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Martin Suter: „Elefant“, Roman

Martin Suter @ Franco P. Tettamanti

Der Schweizer Autor Martin Suter weiß wie Leserinnen zufriedenzustellen sind. Flüssig erzählte Geschichten, mit ein wenig Spannung, ein wenig mehr Gefühl und einem angedeuteten ernsthaften Hintergrund, den gerade aktuellen Trend widerspiegelnd. Diesmal also Gentechnik, vor allem die Veränderung der DNA (Genom Editing) – Segen und Fluch zugleich. Ein Thema das sich bestens für Krimis, SF und bewegende Romane eignet. Suter ist nicht der ersten, der die CRISPR/cas-Methode als Ausgangspunkt einer zu Herzen gehende Geschichte nimmt. Ist doch die Hauptperson ein winziger rosa Elefant.

Dieser Elefant, Sabu Barisha, ist eigentlich ein Unfall. Er sollte als glowing animal (leuchtendes Tier, Biolumineszenz kommt in der Natur vor und wurde in China auch bereits durch genetische Veränderungen künstlich hergestellt) auf die Welt kommen, im Dunkeln rosa strahlen, aber normal groß werden. Doch die Leihmutter Asha eingesetzten Zellen bleiben im Wachstum stecken. Der Elefant ist bei der Geburt keine 20 cm hoch, wächst auch keim weiter und benimmt sich doch wie ein ausgewachsenes Tier. Herzergreifend. Wer möchte nicht ein solches Spielzeug auf dem Schoß haben!

Alkoholumnebelte Engländer sheen keine weißen Mäuse sondern einen "pink Elephant" © http://www.rollingpin.at/magazin/ausgaben/176/einmal-rosa-elefant-bitte/Das denkt auch Dr. Roux, der ehrgeizige, geldgierige Forscher. Marktgängig. Doch der burmesische Tierpfleger Kaung, der in einem Schweizer Zirkus die Elefanten und somit auch die Leihmutter betreut, ist überzeugt, dass dieses winzige Tier das im Bauch von Asha heranreift – wächst kann man ja nicht sagen – heilig ist. Er kann nicht zulassen, dass es als Spielzeugsensation auf den Markt kommt, dass aus seiner DNA weitere rosarote Klone gezüchtet werden. Also verschweigt er dem unsympathischen Roux die Geburt und bringt das Elefäntchen in Sicherheit.

Damit beginnt eine Jagd, die dem ersten Beschützer, einem braven Tierarzt, das Leben kostet und das kleine rosa Lebewesen einem Obdachlosen in die Arme treibt.

Neben dem angedeuteten wissenschaftlichen Hintergrund nun auch soziale Implikationen. Sabu muss tatsächlich etwas Göttliches an sich haben, denn er wirkt Wunder. Der obdachlose Schoch, der den Elefanten Sabu tauft, weil er keine Ahnung hat, das Kaung diesem bereits den Namen Barisha gegeben hat, schwört dem Alkohol ab, findet die Liebe und lässt sich resozialisieren.Waldelfantenkuh mit ihrem Kalb: Bereits bei der Geburt größer als die Protagonistin des Romans. © Lizenzfrei vin Wikipedia

Wer noch gerettet wird und wer den eines grausamen Todes sterben muss, kann mit großem Vergnügen gelesen werden.

Suter hat die Verhaltensweisen der Elefanten und auch der auf der Straße lebenden Männer genau studiert, belastet aber nicht mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen, bezaubert lieber seine Leserinnen mit dem entzückenden Tierchen. Um die in Wahrheit recht simple Geschichte spannender zu machen, erzählt er in Zeitsprüngen, vor und zurück, und leuchtet den Lebenshintergrund all seiner Personen gründlich  aus.
Dadurch trocknet der Erzählfluss mitunter aus, doch wer mal zu lesen abegonnen hat, will wissen, wie es dem angebeteten Maskottchen weiterhin ergeht und wo es Sabu Barisha hin verschlägt. Allerdings, so wirklich überraschend ist das Ende nicht, doch ist „Elefant“ ist kurzweilige Lektüre, die keinerlei Vorwissen verlangt.

Martin Suter: „Elefant“, Diogenes 2017. 352 S. 24,70 €.