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ImPulsTanz – Bengolea & Chaignaud: „DFS“

DFS mit hündischer Einlage. © Hervé Veronese / Centre Pompidou

Die argentinische Tänzerin und Choreografin Cecilia Bengolea ist immer für eine Überraschung gut. Sie liebt den Spitzentanz, fremde Tanzformen und eine Mischung von allem mit allem und hat auch nichts gegen pure Unterhaltung. Das war bei „Dub Love“ so und bei „Twerk“. Beide Stücke, 2014 und 2013 im ImPulsTanz Festival gezeigt, hat sie gemeinsam mit dem französischen Tänzer François Chaignaud erarbeitet. Auch ihr 2016 erstmals gezeigtes Stück „DFS“ ist im Dialog mit Chaignaud entstanden. Wer sich nicht mit Beckmessers Kreide vor die Schultafel setzt, sondern unverkrampft das zwanglose stilistisch kaum einzuordnende Geschehen auf der Bühne genießt, erlebt einen unterhaltsamen Abend mit sieben exzellenten Tänzer_innen.

Chaigneau hat ein Faible für Alte Musik, Bengolea liebt jamaikanischen Dancehall und begab sich daher nach Kingston, um die an Reggae und Voguing erinnernde junge Tanzform zu studieren. Gleich zwei Tänzer aus Jamaika (Cassie Dancer, Damion BG Dancerz) wirken daher bei „DFS“ gemeinsam mit drei Tänzerinnen und dem Choreografiepaar mit. Die Tänzerinnen (Valeria Lanzara, Erika MYAUCHI, Shihya Peng) mussten im Schnellverfahren Gesang studieren, denn Chaigneau wollte ausprobieren, wie es sich anfühlt (und ansieht), tanzend zu singen oder singend zu tanzen. So ganz geht das nicht zusammen, weil Tänzer_innen anders atmen als Sänger_innen. Doch ist es frappierend und spektakulär, wenn im Kopfstand, während der Bauchrollen oder auf der Spitze balancierend gesungen wird. Cecilea Bengolea swingt im Dancehall.Alle Bilder: © Herve Veronese / Centre Pompidou

Anfangs stehen die Tänzerinnen ruhig da, während sie georgische Musik aus dem Mittelalter oder aus noch früheren Zeiten singen, die Chaigneau erforscht und ausgewählt hat. So sakral bleibt die Stimmung aber nicht, die Spitzenschuhe werden abgelegt (und später immer wieder angezogen), mit festen Laufschuhen lässt sich die Truppe in die Dance Hall beamen. Hüften wackeln, Beine schwingen, Arme flattern, Clubbing ist angesagt. Das lässt die Tänzer_innen fröhlich hüpfen, das Publikum aber ein wenig gähnen.

Auf rotem Teppich: Gesang  im Kopfstand Dass die gesamte Veranstaltung spaßig sein soll, zeigt nicht nur der kleine Hund (er gehört Ivo Dimchev und ist der schnell eingesprungene Ersatz für die Erstsbesetzung, die nicht mitreisen konnte), der sich keineswegs an die Choreografie hält, sondern auch Damion BG Dancerz, der das Publikum animiert, auf der Bühne den Dancehall zu erlernen. Ein Großteil der jungen Teilnehmer_innen am begehrten DanceWEB-Scholarship Programm (Mentorin ist heuer Doris Uhlich) stürmt vom Rang ins Parterre und auf die Bühne und hebt den Gruppentanz über das übliche touristisches Gehampel hinaus, weil sie, selbst Künstler_innen, den Takt halten können. Doch in einem Theater das für eine Performance gekommene Publikum auf die Bühne zu holen, kann eigentlich nur blanke Ironie sein. Anders wäre solch ein Ansinnen die Aufforderung, den Zuschauerraum zu verlassen. Erika MICHAUCHI, Cecilia Bengeloa im Duett.

In der zweiten Hälfte geht die Show weiter, wie sie begonnen hat. Man bewundert die Energie und Virtuosität der Tänzerinnen und Tänzer, die fein abgestimmte Präzision ihre Bewegungen und die akrobatischen Kunststücke auf der Spitze. Auch Chaignaud lässt es sich, wie meistens, nicht nehmen, die Zehenfolter anzulegen und gemeinsam mit der zierlichen Erika MYAUCHI Fouettés und Pirouetten zu zeigen. Nicht gerade das, was die Besucherinnen des ImPulsTanz Festivals zu sehen wünschen. Für Bengolea und Chaignaud aber sind alle Tanzstile gleichwertig, eigentlich alle Formen der Bewegung auf der Bühne, ob Zirkusartistik, klassischer Spitzentanz oder Urban Dance.

Gesprungen wie gehupft im verteilten StilesysemAls Zuschauerin gilt es, überkommene Vorstellungen und Erwartungen zurückzuschrauben, keine kompakte Vorstellung zu fordern, lieber sich zu entspannen, über das Hündchen, das seine Nervosität mit einem Lackerl bekundet, zu schmunzeln und jede Tänzerin, jeden Tänzer zu genießen, die sich alle um gar nix scheren und ihren bunt gemischten Cocktail locker und ein wenig formlos als Erfrischungsgetränk anbieten. Das Publikum nimmt es, wie es gereicht wird, mit lässigem, aber fröhlichem Applaus. Ehrlich, ich habe mich schon weit mehr gelangweilt und auch viel schlechter unterhalten.

Vermutung: DFS könnte „Distributed File System, verteiltes Dateisystem in einem Netzwerk“ bedeuten.

Cecilia Bengolea & François Chaignaud: „DFS“, 26. Juli 2017, Volkstheater im Rahmen von ImPulsTanz.