Skip to main content

Compagnie Kaefig: „Pixel“, Festspielhaus St. Pölten

Effektvolle Show. © Laurent Philippe

Das Festspielhaus St. Pölten präsentierte mit dem Stück „Pixel“ der französischen Compagnie Kaefig die letzte Arbeit der Reihe Tanz/Ballett der Saison 17/18. Unter der künstlerischen Leitung des 1973 als Sohn algerischer Einwanderer in Lyon geborenen Choreographen Mourad Merzouki war eine faszinierende Kombination aus Hip-Hop, Street Dance, zeitgenössischem Tanz, Zirkus und einer Video-Installation zu erleben, die die Grenzen zwischen Wirklichkeit und virtuellen Realitäten verwischte.

Tanz auf dem virtuellen Gitter. © Agathe PoupeneyDas Künstler-Duo Adrien Mondot und Claire Bardainne (Compagnie Adrien M / Claire B) gestaltete mit seiner auf eine transparente Bühnen-Rückwand und den Boden projizierten interaktiven Video-Installation aus graphischen Elementen und etwa fallenden Schneeflocken, wogenden Pixel-Wellen oder auch veränderlichen dreidimensionalen Gitterstrukturen auf dem Boden und Pixel-Wolken auf der Rückwand einen imaginären Bühnenraum, in dem sich die 10 Tänzer und eine Kontorsionistin (eine sogenannte „Schlangenfrau“) bewegten. Sie verformten die wie Luftblasen aufsteigenden Pixelströme mit Arm- und Körpergesten, schützten sich mit Regenschirmen vor dem fallenden Schnee, versanken in der Pixel-Gischt, tanzten in 3D-Pixelwolken oder suchten Halt auf einem virtuellen Bühnen-Boden.

Der Hip-Hop wurde für den in den von Rassismus, Exklusion, Arbeitslosigkeit und ärmlich-migrantischem Milieu geprägten Banlieues Lyons aufgewachsenen Merzouki schon früh zum Mittel, „Anerkennung dafür zu finden, wer man ist, und nicht, woher man kommt“. Die Tänzer, ein jeder mit eigener Charakteristik, präsentierten das Bewegungsmaterial jedoch auf eine von Aggression, Konfrontation und Provokation großteils befreite Weise, sodass neue, auch überraschend harmonische Sequenzen das Publikum zu Szenen-Applaus veranlassten. Tänzer im Flockenwirbel aus Pixel. © Laurent Philippe

Eine extrem bewegliche Kontorsionistin, die einzige Frau auf der Bühne, ein Artist mit einem sogenannten Cyr-Rad (Metall-Reifen von gut 2 m Durchmesser, Mono-Rad-Variante des Rhön-Rades) und ein sich geschmeidig-weich bewegender, tanzender Inline-Skater ergänzten die Performance zu einer atemberaubenden Traumwelt, die durch die von Armand Amar komponierte Musik zu einem Ganzen voller Energie und Poesie wurde.

Zirkuseinlage der Schlangenfrau. © Agathe PoupeneyDie schlichte Kostümierung in gedeckten Farben und nur wenige zusätzliche Bühnen-Accessoires (kleine ferngesteuerte Spielzeug-Autos bewegten kerzenartige Lichter über die Bühne) beförderten noch die magische Kraft dieser Inszenierung.

Zum Dank für den frenetischen Applaus des geradezu in Extase geratenen Publikums gab die Compagnie eine Zugabe, kurze Soli einzelner Tänzer, und erstmals an diesem Abend zu wirklicher Hip-Hop-Musik.

Ein Meisterwerk: verspielt, verblüffend, berührend!

Compagnie Kaefig: „Pixel“, Konzept, Choreografie und künstlerische Leitung: Mourad Merzouki; Konzept, Video-Projektionen: Adrien Mondot, Claire Bardainne; Originalmusik: Armand Amar. Festspielhaus St. Pölten, 8 Juni 2018.