Mick Herron: Erfolg im zweiten Anlauf
Gut Ding brauch Weile – der passende Stammbuchspruch für den englischen Autor Mick Herron. Seine mehrfach preisgekrönte Reihe von Spionageromanen mit Jackson-Lamb als Chef im Slough House konnte erst im zweiten Anlauf reüssieren. Ab 2018 hat Stefanie Schäfer die neun Jackson-Lamb-Fälle für den Diogenes Verlag übersetzt. Der Erfolg bei den deutschsprachigen Leserinnen ermutigt Diogenes nun, auch die davor geschriebene Reihe mit der Detektivin Zoë Boehm übersetzen zu lassen. Das Debüt, Down Cemetery Road, lässt die Meisterschaft des Autors erst ahnen.
Auch die sogenannte Oxford-Reihe, der erste Band ist 2003 erschienen, war anfangs im Geburtsland wenig erfolgreich. Doch heuer ist Mick Herron, zu seinem Gold Dagger von 2013 für sein Gesamtwerk auch mit einem Diamond Dagger ausgezeichnet worden. Jetzt ist es festgeschrieben. Die Spannungsromane von Mick Herron muss man lieben.
Slow Horses, der erste Band der Jackson-Lamb-Reihe über die abgehalfterten Agenten des MI5, ist 2010 erschienen und lediglich in den USA fortgesetzt worden.
2015 hat der schottische Verlag John Murray eine Neuauflage als Taschenbuch gewagt, 2017 hat die britischen Buchhandelskette Waterstones Slow Horses als Thriller des Monats beworben. Ab da ging es bergauf. Mick Herron konnte seinen Beruf als Korrektor aufgeben, um sich ganz dem schreiben zu widmen. Wer als Krimifan Jackson Lamb und die Slow Horses, Dead Lions oder die Spook Street samt dem Slough House nicht kennt, sollte die schnell nachholen. Überaus vergnügliche und ebenso spannende Stunden sind sicher.
Das Slough House der Slow Horses steht in London. Die Privatdetektivin Zoë Boehm agiert von Oxford aus, wo Herron selbst zu Hause ist und studiert hat. Er war bereits 56 Jahre alt, als er 2019 seinen Brotberuf als Korrektor aufgeben konnte, um sich nur noch dem Schreiben zu widmen. Die Romane um Jackson Lamb befassen sich mit dem Inlandsgeheimdienst (MI5), den Intrigen und Karrierekämpfen und dem Versagen, die wahren Helden sind diese gar nicht so langsam trabenden Pferde. Down Cemetery Road, der erste Band der Oxford-Reihe, ist mit der auf Englisch Slough House series genannten Romanserie nicht zu vergleichen.
Der Beginn schleppt sich etwas dahin, erst ab der Mitte wird es wirklich spannend. Leider ist da der sympathische, doch schrullige Privatdetektiv Joe Silvermann, Zoës Ehemann, bereits tot. Ermordet natürlich. Doch wie in der Erfolgsserie sitzen die Bösen auf Polstersessel hoch oben in ihren Büros, mit der wunderbaren Aussicht auf die Dächer von London oder Oxford. Im Roman gelingt es allerdings, sie auszutricksen. Herron schont aber auch andere Personen in seinem vielfältigen Personal nicht, ein Ungustel etwa ist der Mann der eigentlichen Hauptperson, Sarah Tucker, die ein vermisstes Kind finden will, das sie eigentlich nichts angeht. Auch die Leserinnen schont der Autor nicht, es wird mit harten Bandagen gekämpft und so manche Leiche erhebt sich wieder aus ihrem Grab. Doch keine Sorge, Cemetery Road ist kein Gespensterroman.
Allerdings verlangt die Geschichte volle Lesekonzentration, da die Schauplätze samt den handelnden Personen im Zeitraffer wechseln und nicht erklärt wird, wer und was sie sind. Da muss die Leserin in einigen befreienden Aha-Erlebnissen selber draufkommen.
Doch die Geschichte mit Zoë und Sarah ist wie die von den Horses im Slough House bei Apple TV gelandet. Down Cemetery Road ist eben erst mit Emma Thompson (Zoë Boehm) und Ruth Wilson (Sarah Tucker) verfilmt worden. Die Jackson-Lamb-Serie gibt es seit 2022. Sir Gary Oldman ist der zwielichtige, gemeine Jackson Lamb, der seine Mitarbeiter*innen liebt und dennoch quält. 
Marginalie: Der Titel Down Cemetery Road stammt aus einem Gedicht von Philip Larkin (1922–1985), aus seiner Sammlung The Whitsun Weddings. Die Zeile: „Gib mir deinen Arm, alte Kröte; / Hilf mir die Friedhofsstraße hinunter“ ist das Ende von „Toads Revisited“, in dem der Autor die Monotonie und Sinnlosigkeit der Arbeit beklagt und diese zugleich als Begleiter zum Tod akzeptiert.
Mick Herron: Down Cemetery Road, Zoë Boehm ermittelt in Oxford, aus dem Englischen von Stefanie Schäfer. Mit einem Vorwort von Emma Thompson, 560 Seiten, Diogenes 2025. € 19,60. E-Book € 15,99.