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100 Tage Lockdown: Video von WUK performing arts

WuK performing arts-Chefin Esther Holland-Merten denkt an Morgen.

Seit dem 3. November 2020 dürfen in Österreich keine Veranstaltungen durchgeführt werden. Esther Holland-Merten und Ulli Koch (WuK performing arts) haben Menschen aus der freien Tanz-, Theater- und Performanceszene gefragt, was für sie mehr als 100 Tage Veranstaltungslockdown bedeutet. Die Viertelstunde der Statements von Tänzer*innen, Performer*innen, Techniker*innen, Manager*innen, Regisseur*innen, Produktions*leiterinnen und vielen anderen, die in der freien Szene auf und hinter der Bühne arbeiten, sind auf Vimeo zu sehen.

Performerin Laia Fabre rappt ihre Gedanken. Gesprochen wird in diesem Video kaum, die Tänzerinnen, die nicht vor Publikum tanzen dürfen, sind stumm geworden, wie die meisten ihrer Kolleg*innen. Sie zeigen uns Plakate und Zettel, manche mit nur einem Wort darauf, andere schreiben sich eine ganze Episel von der Seele, manche in Großbuchstaben, andere so klein kalligraphiert, dass ich nichts entziffern kann. Doch der Tenor ist bei den meisten klar: Jammer, Jammer, Jammer!
Corinne Eckenstein hat „die Schnauze voll“, das habe ich auch. Bühnen- und Kostümbildnerin Alina Amman fühlt sich leer. Sie macht zwar tapfer für jeden neuen Monat einen Plan, doch funktionieren tut der nicht, und auch der zweite Plan bleibt erfolglos. Sie ist nicht allein damit.
Nur ganz wenige, der Befragten, wenden den Kopf und blicken nach vorn, denken über die Zukunft nach, kurbeln ihre Fantasie an, entwickeln neue Ideen. Der Großteil klammert sich an das Ende der Virus-Gefahr und wartet auf das Publikum, das zu Hause sitzt und darauf wartet, wieder in die kleinen und großen Theatersäle gehen zu dürfen.
Die Tänzerin und Choreografin Gat Godovich fürchtet um unser aller geistige Gesundheit, falls wir ohne Kultur leben müssen. Wie das Publikum auch indirekt angesprochen werden kann, muss gelernt werden, sowohl von den Künstler*innen am Regiepult, an der Kamera und auch auf der Bühne. Einfach eine Performance abzufilmen, ist eine nette Aufgabe fürs Archiv. Nach neuen Möglichkeiten zu suchen, zu lernen und zu experimentieren ist sicher zielführender, als auf 100 leidvolle Tage zurück zu blicken.

Wer sich daran klammert, nach der Pandemie könnte es wieder so sein wie vor der Pandemie, unterliegt einem fatalen Irrtum. Nach der Pandemie ist die Normalität eine andere, eben eine nach der Pandemie. Und zurück zu schauen, zu weinen und zu jammern, hilft niemandem, die Zukunft zu bewältigen. Der Ökonom Stephan Schulmeister spricht vom Umdenken und von seinem Traumszenario (Lesenswertes Interview in der Wiener Zeitung). Öffentlichkeitsarbeiterin (WuK performing arts) wünscht sich Flexibilität und neue Ideen.

Wovon träumst du, wie sieht deine Zukunft aus? Das wäre für mich die richtige Frage gewesen. Die Mitwirkenden haben nur geantwortet, wonach sie gefragt worden sind.
Machen wir uns nichts vor: Nach der Pandemie ist vor der Pandemie. Oder vor der Klimakatastrophe, oder der Ölpest, vor dem Austrocknen der Meere und dem Schmelzen der Gletscher und allem, wovon wir noch gar nichts ahnen. Wer meint, es werde nachher so sein wie vorher, gibt sich einer Illusion hin, die ziemlich rasch zu Staub zerfallen wird. Spätestens, wenn die nächste Katastrophe an Horizont droht.

WuK performing arts: Video mit Statements der freien Tanz- und Performanceszene nach 114Tagen Lockdown und geschlossenen Theaterhäusern. Idee und Realisierung: Ulli Koch: „Mit großem Dank an alle Beteiligten. Und Zuversicht, dass wir wieder vor Publikum spielen werden."
Veröffentlicht am 24. Februar 2021 auf vimeo.
Fotos: Video-Stills, © WuK performing arts /Ulli Koch.