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Imagetanz: Cat Jimenez & Maiko Sakurai Karner

Cat Jimenez und Maiko Sakurai in Trance. © Ina Aydogan

What’s the Difference?“ fragen Cat Jimenez und Maiko Sakurai Karner in ihrem Beitrag zum 30. Imagetanz Festival, das vor allem aufstrebenden Künstler*innen und Erstlingswerken eine Plattform bietet. Die Zusammenarbeit der Tänzerin Jimenez und der bildenden Künstlerin Sakurai Karner hat sich schon in ihrem ersten Stück, „di stance“ (2017, unterstützt durch das Programm „Huggy Bears“ von Superamas) bewährt. Die Folgearbeit hat am 12. März im brut / Augarten Premiere gefeiert.

Schon in "di stance" hat die Tatsache, dass beide Künstlerinnen zwei Identitäten in sich tragen, eine wesentliche Rolle gespielt und als faktische Grundlage gedient. Die Tänzerin Cat Jimenez im angenehmen Bühnensetting. Alle Bilder ©  Ina AydoganCat Jimenez ist als Paz Katrina Jimenez in Cebu City auf den Philippinen geboren und als Vierjährige mit ihrer Familie nach Österreich gekommen. Auch heute noch, mit 33, fragt sie sich manchmal: "Wer bin ich, Asiatin, Europäerin, keines von beiden oder beides zugleich?“. Maiko Sakurai Karner, ebenfalls Mitte dreißig, ist in Wien geboren, ihr Vater ist Österreicher, ihre Mutter kommt aus Japan. Auch sie fühlt sich mitunter zwischen den beiden Kulturen. Die Gemeinsamkeiten sind ebenfalls begrenzt, Asien ist groß und die Philippinen sind nicht Japan.
Was die beiden Künstlerinnen trennt, ist, was sie eint.

Das Trennende und das Gemeinsame zeigen sie in einer feinst ausgefeilten schönen Performance, die in präzisem Rhythmus einer Folge von unterschiedlichen, doch immer spannenden, Szenen gezeigt wird. Die bildende Künstlerin Maiko Sakurai Karner tanzt und spricht mit von ihr geschaffenen Objekten. Der weiße Raum im ehemaligen Augarten Studio, vom brut auf der Dauersuche nach Ausweichlokalen, solange das Stammhaus Baustelle ist, neu belebt, ist als Ausstellungshalle adaptiert: Bilder und schriftliche Notizen an den Wänden, zarte Metallformen zeichnen ein Relief in einer Hälfte der Breitseite, an einer Längsseite stehen weiße Podeste und das Musikpult. Eine abgegrenzte Bühne gibt es nicht, Jimenez und Sakurai Karner bewegen sich im ganzen Raum, die Zuschauer*innen drehen und wenden sich, folgen ihnen brav wie Hündchen.

Am Beginn aber sitzen die beiden Frauen einträchtig nebeneinander und schließen Bekanntschaft. Erforschen ihre Gesichter, versuchen sie plastisch zu verändern, vermischen ihre Haare, umschlingen einander, um sich wieder zu trennen. Noch dienen die Fäden der Kommunikation, bald werden sie Fesseln und Ketten sein. Soloszenen wechseln mit solchen im Duo ab, Cat Jimenez tanzt, ganz für sich, ohne Musik, extensiv und wild, wenn die Trommelschläge einsetzen.
Die Japanerin legt ihrer Kollegin in aller Ruhe mit Sorgfalt einen Kimono an. Doch die Philippinin fühlt sich darin keineswegs wohl, da verändert sich das ausdruckslose Porzellangesicht von Sakurai Karner, die Miene wird streng, die Augen funkeln böse. Die Puppe Jimenez wehrt sich nicht, lässt sich ein- und an- und umkleiden, lässt sich in Bondage-Manier einwickeln und so fest schnüren, dass ihr der Atem stockt, duldet es, mit Stoffbahnen überhäuft zu werden, bis zum kopflosen Monster wird, bei dem nicht klar ist, wo vorn und hinten ist.

