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Makemake: Abenteuer im "Genesis Park"

Mann, Frau, Tier, Mensch? Alle sind alles. © Felix Robert Huber

Wie die Sonne und der Mond, die Erde und die Lebewesen darauf entstanden sind, das wird zur Einführung erzählt und später sinnlich erfahrbar gemacht. „Genesis Park“, von der formlosen Formatierung Makemake erdacht, eingerichtet und hergezeigt, ist ein Megaunternehmen, aufregend, anregend, umwerfend, mit Tanz und Poesie, ständigen Geräuschen, die meist die gesprochenen Wörter übertönen, voll Überraschungen und neuen Erfahrungen. „Genesis Park“ im F 23, das ist Wow!

Hinter dem F23, dem neuen Kulturzentrum im 23. Bezirk, erstreckt sich ein riesiges Areal, da erleben wir unter freiem Himmel in 20 Minuten, wie die Welt und alles Drumherum entstanden ist. Die Milliarden Jahre der Evolution sind in Zehntelsekunden und noch kleiner unterteilt, sodass sie in einem Tag ablaufen können. Markierungen zeigen die bemerkenswerten Entwicklungsschritte an, meistens sind es Katastrophen, oft auch Wunder. Erst knapp vor Mitternacht ist der Mensch entstanden. „Katastrophe“ ruft die kommentierende Stimme, „Wunder“ antwortet eine andere. Makemake Plakat für den "Genesis Park" © alle Fotos: Felix Robert Huber / www.felixroberthuber.com

Was danach kommt ist eine Wanderung durch Wasser, Luft und Erde und unter diese, mit einer abwechslungsreichen Performance, Texten, die die Wissenschaft in Poesie transformieren, einer Talkshow, in der die Tiere ihre Familienorganisation (hoch die Tüpfelhyänen, die leben im Matriarchat) und ihr oft kompliziertes Geschlechtsleben erklären. Ein Hoch auch auf die Seegurke, die zwar kein Gehirn hat und deshalb entzückende blöde in die Welt schaut, aber ihre Gedärme gegen Feinde wirft. Der Mensch kann das nicht, er braucht dazu Hilfe von Maschinen. Da ist die Seegurke auch ohne Hirn gescheiter, die Innereien wachsen nach. Erkenntnisse solcher Art liefert das Team der Makemake Produktion sonder Zahl, lehrreich und amüsant, mit einer Fülle von fantastischen Ideen, mit Spielfreude, Energie und Grips.

Die gefleckten Wesen proben im Geöände des F23 (MIchèle Rohrbach schaut uns an) Aufwändig und präzise. Alle, auch die Führerinnen in die Lebensräume der Lebewesen, sind in grüngefleckte Unisexoveralls gehüllt und wenn sie nach einem Ballett der ebenso bemalten Wände hervortrete, sind sie Mensch und Tier, Weibchen und Männchen und auch Garnix oder Alles. Manche sind Profis, das ist sowohl in den bewegten, auch getanzten Szenen als auch in der Artikulierung zu erkennen, andere sind weniger geübt und fügen sich dennoch ins Konzept, denn auch im Publikum sind alle „Alter und Spezies“ willkommen. Doch erst Zehnjährige können diesen Park der Vielfältigkeit richtig genießen. Hinauf aber gibt es keine Grenzen, auch an Ruhepole ist gedacht.

Der gut zweistündige Parcours ist so kurzweilig, dass die Zeit ihre Relativität unter Beweis stellt und aufgehoben ist.

Die Gedanken und Thesen der amerikanischen Biologin Donna Haraway (*1944), die die Menschen an der Schnittstelle zwischen Natur und Maschine sieht, dienen neben einem Kinderbuch als Basis des gedankenreichen Spektakels. Sowohl in ihrer Wissenchafts- wie in der Gesellschaftskritik plädiert Haraway für eine Aufhebung und ein Neudenken der dichotomen Kategorien wie der „Grenzziehungen zwischen Mann/Frau, Mensch/Maschine, Physischem/Metaphysischem“. Den Menschen mit all seinen Implantaten und technischen Hilfsmitteln bezeichnete sie schon in den 1980er Jahren als „Cyborg“. Der vielfältigen Spezies der Makemakes gefällt das. Im Wasser wird man nass.

So klug waren sie nicht von Anfang an, doch das fleißige Recherche-Team hat sich auch in der Wissenschaft und Philosophie umgetan und mancherlei Erstaunliches über alles, was auf Erden kreuch und fleucht, herausgefunden. Die gewonnene Klugheit wurde flugs in Unterhaltung umgesetzt. Wow!  Hinter dem F 23

Am Ende schwirrt mir der Kopf (und auch in den Ohren summt und brummt es von dem dauernden, lauten und gar nicht notwendigen Soundgewitter) und ich weiß nicht mehr bin ich Eine oder viele, Manderl oder Weiberl, Seegurke oder Tüpfelhyäne (na ja, lieber die) oder alles zugleich oder nur Einbildung, eine Fiction? Aber von wem? Und wo bitte ist jetzt die nächste Busstation?

Makemake Produktion: „Genesis Park“, eine theatrale Installation, eine abenteuerliche Reise durch die Zeit und viele Räume. Gesehen am 28. September 2016 im Rahmen der Dschungel-Eröffnungswochen. F23. wir. fabriken.
Weitere Vorstellungen: 1., 2., 3., 4. Oktober. Genaue Informationen: makemake.at