Skip to main content

Ballett „Peter Pan“: Triumph in der Volksoper

Kapitän Hook mit der Mannschaft auf dem Piratenschiff

Wow! „Was für eine Show!“ Das Ballett „Peter Pan“, nach der Kindergeschichte von Matthew Barrie (1860–1937) von Vesna Orlic zu brausender Filmmusik choreografiert, hat eingeschlagen. Groß wie Klein stürmt die Kassen, Zusatzvorstellungen müssen eingeschoben werden, die Tänzer*innen des Wiener Staatsballetts in der Volksoper zeigen Professionalität mit ihrem reichen Repertoire an Tanz- und Darstellungskunst, das Gesamtkunstwerk aus Musik, Film, Tanz und Spiel hat auch die Kritiker*innen begeistert, kaum ein Einwand ist zu finden.

Allerdings, der begeisterte Ausruf, „WPeter mit seinem Schatten (Keisuke Nejime, Robert Weithas)as für eine Show!“, betrifft nicht die Vorstellung in der Volksoper, auch wenn er durchaus auch für diese gelten kann, sondern für einen tanzenden Peter Pan, der in Zagreb ins Nimmerland fliegt. Er tat dies samt Fee und mitfliegenden Kindern bereits 1968, ein Jahr nach der Uraufführung erreicht er auch Wien und feierte seine Triumphe im Theater an der Wien. „Ballettchef Alois Mitterhuber hat zur illustrativen Tonbandmusik eine muntere überbunte Choreographie ohne alle Stilbelastung erdacht, die den Tänzern viel Freiheit läßt, einigen sogar die, sich als Piratenkerle zu balgen, sich nach Lust und Laune auszutoben …. Für ein Publikum mit sehr jungem Herzen und viel Übermut…“. Auch dieses freundliche Urteil würde für das filmische Volksopernspektakel passen, doch es stammt aus dem Jahr 1969 und bezieht sich auf die Wiener Premiere der Zagreber Uraufführung, geschrieben vom Kulturjournalisten und Autor Karlheinz Roschitz.Peter Pan und sein Schatten fliegen über London, wo die Geschichte 1902 zum ersten Mal zu lesen war.

Nach Buch und Film, Musical und Comic also auch ein Ballett „Peter Pan“, zu dem der kroatische Komponist Bruno Bjelinski (*1909 in Triest, † 1992 auf der kroatischen Insel Silba) die Musik geschrieben hat. Er hat also die Ehre, die erste Ballettmusik zur offenbar unsterblichen Geschichte von Peter, der nicht erwachsen werden will, zu schaffen. Wie in Zagreb war das Ballett auch in Wien ein Riesenerfolg und hielt sich mehrere Jahre auf dem Spielplan. Für den Erfolg in Wien ist nicht nur Bjelinksis Musik verantwortlich, sondern auch Alois Mitterhubers Choreografie. Mitterhuber, Jahrgang 1932, war Tänzer im ehemaligen Volksopernballett und auch als Solist an der Bayerischen Staatsoper tätig. Von 1967 bis 1974 leitete er das Ballett des Theater an der Wien. Mitterhuber „gehört zu jenen wenigen Persönlichkeiten der Wiener klassischen Tanzszene, denen außerhalb der Wiener Staatsoper eine beachtliche Karriere sowohl als Tänzer wie als Choreograph gelang.“, schreibt die Tanzswissenschaftlerin Gunhild Oberzaucher-Schüller.

 Mila Schmidt (Wendy) mit Keisuke Nejime (Peter Pan)Wie gut die Ballettmusik von Bjelinski auch heute noch ankommt, ist im kroatischen Nationaltheater Zagreb zu prüfen, wo Giorgio Madia 2016 „Petar Pan“ neu choreografiert hat. Das von Bjelinskis Sohn, Alan Bjelinski, dirigierte Ballett ist im Frühjahr 2018 vorläufig zum letzten Mal gezeigt worden. Das erste Zitat stammt von der Premiere 2016.

