
ImPulsTanz [8:tension] – In der Sackgasse

Der turmartiges Gebilde aus Plastiktaschen und bunten Stoffstreifen, Insignien so mancher Einwanderer, beginnt zu schwanken t und bewegt sich über die Bühne. Geheimnisvoll ist die Ouvertüre der Performance, Impasse, von Mufutau Yusuf, gezeigt bei ImPulsTanz /[8:tension] im Nest. Impasse / Sackgasse ist 2024 beim Dublin Dance Festival zum ersten Mal gezeigt worden.
Mufutau Yusuf, ein in Nigeria geborener irischer Choreograf, Darsteller, Lehrer und Kurator, der zwischen Irland und Brüssel lebt, hat bereits eine beachtliche Karriere vorzuweisen. Er hat etwa bei Wim Vandekeybus/Ultima Vez in Belgien und in Irland, mit der Liz Roche Company und im John Scotts Irish Modern Dance Theatre getanzt. Momentan ist er Choreograf in Residence bei Luail, der nationalen Tanzkompanie Irlands.
Endlich entpuppt sich das wandelnde Gebilde aus Plastik und Stoff, ein Wesen, vermutlich ein Mensch kriecht heraus. So genau ist da nicht zu sehen, da Licht ist matt, die Figur, die sich wie ein Schamane stumm über die weiße Bühne bewegt, ist schwarz verhüllt. Genau zu schauen, bringt Erleuchtung. Es sind zwei Figuren, eine verhüllt, die andere nackt und schon stehen sie übereinander, sind ein einziger Riesenkörper. Wenn sie gehen, noch immer kaum kenntlich, hinterlassen sie schwarze Spuren auf dem weißen Bühnenboden.
Um den Körper, den afrikanischen, farbigen, schwarzen Körper geht aus auch bei dieser Performance ohne Ausweg, Mufutau, der nach dem Vorspiel einige Zeit als Nacktskulptur – nicht aus weißem Marmor wie der Florentiner David, sondern mit dunkel glänzender Haut und dem Publikum den Rücken zuwendend – im dunklen Hintergrund steht, versucht – da muss ich jetzt die Programmauskunft zitieren, „die Politik rund um den Schwarzen Körper in der zeitgenössischen westlichen Gesellschaft zu verstehen; er untersucht Konzepte von Repräsentation, falscher Repräsentation und fehlender Repräsentation.“ Keine Erleuchtung! Was zu sehen ist, sind zwei Schwarze Körper, die sich bewegen, tanzen, gehen, trippeln, stampfen, die anfangs hinterlassenen Spuren habe sie längst verwischt, sie sind nicht mehr sichtbar. Es dauert eine Weile, bis sich die Choreografie entwickelt. Yusuf und sein Partner, Lukah Katangila – aufgewachsen in Goma / Kongo-Kinshasa, ist er seit 2013 professionellere Tänzer und Choreograf – lassen sich Zeit, gehen eine gefühlte Viertelstunde auf und ab, mit kleinen und mit großen Schritten, gemeinsam oder getrennt, Yusuf macht hie und da eine verzierende Bewegung mit einem Bein. Das Bühnenbild ist weiß, doch die das Licht bleibt gedimmt, die beiden tanzen mit dem Rücken zum Visionarium, das durch die Geräuschmaschine von Mick Donohoe und die Takte einer Komposition von Tom Lane auch zum Auditorium wird. Die Geräusche / der Lärm – Krachen, Kratzen, Knistern, Reißen, Grollen, Rollen, Donnern und Poltern – erzählen von Verfall und Kampf, von Zerstörung und Wut, mitunter erklingen hohe Schreie.
Wenn sie gemeinsam im Takt der Beats ihren unaufhörlichen Lauf beginnen, anfangs eng nebeneinander im polyrhythmischen Gleichschritt, später immer noch synchron um einander zirkulierend, haben wir die Gesichter von Yusuf und Katangila nicht immer nicht gesehen. Was eine Zeitlang als Sog wirkt, dieses Gehen in unterschiedlicher Geschwindigkeit, wird allerdings bald langweilig. Vor allem, weil die Übung nicht zu entschlüsseln ist. Der begleitende Sound wird immer lauter, der Tanz immer wilder und endlich wenden sich Yusuf und Katangila dem Publikum zu. Schauen eine kurze Minute in den Saal, um sich wieder umzudrehen und in rituellen Bewegungen weiter zu tanzen. Die beiden Tänzer haben eine gemeinsame Sprache entwickelt, die zeitgenössischen Tanz mit Elementen des afrikanischen Tanzes zu mischen. Und das ist packend.
Immer wieder werden weich schwingende Armbewegungen von stampfenden Beinen unterbrochen, noch nie gesehenes Muskelspiel der schweißglänzenden Rücken ergänzt diesen ausdrucksstarken Tanz, der die beiden Männer als Kämpfer und ebenso als Freunde zueinander führt. Im Finale gehört die Bühne Yusuf alleine. Er schmückt die weiße Wand mit einer bunten Patchworkdecke, damit wir wissen, dass es um afrikanische Körper geht. Nur, was diese sagen wollen, bleibt mir verborgen. Was wollte Yusuf den Zuseherinnen zeigen? Wer steckt in der Sackgasse fest; das Publikum, also wir alle, oder er, der Tänzer? Ich finde keine Antworten, doch hätte ich nicht diese aufgeblasenen Sätze im Programmzettel gelesen, hätte ich einfach eine schöne, kräftige, auch spannungsgeladene Tanz-Performance zweier Tänzer gesehen. Ich meine, das hätte genügt.
Randbemerkung: Die zur Verfügung gestellten Bühnenfotos, wie mir scheint, nicht aktuell, lassen schließen, dass sich die Performance seit der Uraufführung verändert, womöglich geglättet, hat.
Mufutau Yusuf: Impasse, 4. + 6. August 2025, ImPulsTanz [8:tension], NEST
Choreografie, Performance und Bühnenbild: Mufutau (Junior) Yusuf
Performance: Lucah Katangila
Komposition: Tom Lane; Sound: Mick Donohoe; Licht: Matt Burke; Kostüme: Alison Brown; Text: Ikenna Anyabuike
Fotos: © Luca Trufarelli
[8:tension] wird von Chris Haring und Breanna O’Mara kuratiert.
Gesehen in der 2. Vorstellung am 6.8.2025.