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Alexander Gottfarb: Negotiations / Verhandlungen

Unaufhörliche Performance Martyna Lorenc, Charlotta Ruth. © Kati Göttfried

Halbzeit für die Produktion des Choreografen und Tänzers Alexander Gottfarb, die seit 27. Jänner 2018 während der üblichen Geschäftszeiten hinter den großen Fenstern eines aufgelassenen Geschäftslokals in der Wiener Neustiftgasse stattfindet. In „Negotiations“ tanzen Tänzerinnen und Tänzer ohne Unterlass, die Türen stehen (zumindest jetzt, im Sommer) offen, man kann kommen und bleiben, so lange man will. Man darf gehen und wiederkommen, wann man will. Ein faszinierendes Unterfangen.

Esther Balfe: tanzen im Schaufenster. © Kati Göttfried10 bis 12 TänzerInnen pro Monat wechseln einander ab, bewegen sich drei Stunden lang im Raum, machen eine Mittagspause, wöhrend die (der) Nächste übernimmt. Die Vormittagsschicht wird fortgesuetzt, für eine Zeitlang hat sich das Solo verdoppelt. Ununterbrochene Bewegung, bis Geschäftsschluss, ob ein Gast da ist oder keiner. Weiter tanzen ist das Motto.
Zuschauer*innen, die zufällig hereinschneien und solche, die gezielt in das Ecklokal am Ulrichsplatz finden, sitzen auf den von der aufmerksamen Assistentin eiligst aufgestellten Hockern, wer Lust hat, schreibt sein Entzücken ins Gästebuch. Die Performer*innen tanzen.

Ein Semester lang haben Studierende der Akademie der bildenden Künste die Performance mit Papier und Zeichenstift begleitet und ihre Skizzen und Zeichnungen dann in einer Vernissage vorgestellt. Auch Fotograf*innen machen mitunter Halt in der temporären Filiale des Tanzquartiers, versuchen die Bewegungen festzuhalten.Am Schnittpunkt von Vormmittags- und Nachmittagsschicht  (Martyna Lorenc, Charlotta Ruth). © Kati Göttfried Vorübereilende werfen einen Blick durch die Auslagenscheibe, halten kurz inne, hasten dann weiter, oder drehen sich um, suchen den Eingang und gönnen sich eine Ruhepause mit Vorführung. Der Alltag, die Welt der Arbeitenden und der Stadtflaneure vermischt sich mit der Welt der Künstler*innen. Die Bühne samt Zuschauerraum ist nicht einmal so groß wie ein gewöhnliches Wohnzimmer – so nah sind Produzent*innen und Konsument*innen der Bewegung einander selten. Beide Seiten können, wollen, müssen Kontakt miteinander aufnehmen. In „Negotiations“ sind weder die Performer*innen durch eine vierte Wand geschützt, noch können sich die Zuseher*innen in der Menge des Publikums verstecken. Aug in Aug registrieren beide Seiten jede Bewegung, jedes Mienenspiel. Aufregend, anregend, fesselnd.

Ein Programmzettel steht auch zur Verfügung, auf dem wird erklärt, warum die Performance „Verhandlungen“ heißt. Aber es braucht kein intellektuelles Unterfutter, um die Solos oder Duos zu genießen. Soraya Emery, Esther Balfe im Hintergrund. © Kati Göttfried Auch wenn alle nach der gleichen Grundchoreografie tanzen, sieht doch jeder Auftritt ganz anders aus. Die gleiche Bewegung von zwei Tänzer*innen ist nicht dieselbe. So ganz aufgehen kann das außergewöhnliche Konzept für die einzelne Zuschauerin erst, wenn sie immer wieder kommt, unterschiedliche Performerinnen und Performer sieht und irgendwann das Grundmuster erkennt. Noch ist Zeit bis das Arbeitsjahr voll ist, also bis 26. Jänner 2019, täglich. Echt, Gottfarb hat tatsächlich „täglich“ gesagt, also auch an Sonn- und Feiertagen, zu Ostern und zu Weihnachten und sogar am Silvesternachmittag.

Negotiations“, Konzept und Choreografie: Alexander Gottfarb. Dramaturgie: Guy Cools; Licht: Peter Thalhamer; Musik: Guenther Berger, Sophie Augot, Alexander Gottfarb, Raul Maia.
Bis 26. Jänner 2019, täglich 10–18 Uhr, Neustiftgasse 31 als Filiale des Tanzquartiers.
Tänzer*innen: Sophie Augot, Esther Balfe, Alex Deutinger, Pawel Dudus, Soraya Emery, Alexander Gottfarb, Katharina Illnar, Nanina Kotlowsky, Martyna Lorenc, Raul Maia, Anna Maria Nowak, Patric Redl und Charlotta Ruth.