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Hungry Sharks: Zeitgeist, Unterwasser Performance

Fast ein Schleiertanz im Wasserbecken.

Die Urban Dance Company Hungry Sharks auf Tauchstation. Zwei Tänzerinnen und vier Tänzer zeigen eine Unterwasser Performance in einem Schwimmbecken auf der Schmelz. „Zeitgeist“ nennen sie das anstrengende 45 Minuten dauernde Stück, mit dem Choreograf + Tänzer Valentin Alfery und die Tänzer*innen die Möglichkeiten einer Choreografie und tänzerischer Bewegungen im Wasser untersuchen. Ein faszinierendes Experiment.

Das Wasser im großen Sportbecken im Universitätssportzentrum auf der Schmelz schimmert tieflbau, die Aluwände und der Boden spiegeln sich im Licht von der Decke, die Zuschauer*innen an den vier Fenstern sehen ihr Gegenüber auf dem Kopf stehend. Die Spiegelung täuscht: Hungry Sharks tanzen auf dem Wasser, gehen auf dem Plafond.Eine Tänzerin im schwarzen Schwimmanzug saust mitten im Wirbel aufsteigender Luftblasen aus dem Nichts in die Tiefe. Abwechselnd tauchen nach und nach alle sechs Mitwirkenden auf, oder besser unter. Die spiegelnden Flächen geben einen täuschenden Effekt, durch die Sichtfenster sehen wir den Beckenrand nicht, die Bassinwand setzt sich ins Unendliche fort, die Tänzer*innen sausen aus dem Nichts ins klare Wasser, verschwinden, um Luft zu holen, wieder in die Unsichtbarkeit. Mehr als eine Minute können die Sharks nach intensivem Training unter Wasser aushalten. Sie benützen keine Tauchergläser, keine Sauerstoffflaschen, dass sie immer wieder auftauchen, verschwinden, am Beckenrand entlang balancieren, ist Teil der Choreografie.

Ohne Gravitation, mit schwebenden, federleichten Körpern und Gliedmaßen sind kaum die gewohnten Tanzbewegungen möglich, Hip-Hop oder Urban Dance, die Wurzeln der Hungry Sharks, die auf Bodenhaftung beruhen, schon gar nicht. Doch die Schwimmer*innen sausen pfeilschnell durch das ungewohnte Element, können auch kleine Pas de deux zeigen, sich zum Reigen zusammenschließen, eine Kette bilden oder als Ensemble synchron umgeben von sprudelnden Wolken in die Tiefe schießen. Eine PopUp-Choreografie nennt Alfery die Performance, weil die Tänzer*innen immer wieder überraschend und plötzlich, wie ein Popup Fenster im Internet, auftauchen. Grüner Farbklecks im blauen Wasser. Die Tänzer*innen spielen damit.

Damit ihnen während der Performance nicht kalt wird, sind sie, nachdem sie ihre Körper im Schwimmgewand präsentiert haben (unter Wasser ist man schlanker, eleganter, jünger), in schwarze Taucheranzüge gehüllt, tragen dunkle Brillen. Als fremdartige Wesen bewegen sie sich in einem ungewohnten Element, mitunter glotzen sie durch die Fenster auf die Zuschauer*innen, spannend und unheimlich zugleich ist diese Unterwasserchoreografie. Tanz möchte ich sie nicht nennen, und mit dem Wasserballettfilmen aus den 1950 Jahren hat sie auch nichts zu tun. „Zeitgeist“ ist eben ein Experiment, etwas ganz Neues, Ähnliches ist bisher nur als Liveübertragung auf Videowänden oder im Film zu sehen gewesen.

Pfeilschneller Start im Luftblasensprudel. Wer der bestens vorbereiteten und vor allem für die Lunge überaus anstrengenden Vorstellung einen zeitgeistigen Sinn unterlegen will, kann sich an den Titel halten. Der Zeitgeist fordert Mobilität, die temporäre Nutzung von neuen Räumen, die ständige Neudefinition. „Der Mensch tendiert zum Nischendasein und verändert seine Lebensgestaltung zusehends in Richtung eines dauerhaften Nomadentums durch alle Ebenen unserer Gesellschaft“, ist auf der Website der Hungry Sharks zu lesen.

Tanz und Performance haben ungewohnte Orte längst entdeckt, benutzen Museen, Gärten, die Dünen, Kirchenräume, Fassaden und Brücken als Bühne. Im Wasser wird Choreografie selten gezeigt. Zu schwierig und kompliziert sind auch die Bedingungen, die technischen, logistischen und räumlichen und natürlich auch die physischen. Damit die sportliche Performance einen ordnenden Rahmen hat und das Becken nicht plötzlich leer ist, weil alle sechs zum Atemholen an der Oberfläche weilen, steht, für die Zuschauer*innen unsichtbar, Choreografie Assistentin Farah Deen am Beckenrand, Spiegelungen sorgen für zusätzliche Effekte.zählt die Sekunden und gibt die Kommandos zum Einsatz. Statt aus dem Kulissengang zu springen, tauchen die Wasserwesen einfach ab.

Netto dauert diese Performance für jeweils 20 Zuschauer*innen 41 Minuten, nicht die ganze Zeit ist jede Tänzerin, jeder Tänzer auf der spiegelnden nassen Bühne. Der Rest der dreiviertel Stunde dient dem Luftholen. Manchmal bleibt auch den Zuschauer*innen fast der Atem weg.

Hungry Sharks: „Zeitgeist“, eine Unterwasser-Performance. Konzept / Choreografie: Valentin Alfery. Performer*innen: Olivia Mitterhuemer, Marco Payer, Moritz Steinwender, Valentin Alfery, Joana Fürnschuß, Alexander Tesch. Apnoe Coach: Henriette Kissling; Choreografische Assistenz: Farah Deen; Musik: Herbie Kopitar. Produktion Dušana Baltić. Fotos von Jelena Janković
Uraufführung am 21. August 2019, USZ, Schmelz.
Die acht weiteren Vorstellungen bis 27. August 2019 sind bereits restlos ausverkauft.