Alte – „am End wird sie dement“ singen die Kinder – muss man mögen und verbscheuen zu gleich. Prelog serviert die Pointen trocken, ist in jeder winzigen Geste, in jedem Mienenspiel ganz in ihrer Rolle. Fast ist es zu riechen, wenn das Bett nass wird. Ihr zur Seite agieren Jelena Popržan, singen und spielen ihre Instrumente (vor allem Cello und Geige) die beiden Musikerinnen Jelena Popržan und Rina Kaçinari (Catch-Pop String-Strong), die auch die musikalische Leitung der Oper übernommen haben.

Mutter und Tochter: Wenig Verständnis (Prelog, Emese Fáy) © Bettina FrenzelDas Ensemble singt und spielt in der mit rot glänzenden Möbeln ausgestatteten Stuben, die mitten im Publikum aufgebaut ist. Wenn die alte Bäuerin nicht ins Leere stiert, wo sie die Kühe springen sieht und drohendes Unheil ahnt, sieht sie den Zuschauerinnen direkt in die Augen. Da bleibt das anfängliche Lachen tief im Hals stecken.

Georg Ringsgwandl: „Der varreckte Hof“, eine Stubenoper. Inszenierung: Dora Schneider. Mit Linde Prelog, Rina Kaçinari & Jelena Popržan, Peter Boxek, Emese Fáy, Thomas Richter. Ausstattung: Claudia Vallant. 21. September 2016.
Weitere Vorstellungen: 22.9.–1.10., KosmosTheater.