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Ballettpremiere: Thoss, Wheeldon, Robbins

"Fool's Paradise": magisch-romantisch. © Wiener Staatsballett / Michael Pöhn

Der dreiteilige Ballettabend in der Staatsoper sollte so recht nach dem Geschmack des Publikums sein. Fordernd und schwierig zu Beginn, für beide Seiten – oben auf der Bühne, unten im Saal – und fröhlich entspannend im Finale von Jerome Robbins’ Ballett „The Four Seasons“. Der zweite Akt von Stephan Thoss’ großartigem Ballett „Blaubarts leitet den Abend ein, „Fool’s Paradise“ von Christopher Wheeldon bildet den magischen Mittelteil.

Das Neue zuerst. Der englische Choreograf Christopher Wheeldon (* 1973) hat das Ballett, „Fool’s Paradise“, nachdem er Joby Talbots musikalische Begleitung zu dem Stummfilm „Der sterbende Schwan“ (Jewgeni Bauer, Russland 1917) gehört hat. Talbot hat das kammermusikalische Werk für die Bühne orchestriert, Wheeldon hat dazu ein romantisches Ballett choreografiert.
Vier Paare und ein Mann tanzen im goldenen Licht, Gold rieselt auch vom Himmel.
In unterschiedlichen Verbindungen, Männer mit Männern, Frauen mit Männern, Frauen mit Frauen, in Pas de deux und und à trois bewegen sie sich in einem Traumland und geben sich dem Rausch des Miteinander hin. Wheeldon mischt klassische Technik mit modernen weichen, sensiblen ( auch ungewohnten) Bewegungen, hebt die Damen hoch über die Köpfe, lässt sie zwischen zwei Männern wählen und formt wunderbare Skulpturen, die für Sekunden bewegungslos bleiben. Die Musik beginnt leise, steigert sich ins orgiastische, um wieder in Sanftheit zu verklingen. Ein betörendes Arrangement, das mit seiner Magie und aufregenden, auch überaus erotischen Bewegungen verzaubert. Mit dazu beigetragen haben (ohne die Schwierigkeiten spüren zu lassen): Olga Esina, Ionna Avraam, Kiyoka Hashimoto, Gala Jovanovic, Roman Lazik, Eno Peçi, Davide Dato, Greig Matthews, Richard Szabó. Ionna Avraam, Eno Peçi: "Fool's Pradise". © Wiener Staatsballett / Michael Pöhn

Verzaubern kann auch Stephan Thoss mit seinem 2011 geschaffenen Ballett „Blaubarts Geheimnis“. Beide Akte hatten im Dezember 2012 an der Volksoper Premiere, für den dreiteiligen Abend in der Staatsoper hat Ballettdirektor Manuel Legris im Einverständnis mit dem Choreografen den 2. Akt, die eigentliche Geschichte, ausgewählt. Der Verlauf der Psychoanalyse ist also bereits bekannt. Nicht nur das Ballettpublikum, auch die Tänzer_innen (Kyrill Kourlaev als Blaubart, Alice Firenze als liebende, jede Demütigung ertragende Judith, Andrey Kaydanovskiy als Blaubarts Alter Ego) kennen ihren Part.
"Blaubarts Geheimnis": Alice Firenze, Kirill Kourlaev. © Wiener Staatsballett / Michael PöhnNeu im düsteren Schloss ist Rebecca Horner als Blaubarts Mutter. Sie meistert die Komplexe Partie mit unheimlicher Energie. Goldregen fällt auf die verschlungene Wege, die die liebende Judith mit Blaubart in seine wirre Vergangenheit zu gehen hat, keiner. Philipp Glass’ Musik, teilweise ebenfalls Filmmusik, tut ein Übriges, das Geheimnis nahezu undurchdringlich zu machen und am Ende den Triumph der unverbrüchlichen Liebe einer Frau zu feiern. Thoss lässt seine Personen expressive, eckige Bewegungen tanzen, nur Judith darf Sanftheit und Verstehen ausstrahlen. Zurecht hat Choreograf Stephan Thoss für dieses Werk den österreichischen Musiktheaterpreis „Goldener Schikaneder“, nach der Uraufführung in Wiesbaden wurde er mit dem deutschen Faust-Theaterpreis geehrt.

Zum Finale: Entspannung. Um das Publikum fröhlich und beschwingt zu entlassen, wird der Abend mit dem Vierjahreszeiten-Ballett von Jerome Robbins beendet. Zur eher uninspirierten Ballettmusik („Die sizilianische Vesper“ samt einigen kurzen Passagen aus anderen Opern) tanzen Winter, Frühling, Sommer und Herbst. Charmant und sprunghaft: Ein Faun im Herbst (Davide Dato). © Wiener Staatsballett / Michael Pöhn

Eine hübsche Gelegenheit für die Solopaare (Maria Yakovleva, Mihail Sosnovschi im luftig-leichten Frühling; Ketevan Papava, Robert Gabdullin im hitze-trägen Sommer; Liudmila Konovalova, Denys Cherevychko zum vom Faun Davide Dato angeheizten herbstlichen Weinfest) und das Trio (Ionna Avraam, Dumitru Taran, Géraud Wielick im eisig kalten Winter mit frierenden Schneeflocken) ihr Können mit jeglicher Art von Pirouetten und Sprüngen zu zeigen. Die farbenprächtigen Kostüme, der verführerische Charme des quirligen Fauns, der es gleich mit sämtlichen Herbstblumen aufnimmt, und die Sprünge des gar nicht herbstlich müden Solopaares versüßen am Ende der leichtfüßige Show die Anstrengungen des dreistündigen Abends als lockeres Dessert. Beifallsstürme waren der verdiente Lohn.

Thoss | Wheeldon | Robbins (Blaubarts Geheimnis {Ausschnitt}, „Fool’s Paradise“, „The Four Seasons“), Premiere am 29.10. 2015 Wiener Staatsballett in der Staatsoper.
Nächste Vorstellungen: 31.10., 3., 6., 10.11. 2015 (wechselnde Besetzung).