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Akemi Takeya entdeckt einen neuen Planeten

Evandor Pedroni, Zoé-Afan Strasser in „Transient Shifts“

Die seit 25 Jahren in Wien lebende Tänzerin / Choreografin Akemi Takeya träumt vom Fliegen und von einer besseren Welt, die sie auf einem von ihr entdeckten Planeten gefunden hat. Transient Shifts / Flüchtige Veränderungen nennt Takeya ihr für das ImPulsTanzFestival entwickeltes Bühnenstück. Die ausverkaufte Premiere im Odeon hat das Publikum ratlos bis enttäuscht verlassen. 

Seltsame Figuren treten anfangs auf, es sind die Wesen vom unbekannten Planete Ayviss.Akemi Takeya bietet für ihr Stück, das im Jahr 2045 spielen soll, doch mehr an die SF-Filme aus dem vergangenen Jahrhundert erinnert, ein illustres Ensemble auf. Evandro Pedroni, Zoé-Afan Strasser und Oleg Soulimenko agieren mit Kolleginnen auf der Bühne; Alfredo Barsuglia ist für das Bühnenbild verantwortlich, Martin Siewert für Sounddesign, Komposition und Live-Musik; die renommierte Designerin Ruth Erharter hat die Kostüme aus glitzernder Aluminiumfolie entworfen; Yosi Wanunu ist als künstlerischer Berater und Skriptredakteur vermerkt. Die gflügelte Botin vom Planeten Ayviss wird erdenbürgerin auswählen. Doch auch wenn Soulimenko sich als Guru vom unsichtbaren Planeten Ayviss (ein Anagramm wovon?) auf einem goldenen Podest unaufhörlich im Kreis dreht, Siewert hoch oben auf einem Turm die Regler betätigt und die Tänzerinnengruppe – von den Ayviss-Abgesandten immer von neuem sekkiert –  sich abmüht, wird aus der zu langen und auch langweiligen Performance kein Stück. Unklar bleibt auch, was Takeya darstellen, zeigen, erzählen will. Die nummerierten Akte und Szenen sind platt und auch von Kindern zu verstehen. Sie halten sich an keine Chronologie, denn die Zeit ist aufgehoben. Im All wie auf Erden switchen Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft ineinander. Das Publikum wartet auf eine Pointe. Yoh Morishita st eine der Erwählten und darf schneller als das Licht ins ewige Lebenf liegen.
Im Vorspiel liegt ein Versprechen. Pedroni und Strasser vollführen konzentriert und präzise einen rituellen Tanz. Im Gleichklang bewegen sich die beiden mit gestreckten Armen als einander spiegelnde kühne Kämpferinnen. Mitunter stehen sie einander gegenüber, blicken einander in die Augen, berühren einander nicht. Das ist schön anzusehen, doch in der ständigen Wiederholung des Schreitens von Ecke zu Ecke schließlich ermüdend. Die Tänzerin und choreograafin Akemi Takeya träumt vom Fliegen.
Der Inhalt des auf  90 Minuten gedehnten Spiels, ist schnell erzählt. Die Ayvisserinnen sind gute und wollen, dass die armseligen Erdlinge dieses wunderbare und – Achtung! – ewige Leben auf ihrem geheimen Planeten, wo sie als Lichtgestalten die Lichtgeschwindigkeit und damit auch Albert Einstein überflügeln, wie sie selbst genießen. Zwei Abgesandte oder Instruktorinnen von Ayviss fliegen also zur Erde und unterziehen / unterzogen, werden unterziehen einige Auserwählte einer Prüfung, auf diese am ayvissischen Leben und Wesen genesen. Nach mehr als 100 Tagen in Vor-. Rück- und Seitenblicken, haben alle fünf Erwählten bestanden, sind Ayviss-fit und des erlernten Flugs ins All würdig. Alle haben die Prüfung bestanden und dürfen sich dem fröhichen Karneval hingeben. Paulo Coelho, recte Oleg Soulimenko, kann mit in brummige Tiefe gezerrter Stimme Lebensweisheit und Lebensphilosophie in die Herzen des Publikums senken. 
Kinderstück ist diese Fi (die Wissenschaft sollte lieber nicht missbraucht werden, also statt Sci-Fi nur = Fiction) also keines, dazu ist der Ablauf zu verwirrend, der Tanz zu wenig, der Text zu viel. Dann in der Mitte, wenn dieser bekannte Telepathie-Test, den auch Hunde bestehen  –„Denke an eines der drei oder fünf Bilder auf den Tafeln, sende das Bild der Empfängerin …“ –, zitiert wird, erinnere ich mich, weil die Bilder diesmal Obststücke sind, an Takeyas abwechslungsreiche und amüsante Lemonism-Serie Im Theaternebel die strahlende Ritterin mit Blechtopf auf dem Kopf. und auch an das Überlebenssolo: Little Storíes about S.O.S aus dem Jahr 2012, da konnte Takeya die Künstlerin ihren Witz sprühen lassen.Doch das Ironie Gewürz scheint nun vertrocknet, dem Abend fehlen die Flügel, er ist beschwert durch Botschaften und Anliegen, verborgen hinter allerlei Firlefanz und technischen Aufwand, samt blauem Wolkenhimmel und hübschen Grafiken auf der Videowand.  
Dem Programmheft entnehme ich, dass „Takeyas Weltanschauung unter dem Einfluss des Buddhismus und dem Begriff der politischen Transmission“ steht. Die bunten Luftballone zeugen von der erfolgreichen Umsiedlung der Erdlinge. Erklärt wird auch, dass Takeya „das grenzenlose menschliche Thema der Flucht aufgreift, um eine illusorische und ambivalente Welt zu kreieren und die eigenen Horizonte zu erweitern.“ Na dann! Alles Chimäre!
Am Ende darf sich Ruth Erharter austoben und ihre karnevalesken Illusionen in silberglänzenden Kostüme samt Hasenohren, Ritterhelmen, den Brillen von Agent Smith und bunten Luftballonen verwirklichen. Wie gesagt, der Guru spricht, die Lichtgestalten feiern einen Karneval, Akemi Takeya tritt auf und verlangt nach mehr Licht.

Akemi Takeya: Transient Shifts, 18., 20.7. 2025, ImPulsTanz / Odeon.
Konzept, künstlerische Leitung, Inszenierung, Skript, Choreografie und Objektdesign: Akemi Takeya
Performance und Entwicklung: Evandro Pedroni, Zoé-Afan Strasser, Oleg Soulimenko, Mathia*s Lenz, Helena Araújo, Yoh Morishita, Veronika Zott and Jäkie Lemon
Künstlerische Beratung und Skriptredaktion: Yosi Wanunu; Künstlerische Mitarbeit: Evandro Pedroni; Sounddesign, Komposition und Live-Musik: Martin Siewert; Tonschnitt: Michael Strohmann und Sebastian Bauer
Bühnenbild und Szenografie: Alfredo Barsuglia; Objektkonstruktion: Mathia*s Lenz; Licht: Nicholas Langer; Kostüme: Ruth Erharter
Fotos: © Helmut Prochart