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Arne Dahl: die 7 Weltwunder in Stockholm

Arne Dahl, das ist der schwedische Autor Jan Arnald, geboren 1963, und bei Krimifans vor allem durch die Arbeit des A-Teams bekannt. Doch die ist längst beendet, Dahl berichtet jetzt von der Nova-Gruppe. Ging es im ersten Band, Stummer Schrei, um Klimasünder und irregeleitete Aktivisten, so muss sich das Team im 2. Band mit Kunst und Künstlerinnen beschäftigen. Der neue Fall für Eva Nyman trägt den deutschen Titel Kaltes Fieber, die Originalausgabe heißt Underverken / Wunder.
Die Titelphilosophie mancher Verlage ist auch in diesem Fall undurchschaubar. Wunder oder Wunderwerke wäre eindeutig der sinnvollere Titel, denn es geht nicht um Fieber, kalt oder warm, sondern um Kunstwerke, ihren Sinn und auch Zweck. Sieben an der Zahl sind es, den meisten Schulkindern aus der griechischen Antike als die Sieben Weltwunder bekannt. Drei kann man sich meistens merken. Ich etwa kann den Tempel der Artemis, den Leuchtturm von Pharos und den Koloss von Rhodos nennen.
Die anderen vier kennt Wikipedia samt jeder Menge neuerer und moderner architektonischer und bildnerischer Wunder / Underverken.
Dieser Wunder hat sich ein Künstler bemächtigt, um sie in Stockholm nachzubauen. Als erster erscheint Zeus auf dem Gipfel Skinnarviksberget am Södar Mälarstrand. Lukas Frisell, ein Einzelgänger in der Nova-Gruppe, beobachtet die staunende Menschenmenge um die Statue und erkennt durch das Fernglas, dass sie einen sitzenden Gott darstellt, kalkweiß und kunstvoll gestaltet. Doch dieser, bald als Zeus erkannte, alte Grieche auf seinem mächtigen Thron ist keine gewöhnliche Replik der um 430 v. Chr. für den Zeustempel in Olympia von Meister Phidias aus Gold und Elfenbein geschaffenen Skulptur. Der sitzende Gott birgt ein Geheimnis. Zuerst aber muss geklärt werden, wer dieses neue Monument wann und vor allem wie auf den Berg gebracht hat. Danach kann sich das Team mit dem Warum beschäftigen, doch da wird schon das zweite Wunder gefunden. Im Sandkasten auf einem Kinderspielplatz. Bald ist klar, die Kunst ist kriminell.
Die Zahl sieben, eine Primzahl, eine ungerade Zahl, eine natürliche Zahl ist in allen Religionen und Gesellschaften mit Symbolik aufgeladen. Von der „bösen Sieben“, den sieben Todsünden, die von der katholischen Kirche aufgezählt werden, wollen wir lieber nicht sprechen. Prüfen wir doch ob wir unsere Siebensachen und auch alle sieben Sinne beisammen haben, dann fühlen wir uns im siebenten Himmel und holen die Siebenmeilenstiefel heraus, um den Nova-Polizistinnen hinterherzuhecheln – ich vermute, es sind sieben,
doch auf 400 Seiten Verbrecherjagd, wobei gar nicht klar ist, wem Sonja Ryd, Frisell, Annika / Ankan Stolt und Kolleginnen überhaupt nachjagen, verliert sich die eine oder andere leicht und es gibt kein Gruppenfoto vom vollständige Team der Eva Nyman. Ein Personenverzeichnis im Anhang könnte helfen.
Egal, zurück zur magischen Sieben : Im Judentum und auch bei den Christen hat die Schöpfung der Welt sieben Tage gedauert und auch das Nova-Team benötigt sieben Tage, bis alle Rätsel einigermaßen gelöst sind. Sieben nachgebaute Weltwunder auf sieben Plätzen in Stockholm, in der Nacht aufgestellt, ohne dass jemand etwas gesehen oder gehört hat. Und es werden auch Leichen gefunden werden,
schließlich ist die Nova-Gruppe nicht für die Kunst zuständig, sondern für die Verbrechen, auch wenn sie auf den ersten Blick von der Kunst verdeckt werden.
Lukas Frisell arbeitet im Alleingang, doch auch die anderen Ermittlerinnen unter Eva Nyman sind nicht gerade begeisterte Teamarbeiter. Es sind eigenartige Charaktere, die Dahl den Leserinnen liebevoll und detailreich nahebringt. Ebenso detailreich, liebevoll und auch poetisch schildert er den Herbst im waldreichen Stockholm, mit mildem Licht und peitschendem Hagel. Die Protagonistinnen tauchen in die schwedische Künstlerinnen- und Galerienszene ein, müssen sich mit den komplizierten Charakteren dort herumschlagen und kommen auf keinen grünen Zweig. Die einen nehmen Drogen, die anderen Aquavit, sie sprechen zu viel oder gar nicht und halten es auch mit der Wahrheit nicht so genau. Und irgendwann gerät auch der renommierte Kunstkenner und Frauenheld Haussmann unter Verdacht.
Arne Dahl schreibt Kriminalromane für Anspruchsvolle. Die Handlung verzweigt sich immer mehr, die Spuren führen zu aktuellen gesellschaftlichen und politischen Problemen, ohne dass der Autor den Zeigefinger hebt oder die Leserinnen mit Kommentaren belästigt, man muss schon selber mitdenken, um die Aktualität des Spannungsromans zu entdecken. Überdies schließt Dahl auch an den ersten Fall von Eva Nyman, Stummer Schrei (I cirkelns mitt / Ich bin mittendrin) an. Man muss ihn nicht gelesen haben, doch falls man den Inhalt noch einigermaßen im Kopf hat, sind manche Bezüge leichter zu entschlüsseln. Also den zweiten Fall nicht gleich verborgen, denn der dritte folgt mit Sicherheit.
Die neue Krimiserie von Arne Dahl,
aus dem Schwedischen von Kerstin Schöps:
Kaltes Fieber, Ein neuer Fall für Eva Nyman / Underverken, 416 Seiten, Piper 2025. Paperback, € 17,50. E-Book: 14,99.
Stummer Schrei, Eva Nymans erster Fall / I cirkelns mitt, 464 Seiten, Piper 2024, Paperback € 17,50, Taschenbuch: € 13,40, E-Book: 4,99.