Skip to main content

Tanz des Ungehorsams und als Wagnis

„Vorwärts Marsch“ für das Ballet of (Dis)Obedience. © Nightfrog/WDR

Im Gegensatz zum ORF, dessen Kulturverständnis bei Miss Marple anfängt und bei Rosamunde Pilcher endet, hat ARTE tatsächlich Sinn für Kultur und dazu gehören auch Tanz und Ballett. Am Sonntag, 14. April, öffnet sich zu später Stunde der Vorhang für eine Dokumentation über die Choreografin Carolyn Carlson und ihre Sicht über die Aufgaben und Wirkung von Tanz. Danach ist der wundersame Choreograf Richard Siegal mit seiner Kölner Compagnie, Ballet of Difference, an der Reihe. Siegals jüngstes Werk, Ballet of (Dis)Obedience / Ballett des (Un)Gehorsams, ist einmal via Fernsehen zu sehen und bleibt auch eine Weile online in der ARTE-Mediathek.

Carolyn Carlson im Gespräch mit dem Fotografen John Davis © OM_DP Portrait & Cie Die Tänzerin / Choreografin Carolyn Carlson, die auch malt, schreibt und dichtet, hat auch mit 81 Jahren ihre Schaffenskraft nicht verloren. Sie zählt als führende Vertreterin des Modern Dance seit Jahrzehnten zur ersten Riege der Tanzwelt. Ihre Vita zeigt, dass sie sich überall auf der Welt zuhause fühlt. Geboren ist sie 1943 in Kalifornien, die Eltern stammen aus Finnland. Gearbeitet hat sie in Finnland und Schweden, in Italien und in Frankreich, wo sie lebt. Die Tänzerin und Choreografin Carolyn Carlson  im Ballettsaal. ©  Ausschnitt aus der Dokumentation von Damian Pettigrew / TDF 2022ihre Karriere als Choreografin und Compagnie-Direktorin ist mit zahlreichen Preisen gepflastert. In Frankreich wurden die höchsten Orden verliehen, sie ist Commandeure de l’ordre des Arts et des Lettres und auch Commandeure de la Légion d’honneure.
Der renommierte kanadische Filmemacher Damien Pettigrew hat sie über mehrere Jahre begleitet, um ihr ungebrochenes Wirken zu dokumentieren. Carlson gewährt ihm einen beispiellosen Zugang zu ihren laufenden Projekten und ihrem persönlichen Archiv. In einer Mischung aus intimen Probenszenen, schillernden Tanzsequenzen, Selbstaussagen und O-Tönen ihrer Weggefährten beleuchtet das aktuelle Porträt eine außergewöhnliche Karriere als Choreografin, Compagnie-Leiterin und Pädagogin.
Ausnahme-Choreograf Richard Siegal.© Ballet of DifferenceNach Mitternacht tritt Richard Siegals 2016 in Köln gegründete Company, Ballet of Difference, auf die Bühne und zeigt ein Ballett des (Un)Gehorsams / Ballet of (Dis)Obedience. Der amerikanische Choreograf (* 1968) macht es sich und seinen Tänzerinnen zur Aufgabe, neue Formen des zeitgenössischen Tanzes zu erforschen. Damit kann er immer wieder von neuem überraschen. Von 1997 bis 2004 hat er im Ballett Frankfurt von William Forsythe getanzt und gleichzeitig begonnen mit Regeln und Modellen aus der Informatik zu arbeiten, um Choreografien und die Interaktion der Tänzerinnen auf der Bühne zu strukturieren. Dies führte zur Entwicklung eines speziellen choreografischen Systems, der „If/Then“-Methode, die auf großes internationales Interesse stößt. Die Geometrie der Körper und die Stimme der Tänzerin. (Ballet of Difference, Nazareth Panadero) © Thomas Schermer Für das Ballett des (Un)Gehorsams wendet Siegal die japanische Methode des .Shuudan Koudou an, mit der er sich bereits 2013 für sein Stück UNITXT (2013 mit dem Bayerischen Staatsballett und als Gastspiel im Tanzquartier) beschäftigt hat. Perfektes Synchrongehen: Shuudan Koudou. © youtubeIm August 2022 reist er mit seiner gesamten Kompanie nach Japan, um die Technik des Shuudan Koudou (Japanese Pression Walking) zu studieren und mit den Tänzerinnen zu erlernen. Das aus diesen Studien entstandene Ballett konzentriert sich auf das Verhältnis des Individuums zum Kollektiv, zugleich auch jenes der mitteleuropäischen Gesellschaft zur ostasiatischen.Ballet of (Dis)Obedience: Die synchronen Bewegungen im Raum. © Nightfrog/WDR Zwischen den Schritten tanzt auch die Begegnung der klassisch ausgebildeten Balletttänzerinnen aus Köln mit den japanischen Shuudan-Koudou-Studentinnen mit. Die streng synchronisierten Gruppenchoreografien des Shuudan Koudou verblüffen in ihrer radikalen Stringenz und sind nicht zuletzt wegen ihres eigentümlich subtilen Humors zu einem heimlichen YouTube-Hit geworden. Das „Ballet of (Dis)Obedience“ spielt sich in einer ungewöhnlichen Umgebung ab – außerhalb des gewohnten Bühnenraums. © Nightfrog/WDRSiegal erkennt in der extremen Disziplinierung der Körper eine Analogie zur Trainingspraxis des klassischen Balletts, ergänzt aber die Choreografie durch den Text Ein Bericht für eine Akademie von Franz Kafka, rezitiert von der ehemaligen Tänzerin im Tanztheater Wuppertal Nazareth Panadero. Überdies sind auch die üblichen Befehle des Shuudan Koudou zu hören. Siegals Ballet of (Mis)Obedience, eine Produktion von Schauspiel Köln und Tanz Köln, ist am 24. März 2023 in Köln uraufgeführt worden.

Tanz in ARTE und auf ARTE.tv
Carolyn Carlson: Tanz als Wagnis, eine Dokumentation von Damian Pettigrew. TV-Ausstrahlung: 14.4. 2024, 23.45 Uhr. Online verfügbar 14.4. bis 29.6.2027
 Ballet of Difference am Schauspiel Köln : Ballet of (Dis)Obedience. Choreografie und Bühne: Richard Siegal.
Musik: Alva Noto; Erzählerin: Nazareth Panadero. TV-Ausstrahlung: 15.4., 0.40 Uhr. Online verfügbar 14.4. bis 12.7.2024.