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Der Betrieb: Your Season, eine Einladung

Der Betrieb: Blick von außen nach innen.

Der Betrieb, 2022 als Alternative zu kommerziellen Veranstaltungsräumen von Alexander Gottfarb und Anna Maria Nowak gegründet, lädt zum Mitmachen ein. Zum zweiten Mal gehört die Staffel , es ist die siebente überhaupt, Publikum und Künstlerinnen gleichermaßen. Der Titel, Your Season, sagt es schon: Die Staffel gehört euch, dir, Ihnen. Fünf Wochen lang, bis 25.10 + einem Anhang vom 6. bis 8.11. ist Der Betrieb in Betrieb. 

Für den Beginn der „your Season“ hat Victoria Nazarova die Sujets gefillmt. Partizipation, Teilnahme, Mitwirkung, ist eine offene Einladung von Your Season, am künstlerischen Prozess teilzunehmen. Your Season kann als Brücke zwischen einer Performance und einem Workshop beschreiben werden. Publikum und Künstlerinnen sind eine Gemeinschaft. Das Tor von dem Betrieb ist während der Seasons immer offen, man kommt und geht und kommt wieder, wie man will.
Im imaginären Grundsatzpapier für den Betrieb fallen mir die Begriffe Sorgfalt, Genauigkeit und Achtsamkeit auf. Vielleicht noch Transparenz, denn nichts bleibt im Dunkel, keine Geheimnisse auf der Bühne, kein Vorhang, keine Falltüren oder schräge Böden. Den partizipativen und performativen Zusammenhalt bietet ein abstrakter Begriff, der täglich neu gewählt und veröffentlicht wird. Dieser (von Empathie bis Pflicht) gibt einen Rahmen, lenkt die Bewegungen und Gedanken. Noch so ein Sujet- oder Key-Bild für „Your Season“.
Am Eröffnungstag diente „Wertschätzung“ als Anstoß zur Bewegung der Tänzerinnen, zum Denken, Schreiben und  Sprechen aller. Die Besucherinnen sind willkommen, doch sie sollen sich keinen Zwang antun. Sie kommen und gehen, wann sie wollen und stellen ganz für sich die eigenen Bedingungen, wie sehr sie teilnehmen oder, wie es im Therapeutenslang heißt, sich einbringen. Diejenigen mit Tanzerfahrung antworten vorsichtig auf die Bewegungen der Tänzerinnen, andere bekommen Lust, die Musikmaschine zu bedienen. Niemand muss, alle dürfen, viele wollen sich bewegen, zum Thema schreiben, sich mitteilen und einfach da zu sein, dabei zu sein und ein wenig zu sinnieren, ist auch richtig. 
Animalrium: Das Publikum beäugt die unterschiedlichen Themen, die auf Karten stehen und in Clouds zusammengefasst sind. © P.CohenDamit sich Neulinge im Betrieb auskennen, gibt es großartig gestaltete Partituren, die auf Englisch und – danke, danke –auf Deutsch die Engagementstufen erklären und den Besucherinnen das Gefühl geben, in die künstlerische Gemeinschaft einbezogen zu sein, ob sie den sich nahenden Tänzerinnen mit ähnlichen Gesten antworten, ob sie sich in die Mitte begeben oder nur entspannt auf der Fensterbank sitzen und sich auch ohne Aktivität als Teil der Gemeinschaft fühlen.
Auch wenn Der Betrieb ein Gegenvorschlag zu den üblichen Vorstellungen in den Tanz und Performance gewidmeten Häusern ist, so wird Archipelago unter dessen künstlerisch-organisatorischem Dach Der Betrieb wohnt, abwechselnd von Tanzquartier, brut und Wuk unterstützt. Animalarium: Liv Schellander leitet die Coreoconstallation. © P. CohenUnd eben dort, im Wuk, hat das schwedische Tanzkollektiv Animalarium ebenfalls ein performatives Format auf die Bühne des großen Saals gebracht. Dabei geht es um Entscheidungsbereitschaft, Demokratie und natürlich Performance. Drei PerformerInnen reagieren tanzend, singend, sprechend auf Themen, die das Publikum aus einer vorgegebenen Reihe auswählt. Durch das Programm, eher ein Spiel denn eine Aufführung, führt die Choreografin / Performerin Liv Schellander als Moderatorin.Angewandt wird die von ihr und Kolleginnen  entwickelte künstlerische Praxis des Choreoconstellating: Animalarium: die Performerinnen tanzen singen, plaudern, zum Thema ,das vom Publikum ausgewählt worden ist. © P. Cohen.Der Körper wird zu einem Wissensspeicher, Choreografie wird mit systematischer Forschung und (systemischer) Konstellation, wie sie schon Regisseur Henry Mason am Theater angewendet hat, verflochten. Dadurch wird eine verkörperte Methodik für das Erzählen von Geschichten und das Wahrnehmen von Problemen gebildet. Dem Publikum im Wuk hat die Constellation # 4: Shows for Futures richtigen Spaß gemacht. Doch die spielerisch erscheinende Arbeit ist durchaus ernst zu nehmen, denn in einer Beschreibung ist zu lesen, dass sich die Performerinnen und daher nolens volens auch das Publikum „mit den drängenden Fragen zu Countdown, Aussterben, und deren Verknüpfung mit Zukunftsträumen“ beschäftigt.

Animalarium Dance Collective: Constellation #4: Shows für Futures mit Alexandra Wingate, Ina Dokmo, Siri Anna Flensburg und Liv Schellander.
Aufführungsdaten im Wuk. 2., 3.10.2025
Der Betrieb: Your Season, partizipative Performance
Künstlerische Leitung: Anna Maria Nowak und Alexander Gottfarb
Choreografische Hilfe: Stéphanie Evrard, Anna Biczòk,
Choreografie und Tanz: Claudia Antonius, Esther Balfe, Gloria Marie-Elaine Berghäuser, Anna Biczòk, Valeria Chavez Chong, Stéphanie Evrard, Alexander Gottfarb, Zosia Hocubowska, Anouk Leisch, Mireia Mieter, Alma Neudecker-Kobald, Anna Maria Nowak, Frans Poelstra, Nico Reithofer, Polina Samoidiuk
Live-Musik und Komposition: Stephan Sperlich, Zosia Holubowska
Interaktive Instrumente: Stephan Sperlich, Tini Trampler; Kostüm & Raum: Hanna Hollmann; technischer Support: Roman Harrer
Fotos: Victoria Nazarova
Termine: 2. –  25.10 + 6. –-8.11.2025, Donnerstag bis Samstag t 14–19 Uhr. Vogelweidplatz 13, hinter der Stadthalle in 1150 Wien.