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Forsythe / van Manen / Kylián – neue Besetzung

Acht Paare tanzen "Psalmensymphonie"

Perfekt! Die Vorstellung des dreiteiligen Abends „Forsythe | van Manen | Kylián“ am 20. April mit einer Neubesetzung sämtlicher Solorollen und dem überzeugenden Corps de ballet des Premierenabends bescherte wieder ein großartiges Erlebnis.

„Artifact Suite“ von William Forsythe hat keine Handlung, ist reiner Tanz und zugleich eine Hommage an das klassische Ballett. Solopaar in "Artifact Suite": Natascha Mair, Davide Dato.Wie archaische Schriftzeichen oder ein System von Piktogrammen arbeitet sich das Corps samt den Halbsolist*innen, teilweise unter Anleitung einer Ballettmeisterin (Other Woman) – diesmal von der zierlichen Julia Tcaciuc exakt und unermüdlich getanzt – über die Bühne. In Linien, Dreiecken als Diagonale oder Rechteck und auch scheinbar wild durcheinander wirbelnd, werden die Tänzerinnen und Tänzer von der Musik Johann Sebastian Bachs getragen. Nach einer kurzen Erholungspause – der schwarze Vorhang, den Forsythe immer wieder einsetzt, saust herunter, diesmal stört kein Klatschen die Ruhe, nur das unerwartet aufflammende Saallicht irritiert Solopaar in "Artifact Suite": Madison Young, James Stephens. – setzt die Klaviermusik (Bachparaphrasen von Eva Crossman-Hecht) ein und das Spiel mit Licht und Schatten, Tarnen und Täuschen beginnt von neuem. Sich darauf einzulassen, ist ein Vergnügen, auch wenn ich diese hervorragende Geometrie der Figuren nie ganz erfassen werde. Madison Young mit James Stephens und Natascha Mair mit Davide Dato bewegen sich gewandt und harmonisch als Kontrapunkt zur großen Gruppe. Beide Paare zeigen zugleich höchste Spannung und Geschmeidigkeit, sind dynamisch und anpassungsfähig. Die Trainingsarbeit von Kathryn Bennetts und Noah Gelber, der später das Heft an Maurice Causy übergeben hat, ist auch an diesem Abend noch spürbar.

In van Manens „Trois Gnoisennes“ bringen Liudmila Konovalova und Robert Gabdullin die melancholische und fremdartig klingende Musik voll zur Geltung. Ein Paar, das sich anfangs zu trennen scheint, sich kaum berührt und bei Gnosienne 3 endlich zu einem nahezu innigen Pas de deux zusammenfindet. Eric Satie, der einen Zyklus von sieben „Gnosiennes“ komponiert hat, verzichtet auf Taktstriche und Phrasierungsangaben, erfreut im Gegenzug die Pianistin (live auf der Bühne: Laurene Lisovich) mit fast romantischen Anmerkungen in der Partitur: "Trois Gnosiennes": Liudmila Konovalova, Robert Gabdullin„Sammeln sie ihren Scharfblick“ oder „ohne Hochmut“ und auch „in großer Schönheit.“ Sowohl die Pianistin wie auch das tanzende Paar müssen sich ihre eigenen Gedanken zu diesen „drei Gnosiennes“ machen. Liudmila Konovalova ist in Höchstform, lässt sich von Gabdullin tragen und heben, krümmt sich auf seinen Oberschenkeln, schwebt auf seinem gestreckten Arm, zeigt, welch phänomenale Tänzerin sie ist. Des Tänzers Part ist es, die Ballerina zu präsentieren, und das macht Gabdullin ausgezeichnet und mit Eleganz.
Denys Cherevychko, Géraud Wielick und Richard Szabó dürfen ihr köstliches „Solo“ (van Manen zur Musik von J. S. Bach) auch in der dritten Aufführung zeigen. Das Publikum darf sich freuen und auch über van Manens und der Tänzer Humor schmunzeln.

Jiří Kylián hat mit „Psalmensymphonie" nach der exakten Rasanz by Forsythe und der „großen Schönheit (ohne Hochmut)“ bei Satie / van Manen wenig Chance, die volle Aufmerksamkeit zu gewinnen, selbst wenn das sakrale Stück mit den von Strawinsky für Chor und Orchester komponierten Zitaten aus Psalmen besonders gut in die Osterzeit passt. Maria Yakovleva, Andrey Teterin: "Psalmensymphonie".Alle acht Paare, die Kylián in einem von William Katz mit einer Reihe von Betstühlen und orientalischen Teppichen an der Rückwand an ausgestatteten Raum, versammelt, sind neu besetzt. Maria Yakovleva und Andrey Teterin, Sveva Gargiulo und Dumitru Taran, Madison Young und Géraud Wielick, Ioanna Avraam und Masayu Kimoto (sein erster Auftritt nach der Verletzungspause) sind die ersten vier. Sie geben Schwung und Energie vor, Eszter Ledán / Trevor Hayden, Rikako Shibamoto / Scott McKenzie, Oxana Kiyanenko / Giovanni Cusin und Alaia Rogers-Maman / Gaetano Signorelli halten mit. Die Choreografie wirkt frischer und exakter als am Premierenabend, doch die Patina der 1978 erstmals gezeigten Choreografie , Kylián war 31 und eben erst zum künstlerischen Leiter des NDT bestellt worden, lässt sich nicht ganz wegtanzen.Ioanna Avraam mit Masayu Kimoto in "Psalemsymphonie" von Jiří Kylián

Auch an diesem Abend war der Applauspegel fallend. Jubel für Forsythe, kräftige Zustimmung für van Manen und Konovalova, Respekt und Lob für die Tänzer*nnen für Kylián. Dennoch ist es jammerschade, dass dieser formidable Abend im Programm ziemlich schäbig behandelt wird. Nur fünf Mal in dieser Saison und danach, im Herbst, noch drei Mal. „Le Corsair“, auch von den Abonennt*innen längst gesehen, steht im Mai sieben Mal im Kalender und im Dezember 2019 / Jänner 2020 gleich noch sechs Mal. Da scheint der Maßstab irgendwie verrutscht zu sein.

„Forsythe | vna Manen |Kylián: „Artifact Suite“ / „Trois Gnosiennes“ und „Solo“ / „Psalmensymphonie“. 3. Vorstellung am 20. April 2019, Wiener Staatsballett in der Staatsoper.
Nächste Vorstellungen: 27.4.2019 mit der Premierenbestzung. 30.4.2019 mit neu bestztem "Solo".
Fotos von Ashley Taylor, © Wiener Staatsballett / Ashley Taylor