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Clemens Gadenstätter + Rose Breuss: @ Solo.Tänze

Tänzerinnen, Tänzer, Akkordeonvirtuose Anzellotti

Fünf Kompositionen für vier Instrumentalist*innen und ihre Instrumente; fünf Tänzer*innen, die mit den Klängen und den Musiker*innen einen Dialog führen. Clemens Gadenstätter, geboren 1966, hat komponiert; Rose Breuss, geboren 1962, hat choreografiert. Im Rahmen von Wien Modern ist der animierende Konzertabend mit Tanz im Studio Molière vom Festival-Stammpublikum freudig beklatscht worden.

Olivia De Prato, Violine; Juiia Mach, Tanz: Ein Dialog. Die fünf Solostücke sind zu verschiedenen Zeiten entstanden, zwei davon – studies for portraits (with M. M. d. C. and M. L.) für Blockflöte solo und studies for imaginary portraits für Akkordeon solo – sind als Auftragsarbeit von Wien Modern als eine Uraufführung gehört worden. Zur Eröffnung des Konzertabends spielt die Geigerin Olivia De Prato die Komposition moved by für violine solo, ein bewegtes Stück also, das die Tänzerin Julia Mach, groß blond, mit langen Beinen, langen Armen ganz dem Klischee einer Ballerina entsprechend, nicht zur Musik tanzt, sondern auf diese reagiert, mit ihr spricht, sie anschaut, anlächelt. Die Musik, meine ich, vielleicht auch die Musikerin, doch die kann nicht antworten, sie ist beschäftigt, den Tanz ihres Bogens auf den Saiten zu choreografieren. Die Geige, für das Singen von Melodien geboren, schreit und jammert, die Saiten werden gezupft und gerissen, der Bogen tanzt. Die Tänzerin gibt ihren Dialog nicht auf. Die Choreografie von Rose Breuss sit für jede Tänzerin und den Tänzer  und dadurch auch für jedes Instrument individuell geschaffen, und dennoch ist in jeder das gleiche Muster zu erkennen.

Es entsteht ein Abend der Variationen, die Musikerin und die Musiker (Theo Nabicht, Kontrabassklarinette; Yaron Deutsch, E-Gitarre; Teodoro Anzellotti, Akkordeon; Antonio Politano, Blockflöte) spielen die Variationen auf ihren Instrumenten, vier der Kompositionen nennt der Komponist „studies“ oder „studie“, die Tänzerinnen drücken die Wiederholungen, Loops und Dekonstruktionen mit ihrem Körper aus, jede anders, jede schöpft ihren Tanz, dessen Thema die Choreografin vorgegeben hat, aus ihrem Körper. Katzenhaft mit wiegenden Bewegungen antwortet Die Tänzer*innen und  Theo Nabicht mit der Kontrabassklarinette. Rechtsim Vordergrund Solistin Andressa Miyazato. Andressa Miyazato (Solotänzerin in Tanzlin.z am Landestheater Linz) auf die tiefen Töne der Kontrabassklarinette. Diese „studie“ hat den schönsten Titel: „le goût du son / der Geschmack der Klangs“, Eszter Petrány, wie die danach mit der Blockflöte tanzende Maria Shurkhal tanzt sie im Ensemble Studio Fugu, das vor allem und gerne zeitgenössische Musikwerke zur Aufführung bringt, zeigt ihre Variationen zur E-Gitarre. In diesen „studies for a portrait für E-Gitarre“, entstanden 2018, stimmt alles. Neue Musik für ein junges Instrument, eines der jüngsten unter den fünf gespielten. Yaron Deutsch braucht keine Partitur, er hat die Musik im Körper, bedient virtuos die Effektgeräte, Eszter Petrány tanzt immer wieder nah an den Musiker heran, liegt auch still auf dem Boden und lässt die Klangeffekte wie Wellen über ihren Körper gleiten. Zwischendurch sind manchmal auch das gesamte Tanzensemble auf der Bühne oder läuft im Rhythmus des gerade gespielten Solos durch die Seitengänge im Zuschauerraum, auch dieser Effekt unterstreicht den Unterschied zwischen Instrumentalist*innen und den Tänzer*innen. Diese dürfen ihren Platz verlassen, sich durch den Raum bewegen, jene sitzen fest, die Augen auf die Partitur geheftet. Eszter Petrány, Tanz, Yaron Deutsch, E-Gitarre: Perfekte Kommunikation.

Den Dialog mit dem Akkordeon variiert der Tänzer Damián Cortes Alberti (der Argentinier war bis 2017 Mitglied von Tanzlin.z) mit Gefühl, temperamentvoll und akkurat. Er und seine Kolleginnen sind Virtuosen des Körpers, die Geigerin und ihre Kollegen Virtuosen ihrer Instrumente. Man sieht (!), dass sie vertraut sind mit Clemens Gadenstätters Kompositionen und deren Interpretation und hört die Frische der Studien und Porträts.

Die blonde Maria Shurkal, in einer hellen Corsage, beendet den Variationenabend (Komponist Gadenstätter spricht von „einer zentralen Idee meines Komponierens in den letzten Jahren“) in einer Auseinandersetzung mit der Blockflöte. In ihrem Tanz ist Ironie zu spüren. Wie eine Puppe geschminkt, verändert sie ihre Miene kaum, winkt mit lockerer Hand mehrmals wie Manekineko, die japanische Glückskatze, die besonders gerne vor Bordellen mit ihrer Pfote Gäste herbeiwinkt. Pardon, das hat wohl nichts mit dem Konzertabend zu tun, aber so ist es nun mal, Musik und Tanz indoktrinieren nicht, sie lassen dem Publikum viel Freiraum, und da wandern eben die Gedanken in ganz unterschiedliche Richtungen, Maria Shurkal tanzt ihre individuellen Variationen, Antonio Politano bläst neue Töne auf der Blockflöte.Variationen eines Themas. Die Flöte haucht ihre letzten Töne, die Tänzerinnen und der Tänzer sind alle auf der Bühne, tanzen auch ohne Töne weiter, eine Weile, bis der erste Ungeduldige mitten in den tänzerischen Schlussakkord hineinklatscht. Heißt das, dass ihm der Abend besonders gut gefallen hat oder ist er durch die eingetretene Stille aufgewacht? Er hat wohl nicht gesehen, dass auch die Kostüme Variationen eines Themas sind. Schwarze Röcke oder Hosen, nur die nackten Arme und Beine heben sich vor dem schwarzen Hintergrund ab und als Pointe die helle Corsage der Flötentänzerin. Wien Modern ist ein Musikfestival, Tanz und Performance werden, zumndest im Programmheft als Beiwerk behandelt. Weder die Lichtregie noch die Kostümbildnerin (der -bildner) sind angeführt.

Clemens Gadenstätter + Rose Breuss: @ Solo.Tänze
Intrepret*innen: Olivia De Prato Violine; Teo Nabicht Kontrabassklarinette; Yaron Deutsch E-Gitarre; Teodoro Anzellotti Akkordeon; Antonio Politano Blockflöte.
Damián Cortes Alberti, Julia Mach, Andressa Miyazato, Eszter Petrány, Maria Shurkhal Tanz. Rose Breuss Choreografie. Fotots: Maximilian Pramatarov. Produktion Wien Modern. Konzert mit zwei Uraufführungen und Tanz im Studio Molière, 23. November 2019.
Das Abschlusskonzert des Festivals Wien Modern findet am 30. November 2019 im Konzerthaus statt.