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ImPulsTanz: Anne Juren „42“, Odeon

Anne Juren, Linda Samarawerová: "42"

42“ nennt Anne Juren ihre jüngste Choreografie / Performance, deren Uraufführung gegen Ende des ImPulsTanz Festivals im Odeon stattgefunden hat. Unterstützt von Linda Samaraweerová zeigt Juren eine bestechend minimalistische Darstellung im ausgeklügelten Lichtdesign von Bruno Pocheron.

„42“, das ist einfach das Stück nach „41“, das im Dezember 2018 im Tanzquartier uraufgeführt worden ist. Anne Juren über die "Poetik der Beiehung".Der Titel könnte auf Jurens Alter hinweisen, sie ist 1978 in Grenoble geboren, also im 42. Lebensjahr. Aber „42“ ist auch die Antwort auf alle Fragen „nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest“ (Douglas Adams: „Per Anhalter durch die Galaxis“, 5. Auflage 2017, Kein & Aber). Egal, nachdem sich Anne Juren mit der Anatomie des Körpers befasst hat und in einer imaginären Choreografie in den Körper hinein und durch diesen durchgetanzt ist, übersetzt sie nun Beziehungen in Bewegung. Sie bezieht sich dabei auf einen Ausdruck des karibisch-französischen Dichters und Kulturphilosophen Edouard Glissant {† 2011), für den die Identität eines Menschen ein Konglomerat der Vielfalt der Beziehungen ist, was er „Poetik der Beziehung / Poetique de la Relation“ nennt. Auch Jonathan Burrows hat in seiner Choreografie „Rewriting" aus Glissants Werk zitiert. Die beiden Körper (Anne Juren, Linda Samarawerová) face en face.

Die Bühne ist leer und dunkel, im Hintergrund leuchtet ein Körper: Linda Samaraweerová liegt nackt mit dem Rücken zum Publikum, rührt sich nicht. Ein Körper. Vorne windet sich Anne Juren in Zeitlupe aus dem schwarzen Seitenvorhang: Ein anderer Körper, lässig in Schwarz gehüllt. Wie Lichtdesigner Pocheron mit den beiden Körpern, dem still liegenden, der sich später auf den Rücken dreht, der Performance des anderen Körpers quasi ins Gesicht sieht, einmal den einen beleuchtet und den anderen im Dunkel lässt, dann wieder beide sichtbar macht, ist allein schon Faszination genug. Da halte ich es schon aus, dass sich der „andere Körper“ (Juren) nur allmählich aufrichtet, sich die Vorstellung im Zeitlupentempo entwickelt, bis endlich für ein paar Sekunden der gesamte nur von den beiden Körpern belebte Raum im Licht erstrahlt.

Die schönen Bewegungen einer klugen Frau (Juren). Anne Juren, die nicht nur Tanz studiert hat, sondern auch Feldenkrais-Praktikerin ist („Bewusstheit durch Bewegung“) , gräbt im Körperarchiv, indem sie ihrem Körper die Befehlsgewalt übergibt. „Mein Körper hat nicht dieselben Ideen wie ich“, stellt sie fest. Mit kleinen, sorgfältigen Bewegungen öffnet der Körper sein Archiv. Sie hebt die Arme, kreist mir den Schultern, geht mit offenen Armen auf das Auditorium zu, läuft nach vorn und nach hinten und auch rückwärts. Die Fülle der Bewegungsmöglichkeiten, das leise Zählen, das aus dem Lautsprecher kaum zu hören ist (der Rest des Textes ist so leise, dass er weitgehend unverständlich ist), das Vor- und Zurücklaufen, möchte ich auch als Zurückgehen in die Vergangenheit und die Erkenntnis, dass das nicht möglich ist, deuten.Der nackte Körper bewegt sich nur wenig (linda Samaraweerová).

In ihrer Denk- und Recherchearbeit ist Anne Juren konsequent. Von ihrem ersten Auftritt an ist sie bedacht, die Grenzen des Begriffs Choreografie zu erweitern. Sie weiß mit ihrem Körper umzugehen, zeigt in ihren Choreografien Intelligenz und Schönheit.

Am Ende, wenn der eine Körper des Laufens müde ist, hat sich der andere wieder zur Seite gedreht. Beide bleiben jetzt im Dunkel. Auch die beiden Tanzkörper verbindet eine Beziehung. (Juren, Samarawerová)Gemeinsam nehmen Linda Samaraweerová und Anne Juren dann bei Licht den jubelnden Applaus des Publikums entgegen.

PS: Am 8.8.2019, nur wenige Tage vor dem Ende des ImPulsTanz Festivals‘19 am 11. 8., hat Karl Regensburger mit Unterstützung einer Menge Künstler*innen eine vorläufige Bilanz des Festivals gezogen: „Überaus erfolgreich“, ist das Resümee. Viele Vorstellungen waren so begehrt, dass Zusatzvorstellungen angesetzt werden mussten, auch die Workshops waren bestens besucht. Chef Karl Regensburger bedankte sich bei seinem Team für die exzellente Arbeit.

Anne Juren / Wiener Tanz- und Kunstbewegung: „42“, Konzept, Text & Choreografie: Juren. Performance: Anne Juren, Linda Samaraweerová. Licht: Bruno Pocheron. Sound Paul Kotal. 7. August 2019, ImPulsTanz / Odeon. Fotos: Karolina Miernik.
Edouard Glissant: „Kultur und Identität. Ansätze zu einer Poetik der Vielheit“, übersetzt von Beate Thill. Wunderhorn, 2005. 88 S. € 15,80.
Abschlusspressekonferenz im mumok: 8. August 2019.