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ImPulsTanz: DD Dorvillier „No Change … „ (2005)

DD Dorvillier in Aktion. © Karolina Miernik

No Change, or freedom is a psycho-kintec Skill“ von DD Dorvillier / human future dance corps war im Rahmen der ImPulsTanz-Reihe „Classic 2019“ ein Mal im Kasino am Schwarzenbergplatz zu sehen. Mit DD Dorvillier haben die Tänzerin Elizabeth Ward und der Musiker und Techniker Nicolas Barrot, der allerdings nur für einige Minuten, auf der Bühne gearbeitet.

Der lange Titel klingt kompliziert: „No Change, or freedom is a psycho-kinetic Skill“. Hm? Übersetzt: „Keine Veränderung oder Freiheit ist eine psychokinetische Fähigkeit“.DD Dorvillier versucht die Kabel zu ordnen. Auch nicht verständlicher. Die Jahreszahl in Klammer verweist auf das Jahr der Uraufführung der Performance. Nachdem die zentrale Figur des Geschehens auf der, in der Mitte weiß ausgelegten, breiten, schwarzen Bühne im Kasino am Schwarzenbergplatz, DD Dorvillier, aus der Ruheposition aufgestanden und zu werken begonnen hat, beschließe ich, mich nicht mehr um den Titel zu kümmern, oder zu verstehen, was da vor sich geht. Einfach zu schauen, wie DD Dorvillier mit den Objekten, meterlangen Kabeln, sperrigen Mikrofongalgen, einem blauen Wasserkübel, Stofffetzen, den um den Knöchel gewickelten Jeans und dem schwarzen Vorhang kämpft und eine Beziehung eingeht, genügt. Elizabeth Ward darf nach ihrer langen Ruhepause richtig tanzen.

Elizabeth Ward bildet den Ruhepol der immer hektischer geführten Beziehung des Tanzkörpers mit den Objekten. Sie liegt lange Zeit elegant auf den Boden hingegossen, tanzt am Ende im weißen Kleidchen wie in Trance. Nicolas Barrot klimpert ein wenig auf dem schwarzen Klavier, das so lange unbenutzt an der Seite steht. Dorvillier verwickelt sich in die Kabel, das Mikro fällt ihr auf den Kopf, mühsam strampelt sie die Jeans hinunter, findet nur schwer aus dem schwarzen Oberteil heraus und tritt wütend auf den kleinen Plastikkübel ein. Mit einem Stift kritzelt sie auf den Boden und auf die Haut, unsichtbar bleiben die Zeichen. Außerdem regelt sie selbst das Licht und den Ton, zieht sich aus und wieder an, wechselt am Bühnenrand das Kostüm. Mit der blauen Kunststoffschürze über der Arbeitshose und dem dunklen Shirt erscheint sie mir als Bühnenarbeiterin, die ziemlich ungeschickt mit den Versatzstücken umgeht und keinerlei Ordnung hineinbringt. Dorvillier als Kapuzenfrau, Elizabeth Ward ruht im Vordergrund.Die Kabel tanzen hinter her, schlingen sich um den Hals, ihr riesiger Schatten erscheint auf der weißen Rückwand. Mit entschlossener, ernster Miene entfremdet die Tänzerin die Dinge ihrem eigentlichen Zweck. Das ist faszinierend und komisch zugleich. Es darf gelacht werden.

Und jetzt die offizielle Erklärung aus dem Programmheft: „Einerseits messen Dorvillier und ihre Performer*innen den Beziehungen zwischen Dingen, Körpern, Klang, Bewegung, Tänzer*innen und Publikum denselben Wert zu. Trotzdem aber steht der Klang im Vordergrund, weil sich mit ihm die ‚Bodenlosigkeit innerhalb eines chaotischen Terrains aus Zwischenräumen und -ereignissen‘ (Dorvillier) besser darstellen lässt“.

Also nein, klüger bin ich dadurch nicht geworden. Dorvillier gönnt sich eine kurze Pause.Der Klang übrigens setzt sich aus den verstärkten Arbeitsgeräuschen zusammen. Nicht übermäßig laut hört man ein Quietschen und Klopfen, Klappern und Rumpeln, falls man sich nicht nur auf den Tanz Dorvilliers konzentriert. Der ist nämlich konzentriert und exakt, anfangs gemessen und zögernd, später immer schneller, fast hektisch, als ob die Zeit drängen würde. Und im Finale: Nur noch Tanz, weich und schwebend, im grün-seidenen Kostüm. Zwischen Improvisation und Zum Finale: Tanz purexakter Choreografie kann ich keinen Unterschied sehen, falls es einen geben sollte.

Ich muss gestehen, dass ich dieses einstündige Stück diesmal genauso wenig verstanden habe wie vor 13 Jahren, aber spürbar mehr genossen. Muss man Tanz und Performance verstehen (man versteht ja auch die Welt nicht wirklich)? Doch ich kann dem Tanz auf der Bühne während und nach „No Change“ mitsamt meinen bescheidenen „psychokinetischen Fähigkeiten“ neue Aspekte abgewinnen.

DD Dorvillier / human future dance corps: „No Change, or „freedom is a psycho-kinetic Skill“ (2005). Konzept: DD Dorvillier. Performer*innen: DD Dorvillier, Elizabeth Ward, Nicolas Barrot. Lichtdesign: Thomas Dunn; Sounddesign: Seth Cluett; Kostüme. Kelly Horrigan, Jesica Beebe, DD Dorvillier. Technische Leitung: Nicolas Barrot. 4. August 2019, ImPulsTanz / Kasino am Schwarzenbergplatz.
Fotos: © Karolina Miernik