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Preethi Athreya: „Across, not Over“

Vikram Iyengar: Neue Bewegungen im Körper speichern. © Karolina Miernik

Aus welchen Bewegungseinheiten setzt sich der traditionelle nordindische Tanzstil „Kathak“ zusammen und wie gehen zeitgenössische Tänzer damit um? Gibt es eine Brücke zwischen traditionellem und zeitgenössischem Tanz? Frage, die vom Kathak-Tänzer Vikram Iyengar in einer Choreografie von Preethi Athreya, Tänzerin und Choreografin aus der Metropole Madras am Golf von Bengalen, beantwortet werden. Der präzisen, bündigen Performance im 21er Haus, "Acrross not Over", fehlt eine Einführung, um wirklich zu verstehen, was zu sehen ist. Sie würde den Eindruck vertiefen.

Sand im gläsernen Kubus, Tanz im Museum. Zwei Schuhe warten einsam auf dem glatten schwarzen Quadrat inmitten des goldgelben Gevierts, ein Weg führt hin, einer weg. Ein tiefblauer Rand umgibt den Tanzboden. In den Lautsprechern raschelt es, der Tänzer, Vikram Iyengar, ein klassisch ausgebildeter Kathak-Solist, erscheint und tanzt – nicht. Vikram Iyengar: Kathak mit den Händen gesteppt. © Karolina Miernik

Aus dem Off erhält er Anweisungen für Bewegungsabläufe: Schultern hoch, Arm beugen, Kopf wenden, Rumpf drehen, Rippenbogen schließen, Oberkörper neigen, biegen, die Horizontale betonen. Kompakt und durchtrainiert ist Iyengars Figur, im nackten Oberköper ist das differenzierte Muskelspiel deutlich sichtbar. Diese Zerlegung von Bewegungsabläufen, bei der vor allem Kopf, Hals, Arme und Brustkorb – bar jeglicher Romantik und narrativer Essenz – eingesetzt werden, verstehe ich als Vorübung für „across“, die Verbindung der Kunst Iyengars, dem Kathak, zu Athreyas Stil, die als zeitgenössische Tänzerin beeindruckt. In der komplizierten Dynamik des Kathak ist die Fußarbeit besonders wichtig, die Körperachse liegt betont vertikal.
Preethi Athreya, Tänzerin und Choreografin ("Porcelain", Wien, 2009) © Babu Ponappan„Der Oberkörper ist oft tot“, sagt mir Choreografin Athreya nach der Vorstellung. Der Körper des Kathak-Tänzers muss neue Abläufe speichern, um seinen individuellen, aktuellen Stil zu finden.

Fred Astair händisch. Allmählich erobert Iyengar die Tanzfläche, liegt, gespannt bis zu den Zehenspitzen auf dem Boden und zieht sich behutsam und sorgfältig die Schuhe an. Auf die Hände. Wie zum Gebet kniet er gebeugt, sammelt sich, um mit den beschuhten Händen zu tanzen. Klopft verschiedene Rhythmen, murmelt selbst Erklärungen (die ebenso wenig verständlich sind, wie später die Diskussionen über Kathak aus dem Lautsprecher).

Wird Kathak getanzt, so sind die Fußbewegungen kaum zu erkennen, so schnell werden sie ausgeführt. Iyengar zeigt das staubaufwirbelnd in einer rasanten Drehung rund um den Sandboden. Durch den Kontakt mit der kobaltblauen Umrandung sieht die eine Körperseite jetzt wie tätowiert aus. Die kühle, saubere Darbietung ist lebendig geworden. Weich mischt sich mit Hart, Rasanz mit Gelassenheit, Schlangenarme, bewegliche Finger, kurze Posen erinnern an indische Götterfiguren. Altes wird zerlegt und neu zusammen gesetzt (Vikram Iyengar) © Karolina Miernik
Iyengar tanzt konzentriert, mit geschlossenen Augen, lässt immer wieder Elemente des Kathak aufblitzen in Athreyas Choreografie hier und jetzt. 

Wenn der Tänzer die Schuhe von den Füßen zieht, den Sand ausbeutelt und wie ein Hauch die Bühne verlässt, bin ich nicht die Einzige, die gerne noch mehr gesehen (und gehört) hätte.

Preethi Athreya / Vikram Iyengar: „Across, not Over“, 13.2. 2016, 21er Haus, im Rahmen der ImPulsTanz [Trans] Asia Portraits.