
makemake: In den Armen einer Krake

Das Kollektiv makemake ist bekannt für unterhaltsame Aufführungen, die lehrreich, doch nicht belehrend sind. Unter freiem Himmel tauchen die Darstellerinnen in die Tiefsee und lassen sich von den Tentakeln einer knallroten Krake einwickeln, oder sind selbst so ein achtarmiger Octopode. Die interaktive Performance vor dem Dschungel Theaterhaus heißt schlicht Krake und lädt Zuschauerinnen ab 7 zum Mitmachen ein.
Denkt man ans Meer, dann denkt man an die Verschmutzung: Plastiksäcke schaukeln auf den Wellen, Tierleichen werden an den Strand gespült. Doch das Team von makemake denkt an die lebenden Meeresbewohner, vor allem an die Kraken, ohne so nebenbei und bildhaft auf den Meeresschutz zu vergessen. Die makemake-Krake ist ein Riesending, mit mehr als acht Armen, die sich als Kunststoffschläuche über den von den Zuschauerinnen eingerahmten Platz und mitunter auch darüber hinaus schlängeln.
Der Beginn der abwechslungsreichen Performance ist nicht im Wasser, sondern auf der Straße. Das rundum gepolstertes Wesen, das kreischt und gurrt, jodelt und seufzt, flattert, springt und rennt hin und her und auf und ab, ist die energiegeladene Schauspielerin Michèle Rohrbach, die, wie dem Programm zu entnehmen ist, eine Taube ist. Was sie mit der Krake (dem Kraken) zu tun hat, wird nicht klar, aber sie erzählt, welche Bedeutung die /der Krake im Spiel hat und erklärt dem Zielpublikum, Volksschulkindern, wie so ein Weichtier lebt, was es liebt und hasst und, was es sonst noch zu wissen gibt über so einen Kopffüßler. Verwandt sind sie mit den Tintenfischen, vor allem den Achtarmigen. So nebenbei erwähnt, es leben auch zehnarmige Tintenfische im Meer, doch deren Arme sind kürzer, zarter und nicht so beweglich wie die der achtarmigen Speziell.
Egal, die Taube ist keine Lehrerin, sondern eher eine Philosophin, die von den Krakenarmen mühelos zu den menschlichen Umarmungen hüpft und über das Zusammenleben aller Lebewesen, ob im Wasser, in die Luft, auf oder unter der Erde. Im fröhlichen Spiel schlängeln und verschlingen sich die Arme, lehren das Publikum, eine Kette zu bilden, und schnell wird klar, dass das Thema dieser taktilen Performance Gemeinschaft / Freundschaft / Zusammenleben ist. Da machten der blaue Seestern und die Krabbe – sie ist es, die den Mist im Meer einsammelt – gerne mit.Aus den Tiefen des Meeres taucht das Thema mit einem eleganten Sprung in die Höhen des Weltalls, das als roter Ballon über den Platz rollt. Unten Kraken und Krabben, oben Sterne und Planeten (einer dieser, Saturn genannt, hat einen Trabanten, quasi ein Satellit, und der hat den Namen Krake. Der britische Dichter Alfred Tennyson (1809–1892) hat dem Kraken ganze 15 Verse gewidmet:
Unter dem Donner hoher Meeresflut / Zuunterst in bodenloser Tiefe
In uralt traumlos ungebrochner Ruh / Der Krake schläft
Gemeint ist jedoch weniger das gewöhnliche Tier, als ein mythisches Ungeheuer, das im Nordmeer Boote in die Arme nimmt und sie zerdrückt. Erinnert an die schottische Nessie, die schläft auch tief in ihrem Loch (gälisch für See). Das Team von makemake hält sich diesmal nicht auf mit Märchen und Sagen, sondern die drei Darstellerinnen (Lena Plochberger, Marina Rösler und wie schon genannt Michèle Rohrbach) trotzen allen Widerwärtigkeiten, die im öffentlichen Raum des Museumsquartiers zu erwarten sind und können ihr Publikum mit intensivem Spiel fesseln, sodass sich tatsächlich die gewünschte Gemeinschaft bildet und der künstliche Oktopus (eine Installation des Kollektivs Moradavaga) mit seinen Tentakeln die ganze Welt umarmt und zum Freund dem jungen Theaterbesuchersinnen wird.
makemake: Krake, interaktive Performance im öffentlichen Raum. Uraufführung: 18.9.2025, Techpark Bozen. Österreichpremiere 27. September 2025 vor dem Dschungel Wien.
Konzept: makemake Produktionen; Stückentwicklung: Martina Rösler, Michèle Rohrbach, Mika Tacke
Performance: Lena Plochberger, Martina Rösler, Michèle Rohrbach; Installation: Moradavaga; Dramaturgie: Mika Tacke; Text-Mitarbeit: Ivan Fauri; Kostüme: Nina Ball; Musik: Manfred Engelmayr (BulBul)
Kommunikation: Magda Fibich; Fotos: © Marta Tonelli.