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Olivier Assayas: „Zwischen den Zeilen“, Komödie

Juliette Binoche ist Selena, Ehefrau und Geliebte eines anderen.

Diskussionen und Mahlzeiten. Ein typisch französischer Film also, den Olivier Assayas da serviert, und doch wieder gar nicht. Sein Thema ist der Wandel der Welt, vor allem der Wechsel von einer analogen in eine digitale. Die Frage ist nicht nur, wie ist dieser Wandel zu verkraften, sondern auch, wie bringen die Protagonist*innen ihr privates Leben mit der vor sich hergetragenen Moral in Einklang. Die Antwort: eher nicht.

Die Gedanken sind kompliziert und divers, und vor allem werden sie, wie in französischen Filmen gerne, beim Kauen vorgetragen. Diesmal werden die Teller jedoch auf den Knien balanciert, man sitzt und lümmelt im Kreis und kann sich nicht einigen. Zumal die Beziehungen anders verlaufen, als es aussieht. Sie sind brüchig, werden nur dem äußeren Schein nach aufrechterhalten, unter den Decken wird kreuz und quer geliebt.

Selena macht Schluss mit Léonard (Juliette Binoche,  Vincent Macaigne). Bilder:© Filmladen FilmverleihGetragen wird der Film von den Darsteller*innen, allen voran Juliette Binoche als Selena, eine gelangweilte Seriendarstellerin und Ehefrau von Alain, einem Verleger (Guillaume Canet) und Geliebte des Schriftstellers Léonard (Vincent Macaigne), der seine linken Ideen überhaupt nicht mit dem Streben nach Erfolg und fetten Honoraren übereinstimmen kann. Alain wiederum sieht seinen Verlag in der Abwärtsspirale, weil er sich nicht überwinden kann, E-Book und Hörbuch dem gedruckten Werk vorzuziehen. Das hindert ihn jedoch nicht, mit der jungen IT-Fachfrau Valérie (Nora Hamzawi) ins Bett zu hüpfen und sie gleich danach zu verabschieden. Sie hat ohnehin längst einem besseren Angebot zugesagt.

Stimmiger ist der Originaltitel daher mit „Doubles vies“ (Doppelte Leben) gewählt. Assayas ist ein Meister im Wechseln der Ebenen, in Eile von einem Schauplatz zum anderen zu flitzen und auch ein paar Witzchen einzuschieben.

Dennoch lässt die Konzentration mit der Zeit nach, es ist anstrengend, den Diskussionen und immer wieder neue aufgestellten Thesen zu folgen.Das Plakat von "Doubles vies", dem französischen Original.

Es ist nicht das erste Mal, dass Assayas sich mit der technischen Moderne beschäftigt. Auch in „Personal Shopper“ geht es streckenweise um die Kommunikation per Smartphone. Es ist ein Diskussions-Film, wie ihn die Franzosen lieben, allein mit dem legendären „Essen mit André“ (Louis Malle, 1981) bei dem in einem Restaurant New York die unterschiedlichen Lebenseinstellungen der Freunde André und Wally aufeinanderprallen, lässt sich dieses "Doppele Leben" nicht vergleichen. Die Digitalisierung war zwar noch weit entfernt, doch die existenziellen und künstlerischen Probleme sind die gleichen gewesen. Der Verleger Alain, eheman der Filmschauspielerin Selena (Guillaume Canet). Doch ist es durchaus möglich, dass man damals, als die Bücher noch voll kluger Sätze und interessanter Themen waren, einem intelligent geführten Gespräch leichter folgen konnte als heute, und auch im Kino nicht so schnell ermüdet ist. Bei Laune halten mich die Bilder von Bistros, den Behausungen der Paare und der Natur am Strand und im Wald.

Wie breit Assayas seinen jüngsten Film thematisch spannt, kann an den Titeln gemessen werden, die er in den verschiedenen Ländern hat. „Doppelte Leben“ in Frankreich, „Non-Fiction“ in England / USA und sehr literarisch im deutschen Sprachraum: „Zwischen den Zeilen“. Falsch ist keiner.

Olvier Assayas: „Zwischen den Zeilen“ („Doubles vies“). Regie & Drehbuch: Olivier Assayas; Kamera: Yorick Le Saux. Mit Guillaume Canet, Juliette Binoche, Pascal Greggory, Nora Hamzawi, Vincent Macaigne, Christa Théret. Ab 4.6. im Kino. Verleih: Filmladen Filmverleih.