Das Ereignis dieser Ballettsaison hat jedoch in der Volksoper mit der Premiere von Vesna Orlics Choreografie der mehr als 110 Jahre alten Geschichte stattgefunden. Was diese so besonders auszeichnet, ist einerseits der Einsatz sämtlicher darstellerischer Medien – neben Tanz und Theater gibt es auch von Andreas Ivancsics perfekt inszenierte Filmszenen – andererseits auch die Musik. Captain Hook tanzt auf Spitze (László Benedek). Vesna Orlic hat sie gemeinsam mit Gerald Stocker ausgewählt und sich auf bekannte und weniger bekannte, jedenfalls mitreißende Filmmusik verlassen. Erich Wolfgang Korngold, Max Steiner, Franz Waxman, Isaac Albeniz, Guido Mancusi und andere ließen bei der Choreografin gleich die passenden Bilder im Kopf entstehen. So verschmelzen die Tanzeinlagen und Akrobatik mit der Handlung, die Musik mit den Filmszenen und die passenden Kostüme mit den wechselnden Schauplätzen zu einem kurzweiligen, fröhlichen Ganzen, das unterhält und trotz Indianertanz und Krokodilauftritt niemals zum Fürchten ist. Auch der böse Keisuke Nejime kann mit kräftigen Sprüngen tatsächlich fliegen. Captain Hook macht niemandem Angst, es fehlt ihm nicht nur die rechte Hand, sondern auch der linke Fuß, den er durch einen Spitzenschuh ersetzt hat. Wenn der eitle Fant nicht sein Aussehen vor dem Spiegel verbessert, tanzt er einbeinig tatsächlich auf der Spitze.
Liebevoll und anregend ist auch das Programmheft gestaltet. An Rätseln, Bastelanregungen, der Beschreibung der Figuren und vielen Bildern und auch Texten zum Vorlesen hat ein Team gearbeitet, wie Vesna Orlic überhaupt bei diesem gelungenen Projekt auf Teamarbeit großen Wert gelegt hat. Dennoch ist alles in allem aus einem Guss gelungen. Der Erfolg ist aller Lohn. Hingehen, ansehen!

„Peter Pan“, Ballett in zwei Akten nach der Geschichte von J. M. Barrie. Choreografie: Vesna Orlic. Musik: Erich Wolfgang Korngold, Max Steiner und andere. Dirigenten: Wolfram-Märtig / Guido Mancusi. Musikkonzept: Vesna Orlic, Gerald C. Stocker; Bühne und Kostüme: Alexandra Burgstaller; Videos: Andreas Ivancsics; Dramaturgie Monica Ruis. Uraufführung: 11. Mai 2019, Wiener Staatsballett an der Volksoper.
Gesehen am 14.5.2019 (2. Vorstellung). Besetzung: Peter Pan: Keisuke Nejime; Peter Pans Schatten: Robert Weithas; Tinker Bell: Suzanne Kertész; Wendy: Mila Schmidt; John: Lorenzo Salvi; Michael: Justus Eder; Mrs. Darling: Ekaterina Fitzka; Mr. Darling: Samuel Colombet; Kindermädchen: Una Zubocić; Captain Hook: László Benedek; Mr. Smee: Patrik Hulman; Tigerlily: Tainá Ferreira Luiz; Tigerlillys Bruder: Felipe Vieira; Indianerhäuptling: Jakob Semotan; Gitarristin: Andrea Wild; Sirenen: Kristina Ermolenok, Tessa Magda; Natalie Salazar; Kinderchor der Volksoper. Wiener Staatsballett, Jugendkompanie der Ballettakademie der Wiener Staatsoper; Orchester der Volksoper, Wien; Bühnenorchester der Wiener Staatsoper; Komparserie der Volksoper Wien.
Die nächsten Vorstellungen: 3., 7., 17., 21., 27. Juni 2019. Fortsetzung ab 5. September 2019 in der Volksoper.
Die Fotos stammen von Ashley Taylor. © Wiener Staatsballett / Ashley Taylor.
Den Hinweis auf Bruno Bjelinski hat mir Alfred Oberzaucher gegeben.