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Matteo Haitzmann: „Make it Count“, [8:tension]

Geiger, Komponist, Performer Matteo Haitzmann.

Matteo Haitzmann eröffnet mit einem getanzten Konzert die von Breanna O’Mara und Chris Haring kuratierte Reihe [8:tension]. Make it Count ist ein musikalisches Drama, in dem Der Tanzkörper und ein Springseil samt den Griffen zum Musikinstrument werden. Ein Trio, das durch das im Rhythmus der Musik wechselnde Licht zum Quartett wird. Die elektrisierende Premiere am 17,7. Ist zu Recht mit frenetischem Jubel belohnt worden. 

Judith Schwarz am erweiterten Schlagzeug.Die NEue STaatsoper, NEST, früher eine Theaterhaus (die Theater, später brut) ist recht chic umgebaut, doch für Kinder und Familien, für die er kleine rechte Flügel des Künstlerhauses gedacht ist, wegen der schmalen, steilen Treppen, völlig ungeeignet. In diesem Sommer aber gehört das Nest dem ImPulsTanzFestival. Nicht nur ein großer Teil der Young Choreographer Series [8:tension] findet am Karlsplatz statt. Treppauf, Stau durch Kartenkontrolle und Platzanweisung, treppab bis zur vierten Reihe. Atemluft regulieren. An der Batterie wartet bereits Judith Schwarz, am Modular Synthesizer steht Arthur Fussy und in der Mitte, auf einem kleinen Podest, das auch als Mikrofon dient, spielt Matteo Haitzmann, Performer und Komponist, mit seiner roten Springschnur. Das chic renovierte ehemalige brut, Theater für Freie Gruppen. Jetzt gehört es zur Staatsoper und ist für KIndervorstellung vorgesehen. Im Sommer gastieren dort Tänzerinnen und Tänzer im Rahmen der ImPulsTanz-Serie [8:tension]. © www.nest.at
Was wir dann, wenn die Reihen endlich komplett gefüllt sind, erleben, ist mit dürren Wörtern kaum wiederzugeben. Es ist ein barockes Concerto, in dem die Instrumente (Modular Synthesizer, Batterie und das rote Springseil) miteinander in Wettstreit oder eine Diskussion treten. Ein barockes Concerto, das die Bewegungen des tanzenden Körpers anheizt, oder selbst durch diese angetrieben wird.
Matteo Haitzmann mit dem Tanzkörper in einem außergewöhnlichen Konzert. Haitzmann, Schwarz und Fussy (unsichtbar ist auch der Soundmaster Lukas Froschauer beteiligt) gehen es langsam an. Haitzmann steht noch, zieht die Schnur durch die Sohlen. Ferse, Spitze, Arme heben, anfangs ist der Weg des Springseils noch mit den Augen zu folgen. Doch so bleibt es nicht, die Bewegungen werde schneller, die Füße heben ab, der Musiker tanzt in einem rot glühende Oval, als Schrei entweicht der Atem, das Seil peitscht die Luft, dann wird es Finster und nur noch die rote Flamme der Schnur ist sichtbar, so schnell wirbelt sie Haitzmann, dass ihr Kreisen als Stillstand zu sehen ist. Matteo Haitzmann bei der Probe. Der Körper auf dem Podest in der Bühnenmitte ist zum Musikinstrument geworden, die Geräusche des Atems, der gepeitschten Luft und das Knarren des Tanzbodens sind Teil des bewegten, bewegenden und beweglichen Konzerts
Rechts brummt Fussy am Synthesizer als Continuo, die auf das Podest hämmernden Schnurgriffe und Schwarz’ Trommeln an der linken Bühnenseite sind das Orchester. Bumm, Bumm / Tackdack, Tackdack / Tappdapp, Tappdapp dazu die Rassel. Ein zyklisch sich wiederholendes Gespräch. Was haben sie einander zu sagen? Oder streiten sie etwa? Bei genauem Hinsehen ist das gesamte Trio zu sehen. Links Judith Schwarz, rechts Arthur Fussy und in der Mitte der Tanzkörper als Musikinstrument: Matteo Haitzmann.
Die Antworten erübrigen sich. Ein Gong läutet die Pause ein. Die drei Musiker benötigen sie, ist doch ihr Spiel auch Körperarbeit, nicht nur der Springteufel in der Mitte gerät in Schweiß, auch die Musikerin und der Musiker rechts und links von ihm, strengen sichtbar ihre Muskulatur an. Elena Scheicher hat alle drei in Arbeitskostüme gesteckt, fleckige graugrüne Hosen plus Sakko. Sie könnten am Bau arbeiten, mit Kalk und Ziegelstaub angekleckst sein.
In Oper und Ballett geht es vor allem um das Bühnengeschehen, das Orchester müht sich ja unten im Graben. Im Konzeptsaal wird neben den Ohren auch den Augen etwas geboten. Matteo Haitzmann, der Seilspringer, und Arthur Fussy am Modular Synthesitzer bei der Probe.Die Musikrinnen zu sehen, vertieft den Genuss der von ihnen erzeugten Klänge. Haitzmann und sein Team gehen noch einen Schritt weiter, sie vereinen die choreografierten Bewegungen, das Springen und die gelegentlichen Bodenübungen, mit der Musik, der tanzende Körper wird zum Instrument, der Tanz zur Musik. Die Stromschläge übertragen sich akustisch wie optisch ins Publikum. Die Beine zucken, der Puls schlägt im Rhythmus der Bühne, Die Augen werden zu Ohren, denn die Ohren sind Augen. Stromschläge gehen auch vom Licht aus, das das Konzert mit strahlendem Weiß, wärmendem Rot bis zum totalen Schwarz begleitet. Die Arbeit der in Berlin lebenden Lichtdesignerin Hanna Kritten Tangsoo ist Teil des Concerto, ist sichtbarer Rhythmus, hebt den bewegten Körper heraus oder lässt ihn verschwinden, pulsiert wie das gesamte Instrumentarium. Der Seilspringer effektvoll ins Licht getaucht.
Nach 45 Minuten ist noch ein Blackout angesagt. Judith Schwarz verteilt kupferne Schalen auf der Bühne, bald wird Haitzmann sie als Akrobat mit der Schnur punktgenau treffen und zum Klingen bringen. Na gut, ich schaue auf die Uhr und meine, es könnte reichen. Wird der Performer, werden die Musikerinnen gar nicht müde? Mit der Energie des Trios habe ich nicht gerechnet, noch einmal schlagen die musikalischen Wellen hoch, und die Beine des Klangkörpers auf dem Podest noch höher. Ich bin wieder munter, gebe mich den rhythmischen Schlägen hin, bin bis zum beruhigenden Fade out elektrisiert.

Matteo Haitzmann: Make it Count, ImPulsTanz / [8:tension] im NEST, 17., 19.7. 2025.
Konzept und Performance: Matteo Haitzmann
Erweitertes Schlagzeug: Judith Schwarz; Modular Synthesizer: Arthur Fussy
Komposition: Matteo Haitzmann, Judith Schwarz und Arthur Fussy
Sound: Lukas Froschauer; Licht: Hanna Kritten Tangsoo; Kostüme: Elena Scheicher. Produktion: Mollusca Productions
Fotos: © Franzi Kreis, Stefan Hauer, Florian Hetz