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Sylvie Guillem – Abschied

Guilleme in "techne". © Bill Cooper

Im Rahmen ihrer weltweiten Abschiedstournee gastierte die französische Startänzerin Sylvie Guillem diese Woche im Festspielhaus St. Pölten. Das aus vier Stücken bestehende Programm wurde heftig bejubelt, obwohl der Abend weder choreographisch noch tänzerisch restlos überzeugen könnte. Nach letzten Vorstellungen in Japan wird Guillem Ende dieses Jahres ihre Karriere als Tänzerin endgültig beenden. Was sie danach machen wird, lässt sie offen.

Das außerordentliche tänzerische Talent von Sylvie Guillem wurde früh erkannt. Ursprünglich in ihrer Kindheit im Kunstturnen engagiert, kam sie durch ein Austauschprogramm an die Ballettschule der Pariser Oper. Bereits mit 16 wurde sie in das Corp des Ballett aufgenommen, mit 19 von Nurejew zur jüngsten Primaballerina aller Zeiten in der Geschichte des Pariser Opernballetts ernannt. Sylvie Guillem mit Emanuela Montanari in "here after".  Bill Cooper

Es folgten überaus erfolgreiche Jahre, sowohl mit klassischen Stücken wie „Don Quixote“ und „Cinderella“ als auch in modernen wie John Neumeiers „Magnificat“. In Forsythes revolutionärem Opus „In the middle, somewhat elevated“, welches in Paris Premiere hatte, tanzte sie 1987 eine der Hauptrollen.

Nach erfolglosen Diskussionen mit der Pariser Operndirektion, die ihr zu wenig Freiräume für Gastauftritte mit anderen Compagnien einräumen wollten, kündigte sich schließlich und es begann das „englische Jahrzehnt“ als Gast-Tänzerin beim Royal Ballett in London. Durch diese mutige Entscheidung, sich aus der Sicherheit der Fixanstellung bei einer der großen Ballettkompagnien zu lösen, und selbst zu entscheiden, welche Rollen sie wo tanzen möchte, hat sie ein vollkommen neues Rollenmodell mit Freiräumen definiert, von denen die heutigen Spitzentänzerinnen profitieren.

Gegen Ende der neunziger Jahre verstärkte sich ihr Interesse an modernem Tanz immer mehr und es begannen Kooperationen mit Choreographen wie Mats Ek und Russel Maliphant, die Stücke extra für sie schufen. Einer der Höhepunkte dieser letzten, dritten Periode in Guillems Tanzkarriere war sicherlich das 2005 von Maliphant choreographierte und mit ihr getanzte „Push“.

Gullem n "techne" von Akram Khan. © Bill CooperFür ihre Abschiedstournee griff Guillem jedoch nicht auf alte Stücke zurück, wie es sonst üblich ist, sondern bat einige der prominentesten Choreographen um neue. Der Abend beginnt mit einem Solo-Stück von Akram Khan, „techne“, in dem es um das Verhältnis von Kunst, Zeit und Vergänglichkeit geht. Mit großem Engagement von Guillem getanzt, vermag das Stück aber dennoch nicht mitzureißen, zu unklar bleibt der Sinn, zu beliebig die Bewegungen.

Im folgenden „DUO2015“ von William Forsythe tanzen Brigel Gjoka und Riley Watts. Auch hier geht es um Zeit, nämlich die Umsetzung derselben in ein Uhrwerk, in einen synchronen rhythmischen Gleichklang. Ausgehend von initialen Dissonanzen in den Bewegungen verstärkt sich der Gleichklang der spiralförmigen Bewegungen immer mehr, bis eine schwebende mitreißende Harmonie entsteht, in der beide Tänzer aufgehen.

Am Ende des ersten Teil des Abends stand dann „Here & After“ von Russell Maliphant, ein Duett von Sylvie Guillem mit der Mailänder Tänzerin Emanuela Montanari. Mit sanften, elastischen Bewegungen startend, mit denen sich die beiden Tänzerinnen umkreisen, entwickelt sich das Stück im zweiten Teil zu einem lauten, dynamischen Pas de deux. Choreographisch nicht ganz überzeugend, leidet das Stück auch unter einer gewissen Distanz zwischen den beiden Tänzerinnen. Angekündigt als das erste Duett, in dem Guillem mit einer Frau tanzt, hat man nicht das Gefühl, das sie sich dabei besonders fühlt. Abschied von der Jahrhunderttänzerin: "Bye". © Bill Cooper

Höhepunkt dieses Abschiedsabends war sicherlich „Bye“ von Mats Ek. Zur Arietta aus Beethovens letzter Klaviersonate ist Ek ein sehr eigenständiges harmonisches Stück gelungen. Auch hier spiegelt sich das Thema Zeit wieder. Eine Frau betritt durch eine Tür, die mit Videos bespielt wird, den Raum, erkundet und lebt in ihm und verlässt ihn nach einiger Zeit wieder. Hinausbegleitet wird sie dabei von einem Video, in dem eine Gruppe von Leuten sie umringt, aufnimmt und entführt. 
Unterstützt durch die prägnante Choreographie und die gekonnte, sehr engagierte und emotionale Umsetzung von Guillem entsteht das erste Mal an diesem Abend eine dichte Stimmung, springt der Funke von der Bühne ins Publikum über.
 Entsprechend enthusiastisch dann der langdauernde Beifall des Publikums, das mit standing ovations von Guillem Abschied nimmt.

Sylvie Guillem: „Life in Progress“, Ein Abschiedsabend. 2.12. 2015, Festspielhaus St. Pölten