Zwei aufregende Szenen, die eine dramatisch bis an die Grenzen des Erträglichen, die andere gelassen, filigran, meditativ, zeigen mir besonders deutlich, was die Künstlerinnen bewegt. Skurai Karner hat ihr Bild zuerst retuschiert und dann zerstört, mit den farbtriefenden Händen spielt sie mit den Fäden, die sie aus dem zerstörten Gemälde zieht, eine paar Minuten sind die beiden Frauen zwei Kinder, die das Fadenspiel „Abnehmen“ versuchen, doch dann verheddert sich Jimenez in dem Netz, kann sich nicht mehr befreien, Cat Jimenez tanzt und singt, sanft und auch wild. verwickelt sich immer mehr, strampelt und kämpft, doch sie ist gefangen, hängt an einer unzerreißbaren Kette. Ihre verzweifelten Schreie krampfen mir das Herz zusammen, ich möchte eine Schere nehmen und die Gefangene, sich selbst Folternde endlich erlösen.

Ganz anders Maiko Sakurai Karner. Sie nimm eine ihrer Formen von der Wand, die Dreieckskonstruktion ist beweglich, tanzt mit der Künstlerin, wird betrachtet und aus unterschiedlichen Perspektiven gezeigt, verändert ihre Form, ist Pyramide und Stern, Polyeder und Kreis, Geometrie und Kunstwerk. Faszinierend ist die liebevolle Präzision, mit der Sakurai Karner das von ihr geschaffene Objekt in Bewegung setzt, dreht und wendet und es immer wieder intensiv betrachtet.

Noch einmal teufelt Jimenez durch den Raum während Sakurai Karner auf der weißen Plattform sitzt und eine rosa Blume faltet, oder versucht, zu falten. Da fühle ich mich ihrer japanischen Seele sehr verbunden. So wie Sakurai Karner keine Origami-Meisterin ist, bin ich, obwohl Europäerin, keine Stick- und Strickmeisterin.

Das Ende demonstriert, nach Gegensätzen und Differenzen (zwischen den beiden Bühnenkünstlerinnen, zwischen ihren beiden inneren Identitäten und auch zwischen den Performerinnen und uns, dem Publikum), in friedlicher Eintracht das Gemeinsame. "Wer bin ich? Was trennt uns? Was eint uns?" Cat Jimenez (Bild) und Maiko Sakurai Karner erforschen sich selbst. Mit verschlungenen Armen und Beinen werden die zwei Frauen zu einer Göttin, legen die Hände zur doppelten Lotusblüte, bleiben beieinander, bis der Applaus sie mitten ins Publikum holt.

Der Sprung, den das Duo seit der Aufführung von „di stance“ gemacht haben, ist hoch oder weit oder beides. Die auch ironisch gemeinte Frage, was denn die Differenz sei, ist eine wunderbar professionelle Arbeit, in der die zwei Frauen miteinander harmonieren, auch wenn sie nicht zugleich im Zentrum der Arena stehen. Exakt im Zeitmanagement, mit stringenter Dramaturgie und klugem Humor zeigen Sakurai Karner und Jimenez authentisch, was sie bewegt, womit sie sich auseinandersetzen. Im Privaten bleiben sie nicht stecken, gehen zugleich über das Persönliche hinaus. Wenn Inhalt und Form so perfekt übereinstimmen, wenn die Akkuratesse der Arbeit, dem allgemein gültigen Inhalt die Waage hält, nenne ich das Kunst, Kunst, die mir einen Glücksmoment beschert. Kommt in der sogenannten Performance nicht allzu oft vor.

Cat Jimenez & Maiko Sakurai Karner: “What’s the Difference?”, Uraufführung. Konzept, Performance, Choreografie, Objekte: Jimenez, Sakurai Karner. Sound, Musik: Martin Mitterstieler. Dramaturgische Unterstützung: Philippe Riera, Yasamin Nikseresht. Eine Koproduktion von Cat Jimenez und Maiko Sakurai Karner mit imagetanz / brut Wien. Uraufführung: 12. März 2019, brut im Augarten.
Weitere Vorstellungen: 13. und 14. März 2019.