
Ballett Giselle: Applaus für ein neues Paar

Seit der Premiere 1993 ist die Choreografie des romantischen Balletts Giselle der damals amtierenden Ballettdirektorin, Elena Tschernischova, am 23.9. zum 99. Mal getanzt worden und so frisch und ansprechend, wie schon lange nicht mehr. Zu verdanken ist das der neuen Ballettdirektorin, Alessandra Ferri, die das Wiener Staatsballett in sämtlichen Etagen durch zahlreiche neue Engagements und intensives Training, verjüngt und aufpoliert hat.
So nach und nach dürfen sich in den Aufführungen des Balletts Giselle die Neuen vorstellen. In dieser letzten Vorstellung in diesem Jahr waren es vor allem die Ersten Solotänzerinnen Laura Fernandez Gromova und António Casalinho (Giselle und Herzog Albrecht), dazu Alessandro Cavallo (Wildhüter Hilarion).
Dieser Wildhüter ist eine schwierige Rolle, sollte er doch als ebenfalls in Giselle verliebter Gegenspieler von Albrecht auch eine kontrastierende Rolle tanzen. Albrecht, ein geschmeidiger Adeliger, der hinter dem naiven Bauernmädchen her ist – Hilarion, ein intriganter, auch grobschlächtiger Zornbinkel, der nicht verstehen will, dass Giselle nichts an ihm liegt. In den aktuellen Vorstellungen ist Hilarion viel zu nett, ein fescher Kerl, der mit dem Spadi fuchtelt. Für ihn bittet Giselles Geist nicht um Gnade, er muss springen, bis er nicht mehr kann. Die Willis hetzen ihn in den Tod.
Einer der Höhepunkte im 2. Akt, der dem Publikum Eindruck macht. Wobei es wohl auch die schweißtreibende Musik von Adolphe Adam ist, die den Applaus erhält.
Im ersten Akt dominiert das junge Paar, wobei Casalinho zurzeit vermutlich tatsächlich der jüngste Erste Solist und auch Albrecht ist. Mit gerade mal 22 Jahren hat Ferri den mehrfach preisgekrönten Ersten Solotänzer vom bayerischen Staatsballett nach Wien geholt. António Casalinho hat das Zeug zum Publikumsliebling. Seine unbekümmerte Eleganz, sein verschmitzter Humor hat auch auf die Partnerin abgefärbt. Es macht richtig Freude, diesem verliebten jungen Paar zuzusehen. Laura Fernandez Gromova, mehrfach ausgezeichnet im renommierten Schweizer Wettbewerb Prix de Lausanne, hat die Schweizerin mit auch ukrainischem Pass ihre Karriere in Russland aufgrund des Krieges beenden müssen. Sie hat an der Waganowa-Akademie in St. Petersburg studiert und hat sich mit Leib und Seele dem klassischen Ballett verschrieben.
Die Begeisterung, mit der ich ihr als verliebt Tanzende zugesehen habe, ist im 2. Akt schnell verflogen. Mit der romantischen Haltung ist sie nicht vertraut, der Port de bras liegt ihr nicht, doch vor allem hat sie vergessen, dass sie jetzt eine Tote, ein geisterhaftes Wesen, eine Willi ist. Die Erste Solotänzerin ist auch im 2. Akt ganz irdisch.
Im Bauern-Pas de quatre sind wie schon bei ihrem Debüt in der ersten Vorstellung die frisch gebackene Solotänzerin Sinthia Liz mit Arne Vandervelde aufgefallen.
Noch haben sich erst zwei der vier als Erste Solisten zum Wiener Staatsballett gewechselten Tänzer vorgestellt. In Alexei Ratmanskys Ballett Kallirhoe ab 19. Oktober werden auch Victor Caixeta und Alessandro Frola Gelegenheit für ihr Hausdebüt haben. Ferri hat die Gruppe der Ersten Solisten von drei auf sieben ergänzt als Partnerinnen stehen auch sieben Damen bereit. Zwei, Trenary und Fernandez Gomez, haben sich bereits in Giselle vorgestellt. Die dritte ist den Fans schon bekannt: Madison Young hat ihr Hausdebüt bereits unter Direktor Manuel Legris gefeiert und ist 2019 von ihm zur Solotänzerin ernannt worden. 2020 ha sie sich dem bayerischen Staatsballett in München angeschlossen. Alessandra Ferri hat den Wiener Ballettfans die wunderbare Tänzerin wieder gegeben. Young wird in der Premiere von Kallirhoe die Titelrolle tanzen.
Giselle, fantastisches Ballett in zwei Akten
Choreografie & Inszenierung: Elena Tschernischova nach Jean Coralli, Jules Perrot & Marius Petipa.
Musik. Adolphe Adam, mit einer Einlage (Bauern-Pas de Quatre) von Friedrich Burgmüller. Musikalische Leitung: Luciano Di Martino.
Wiener Staatsballett mit den Solistinnen: Laura Fernandez Gromova, António Casalinho, Alessandro Cavallo, Vaclav Lamparter, und anderen
Fotos: © Ashley Taylor