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Imagetanz: "iChoreography", brut im WUK

Carlos, Isa, Vicky, Mercy frieren bei den Proben © Lorelei Bruni

iChoreography“, das klingt trendig, verständlich. Im Untertitel erfährt man mehr und auch Verwirrendes: „Kurort. Eine Therapie-Performance“. Magdalena Chowaniec & Valerie Oberleithner haben mit vier Jugendlichen eine verlockende Einladung ausgesprochen. Nicht Zuschauerinnen sind wir im Projektraum des WUK, sondern Teilnehmerinnen an einer fröhlichen, feinen Gemeinschaft, an Tanz und Therapie, an einem Erlebnis der besonderen Art. Eine ausgefallene und originelle Eröffnung des brut-Festivals „imagetanz“. Zehn Sterne!

Tanz im Nebel. © Erli GrünzweilIm Allgemeinen bestehe ich auf der vierten Wand: Die Akteur*innen sind auf der Bühne, das Publikum sitzt im Zuschauerraum und konsumiert unbelästigt. Partizipation im Theater ist nicht mein Begehr.
Doch diesmal ist alles anders. Chowaniec und Oberleithner haben, mutig und kreativ, intelligent und authentisch, eine Einladung zur Therapiesitzung ausgesprochen, und ich bin, wie so viele der Gäste, willig gefolgt. Schon die Ausstattung des Raumes mit Sitzpolstern und Matten (die Schuhe haben wir ausgezogen, die Handys abgegeben) und zwei dekorativen, pastellfarbenen Stoffbahnen mit Photoprints versetzt die Gäste in eine angenehme, kommunikative Atmosphäre.

Mit vier Jugendlichen haben Chowaniec und Oberleithner das allen bekannte Thema, besser noch Problem, der Handysucht bearbeitet. Der starre Blick auf das Display, das Warten auf Neues in WhatsApp und Instagram, das ständige Graben nach aktuellen Nachrichten, kennt jede, auch wenn sie der Sucht nicht selbst verfallen ist. Chowaniec und Oberleithner wissen, dass dadurch die persönliche Kommunikation, das "Aug in Aug"-Gespräch, die freundliche Geste und die liebevolle Umarmung aus der Kommunikation verschwinden. Die vier Teenager, drei Mädchen, ein Bub, sollen das erkennen und lernen, dass Menschen sich auch mit Menschen unterhalten können und nicht nur mit Maschinen. Wir, die als Zuschauerinnen gekommen sind und flugs zu Gästen geworden sind, lernen mit. Die Entspannung gelingt trotz der anwesenden Gäste. © Erli Grünzweil

Was die beiden klugen und ideenreichen Tänzerinnen / Choreografinnen an Aktion und Partizipation, an wundersamen bis spukhaften Szenen, an improvisiertem Tanz, an Verführung und Animation bieten, in welche Wolke sie die Gäste einhüllen, werde ich jetzt nicht verraten. Das alles gehört mir, in den 70 anregenden Minuten ist eine Intimität entstanden, die mir, die ich Erzählungen über diesen Kuraufenthalt schnell als belanglosen, affektierten Unsinn abgetan hätte, nicht so recht erklärbar ist; die ich nur mit jenen teilen will, die auch dabei waren.
Im Allgemeinen gehört die Kunst ja sich selbst, aber diesmal, dank Magdalena Chowaniec und ihrer Freundin Valerie Oberleithner, hat sie gezeigt, dass sie auch etwas bewirken kann. Selbst wenn die Kids, mit denen die beiden Künstlerinnen nahezu ein Jahr lang gearbeitet haben, was sich nicht nur in den Bewegungen, sondern auch beider Sprechkultur bezahlt gemacht hat, nach dem Ende der „Therapiesitzungen“ wieder mit zuckenden Händen in die Tasche greifen werden, um eine sinnlose Nachricht zu lesen und eine ebensolche abzusetzen.

Im Hexenkreis wird um das Feuer mit den Fingern rhythmisch getanzt. © Erli GrünzweilJetzt darf die Leserin im Thesaurus unter „positive, euphorische Epitheta“ nachsehen, die treffen dann alle zu, auf diese einmalige, außerordentliche Performanceinstallation. Noch eine letzte Bemerkung: Die beiden Initiatorinnen sind selbst Mitglieder der Therapiegruppe, stehen ihr nicht von außerhalb vor, sondern sind ein Teil davon. Das lockert die Atmosphäre bei der Arbeit und auch während der Performance.

Fakten:
Magdalena Chowaniec ist Tänzerin, Performerin, Choreografin, Sängerin und Kämpferin. Sie hat Tanz und Performance am staatlichen Ballettgymnasium in Bytom in Polen und an der Anton Bruckner Privatuniversität in Linz mit einem Mag. art. abgeschlossen. In ihrer künstlerischen Praxis hinterfragt sie die Position und die Funktion von Kunst, Theater und Choreografie als Ort des Widerstands und der Veränderung.
Valerie Oberleithner ist Choreografin und Performerin, geboren in Tirol. Mit den Fingern tanzen kann man auch im Liegen. Photomontage: Magdalena Chowaniec, Annamarie WaliczkySie studierte Literaturwissenschaften und Philologie an der Karl-Franzens-Universität in Graz und zeitgenössischen Tanz an der Anton Bruckner Privatuniversität In Linz. 2007 erhielt sie das danceWEB-Stipendium. Seit 2006 arbeitet sie kontinuierlich mit internationalen Choreograf*innen und Tanzkompanien zusammen. In ihrer Arbeit erforscht sie unter anderem neue Wege der Zusammenarbeit von Künstler*innen, Kuratorinnen und spezifischen Gruppen der Gesellschaft.

Magdalena Chowaniec & Valerie Oberleithner: „iChoreography. Kurort. Eine Therapie-Performance“. Mit Carlos Lazar, Victoria-Lola Kunz, Mercy Adighibe, Isaella Csar, Magdalena Chowaniec, Valerie Oberleithner. Uraufführung im Rahmen von imagetanz: 3. März 2018, brut im WUK.
Weitere Vorstellungen: 4. und 5. März.