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Tanz Company Gervasi: „Reise durch den Spiegel“

Cat Jimenez: "Yp_Hand". © Rudolf Sagmeister

Drei Persönlichkeiten unterschiedlicher Herkunft, drei Tänzerinnen unterschiedlicher Bewegungssprache, drei Solos unterschiedlichen Charakters. Anni Kaila, Cat Jimenez und Hannah Timbrell haben mit dem Choreografen Elio Gervasi je ein sehr persönliches Solo erarbeitet. Unter dem Titel „Reise durch den Spiegel“ zeigten die jungen Tänzerinnen eine beeindruckende Leistung. Albert Castello hat den Sound jeder einzelnen auf den Leib komponiert.

So ein dreiteiliger Abend braucht eine Klammer, und so denkt sich halt irgendjemand einen Titel aus. Er besagt nichts. Alice ist hinter die Spiegel gereist, und Orpheus ging im Film von Jean Cocteau durch den Spiegel, um der Tödin zu begegnen. Doch diese Assoziationen passen nicht. Belassen wir es dabei, dass ein Tanz-/ Performance-Abend einen Titel haben muss, irgendeinen.

Anni Kaila © Anni Kaila / https://www.annikaila.com/Leider geht es mir auch mit dem Text zu den einzelnen Solos auf dem Programmzettel so. Ich konnte nicht sehen, was ich danach gelesen habe. Was ich gesehen habe, waren drei bemerkenswerte, körperorientierte Tänzerinnen in konzentrierter Bewegung.

Anni Kaila, blond, langgliedrig, lebt in Finnland und hat in der Choreografie von Elio Gervasi ein großartiges Solo gezeigt, in dem sie ohne zu ermüden ihren ganzen Körper in Spannung versetzt. „In the Wind“ ist der Titel, doch sie ist stark und sich dieser Stärke auch bewusst. Der Wind kann sie nicht umwerfen. Im wechselnden Licht (Design Markus Schwarz) werfen drei auf dem Boden liegende Vierecke helle Fenster an die Wand, durch die Gräser und Blumen zu erahnen sind, später werden die Vierecke zusammengeschoben, doch der Tanz ist noch nicht zu Ende. Anni Kaila in ihrem Stück "Ohne Fuge".© Niels Weljer /https://www.annikaila.com/Erst wenn das Licht der Finsternis weicht, darf geklatscht werden. Ein richtiger Abschluss dieses außergewöhnlichen Solos fehlt noch.

Hannah Timbrell, eine stets gut gelaunte Australierin, lebt seit fünf Jahren in Wien und  tanzt seitdem in der Tanzcompany Gervasi und anderen Formationen. Hannah Timbrell: Elegant © Company Gervasi Die groß gewachsene Tänzerin scheint mir in der Gruppe besser aufgehoben denn als Solistin. Sie hat ihr gesamtes Potenzial noch nicht ausgeschöpft und muss eine eigenständige Tanzsprache erst finden. Ihre Performance wirkt noch etwas zerfahren. Bühnenbildner Valter Espositio hat ein Objekt aus Gervasis 2016 gezeigtem Tanzstück "conseQUENCE", einen flachen Zylinder aus blau schimmernden Plastikflaschen, mitten auf die Bühne gestellt. Eine große Wand aus solchen Flaschen bildet auch die rechte Seite der White.Box im Off-Theater. Sie geben dem Raum ein geheimnisvolles Kolorit. Hannah Timbrell: Flaschen-Paket auf dem Kopf. © Company GervasiWarum Timbrell gegen Ende ihrer Performance diesen Flaschen-Kreis auf den Kopf setzen muss, lässt sich nicht erklären. Auch sie hat keinen richtigen Schluss für ihr Solo gefunden, der Hut, vielleicht soll es auch eine Krone sein, hat keine Bedeutung, irgendwann ist das Solo einfach aus.

Cat Jimenes: Ausdrucksstark. © Rudolf SagmeisterDie Filipina Cat Jimenez war heuer Stadttänzerin in Klagenfurt mit einer einmonatigen Residenz im April. Sie hat als House- und Hip-Hop-Tänzerin begonnen, sich aber konsequent weiterentwickelt und ist längst als zeitgenössische Tänzerin mit einem spezifischen Bewegungsrepertoire bekannt. Ihr Solo „Yp_Hand“ beginnt mit einer launigen, nicht ganz ernst gemeinten Einladung im heimatlichen Dialekt, mit ihr auf der Bühne zu tanzen. Schon in dieser Ouvertüre faszinieren ihre Mimik und die ausdrucksstarken Bewegungen ihrer Arme und der Hände mit den langen, beweglichen Fingern. Cat Jimenez weiß, ihr Publikum zu fesseln und in eine andere Welt zu versetzen. Einprägsame Gesten, ein reges Mienenspiel, schnelle, auch rasante Bewegungen der Füße und Arme prägen auch ihren Tanz. Cat  Jimenez: Sprache der Hände. © Rudolf SagmeisterNach einer Folge von exzessiven Bewegungen scheint die Tänzerin ans Ende ihrer Reise angekommen sein. Die graue Jacke, deren Kaputze wie zum Schutz anfangs vor das Gesicht gezogen wird, hat sie bald abgworfen, erfreut im regenbogenfarbenen T-Shirt mit fließenden Bewegungen. Als trainierte Hip-Hoperin entwickelt sie ihren Tanz von der Körpermitte aus, um sämtliche Muskeln, von den Füßen bis zu den Wurzeln ihrer langen schwarzen Haare, die anfangs brav zum Zopf geflochten sind, der sich im Tanz allmählich auflöst, spielen zu lassen. Zierlich, fast zerbrechlich wirkt sie, wenn sie mit  kleinen Trippelschritten, eher nach vorn als zurück, dem beruhigenden Finale entgegen gleitet. Cat Jimenez hat ihr Ziel gefunden.

Tanzcompany Gervasi: „Reise durch den Spiegel“ mit Anni Kaila, Hannah Timbrell und Cat Jimenez. Künstlerische Leitung, Choreografie: Elio Gervasi. Wien-Premiere: 23. November 2017, Off-Theater.
Weitere Vorstellungen: 24., 26. November 2017.