Ballett: Die Fledermaus, Szenen einer Ehe
Roland Petits Ballett Die Fledermaus mit nahezu neuer Besetzung in der Wiener Staatsoper. Choreograf Petits Ballett ist weniger verwirrend als der Plot der bekannten Strauß-Operette. Nur drei Personen tragen die Handlung: das Ehepaar Bella und Johann, ein Rollendebüt für Ketevan Papava und Masayu Kimoto, und der Hausfreund Ulrich. In der 28. Aufführung (der 3. nach der Wiederaufnahme) am 24.11. waren auch die kleineren Solorollen neu besetzt.
Roland Petit benötigt tatsächlich für seine „operette dansée“ nur drei Personen. Den Ehemann, Johann, der nachts Flügel anlegt, um seinen Abenteuern nachzufliegen; die Ehefrau, Bella, die einsam zu Hause sitzt und den Hausfreund Ulrich, der sie, nicht ganz ohne Nebenabsichten, tröstet und das Mittel in die Hand gibt, um ihren flatterhaften Ehemann ans Ehebett zu fesseln.
Ulrich ist der Motor der Komödie. Eno Peçi verkörpert diesen Ulrich, der mehr ist, als ein Freund des Hauses, mit der Gelassenheit des erfahrenen Tänzers, die ihm erlaubt, seinen eigenen Ulrich zu generieren. Das hat er bereits a 2009 getan, als Roland Petitsin Wien Premiere gefeiert hat. Peçi stehen sämtliche Facetten zur Verfügung, den schillernden Ulrich darzustellen. Er ist ein eleganter Herr und ein trauriger Liebhaber, weil er nur ein guter Freund sein darf, ein Wiener Charmeur, der sich selbst nicht ganz ernst nimmt, ein Clown, ein Kavalier und hilfreicher Geist, der nicht abgeneigt wäre, für eine Nacht den Ehemann zu ersetzen.
Als sich ins Ensemble schmuggelnder Csárdás Tänzer bringt er das Publikum zum Lachen, auch wenn er den echten Ungarn (ein Debüt des Halbsolisten Duccio Tariello) nicht zu verdrängen vermag. Als Gefängniswärter, der bei Johann Strauß „Frosch“ heißt und eher ein gewöhnlicher Trottel ist, doch bei Petit voll französischen Charmes, schwingt er seinen Schlüsselbund voll Elegance als Glockenspiel.
Wenn Eno Peçi nicht mehr tanzt, würde er auch als körperbetonter Komiker Furore machen. Er hat den Schalk nicht nur im Nacken und bleibt ohne zu outrieren immer ein nobler Tänzer. Über seine technische Perfektion zu schreiben ist überflüssig, wie alle Tänzer und Tänzerinnen, denen Solorollen anvertraut werden, technisch einwandfrei, sauber und perfekt tanzen. Sich darüber zu wundern, lässt die Eulen in Athen flattern.
Wie Bella und Johann müssen sich auch Ketevan Papava und Masayu Kimoto als Paar erst zusammenfinden. So recht gelingt das bis um Finale mit Filzpantoffeln nicht. Papava blüht als verführerische Bella, die Johann in vielen Gestalten erscheint, richtig auf, wird lockerer und zeigt, dass sie auch Freude an der Rolle hat. Kimoto bleibt aufrecht und kühl, ist eher ein korrekter Geschäftsmann als ein unverbesserlicher Frauenheld. Den drei Kellnern – Javier González Cabrera, Trevor Hayden, Václav Lamparter – gelingt ihr Rollendebüt auf Anhieb.
Allerdings ist Trevor Hayden ein erfahrener Tänzer und hat schon mehrmals sein Talent für Humor und die Begabung für ironische Distanz gezeigt.
Umgibt Bella und auch die Revuetänzerinnen im Etablissement Maxim’s noch ein Hauch französischen Parfums, so versacken die Ballausschnitte nach der Pause in Allerweltsgetänzel, in Zappeln und Trippeln und Winken.
Zum Abschluss gibt es einen langen, nicht wirklich aufregenden Pas de deux des nun liebenden Ehepaares. Johann hat seine magischen Fledermausflügel verloren, doch der gute Ulrich seine angebetete Bella. Hausfreunde Schicksal.
Nicht nur dieses überflüssige Jubiläumsjahr um Johann Strauß Sohn (1825–1899) hat Ballettdirektorin Alessandra Ferri animiert, Roland Petits Ballett La Chauve-souris / Die Fledermaus aus dem Repertoire zu heben,
sondern vermutlich auch nostalgische Gründe. Vor 12 Jahren hat Ferri mit dem Corps de Ballet des Mailänder Teatro alla Scala die Bella getanzt. Il pipistrello wurde live in der Scala und im Teatro degli Arcimboldi (Mailand) für das Fernsehen aufgenommen. Ferris Partner waren Massimo Murro als Johann und die Rolle Luigi Bonino als Ulrich. Und damit schließt sich der Kreis: Petit hat Bonino den Ulrich auf den Leib choreografiert, Bonino hat Peçi als Ulrich trainiert, damals 2009 und heute 2025. Applaus! Applaus! Eine Erwähnung gebührt auch der Bühnen- und Kostümbildnerin Luisa Spinatelli. Auch sie hat auf beiden Hochzeiten getanzt, im Film in Mailand und auf der Bühne in Wien.
Die Fledermaus, Ballett von Roland Petit in zwei Akten.
Choreografie & Inszenierung: Roland Petit
Musik: Johann Strauß Sohn, mit zusätzlichem Material von Strauß Vater & Josef Strauß, arrangiert und orchestriert von Douglas Gamley; musikalische Leitung Luciano Di Martino
Bella: Ketevan Papava; Johann: Masayu Kimoto; Ulrich: Eno Peçi; Leitung der Einstudierung: Luigi Bonino.
Orchester der Wiener Staatsoper, Wiener Staatsballett.
Fotos: © Ashley Taylor
28. Aufführung am 24. November 2025. Weitere Aufführungen: 27. 28. November; 8. Dezember, 14 und 19.30 Uhr. Am 13. 12. ist noch einmal die Besetzung der ersten Aufführung dieser Serie auf der Bühne.