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Groteske Komödie: L. O. Burnacini / Theatermuseum

Burnacini: Faschingswagen mit Trophäen aus dem Schlaraffenland.

Arlecchino schlägt Purzelbäume, El Capitano Magnifico stolziert auf der Suche nach verführbaren Damen umher, auch Pantalone, Dottore und Pulcinella drehen sich im komödiantischen Reigen, zum Finale tanzt Arlecchino mit dem Tod, macht sich selbst zum Herrscher, dem niemand entkommt, nicht Kaiser, König, Edelmann, nicht Bürger, Bauer, Bettelmann und alle *innen dazu. Zu sehen sind sie alle, die Figuren der Commedia dell’arte, im Film und als lebensgroße Puppen, samt Zeichnungen und Entwürfen in der Ausstellung der Arbeiten des Malers, Grafikers Kostüm- und Bühnenbildners Lodovico Ottavio Burnacini im Theatermuseum.

Tierballett, kolorierte Zeichnung im Besitz des Theatermuseums.Burnacini (1636–1707) hat in seinem 55jährigen Wirken in Wien drei Kaiser begeistert und noch mehr des schaulustigen Volks. Sein Ruhm als Bühnenbildner verbreitete sich dank der Stiche in den Libretti der von ihm ausgestatteten Opern weltweit, doch blieben die meisten Originale lange Zeit in der Sammlung des Theatermuseums verborgen. Die 400 Handzeichnungen – 125 Blätter werden in der Ausstellung präsentiert – sind so faszinierend detailreich ausgeführt und haben bis heute nichts an ihrer Farbintensität eingebüßt. Ein Vergnügen, sie zu betrachten. Nicht nur fürs Theater hat Burnacini gearbeitet, sondern auch als Satiriker. Seine kolorierten, grotesken Zeichnungen stehen mit der Commedia dell’arte und den barocken Faschingsumzügen und Festen in enger Verbindung. Antonia Munaretti: Rekonstruiertes Kostüm des Arlecchino, nach einem Entwurf von Burnacini 2018. Sammlung Porto Arlecchino © Luca Fantinutti 2019Burnacini legt seiner Fantasie keine Zügel an: In der grotesken Komödie mischt sich die höfische Welt mit dem Leben der Bürgerinnen und Arbeiterinnen, höllische Visionen tauchen in Straßenszenen auf, Männer werden zu Frauen, Kinder zu Erwachsenen und Zwerge sind bei Burnacini Riesen. Der Künstler verfremdet die Gesichter durch Masken, verformt Nasen und Torso, „sein Augenmerk gilt ganz und gar der Verformung, der Narrheit der Verballhornung der Wirklichkeit – es ist ein Siegeszug der Fantasie“, schreibt Kurator Rudi Risatti im eindrucksvollen, farbintensiven Bestandskatalog 2019 des Theatermuseums.
Burnacini: Springender Capitano.Risatti, der schon 2016 an der großen Ausstellung „Spettacolo barocco! Triumph des Theaters“ im Theatermuseum beteiligt war und gezeigt hat, dass auch alte Stiche und Zeichnungen lebendig werden können, hat mit viel Liebe eine bezaubernde, amüsante und lebendige Ausstellung konzipiert, die Gerhard Veigel ebenso lebendig und unterhaltsam gestaltet hat, Veigel arbeitet regelmäßig mit dem Theatermuseum zusammen, erinnerlich ist mir doch die bemerkenswerte Ausstellung „Mit diesen zwei Händen. Die Bühne des Richard Teschner“, von 2013, die Veigel gestaltet hat. Auch diese war, wie die bunten Arbeiten von Lodovico Ottavio Burnacini, ein Genuss, so recht geeignet, um wieder einmal in die lateinische Schatzkiste zu greifen: prodesse et delectare / nützen und unterhalten können auch Ausstellungen.
Auch das, in Kooperation mit dem italienischen Kulturinstitut konzipierte, umfassende Begleitprogramm kann zu einem Besuch verlocken. Es ist in Kooperation mit dem italienischen Kulturinstitut entstanden und findet zum Teil auch dort statt. Amme mit Pulcinellas Kindern.Neben der Schauspielerin, Commedia dell’arte- Expertin und Leiterin Werkstatt und Archiv „Porto Arlecchino“ in Pordenone, Claudia Contin Arlecchino, die in den oben beschriebenen Filmszenen als verkörperte Commedia tanzend und spielend zu sehen ist, wirkt auch die italienische Schauspieltruppen Bottega Buffa CircoVacanti aus Trento mit, die ihre Kostüme nach Burnacinis Entwürfen rekonstruiert haben und Spezialisten für die Masken der Commedia dell’arte sind.
Als Begleiter eignet sich der bunte Bildband zum Thema weniger, er ist mit zahlreichen qualitativ hochwertigen Abbildungen und mehr als 300 Seiten zu schwer. Doch als Lektüre zu Hause wird er zum Schatz. Zuviel kann man über das europäische Phänomen Commedia dell’arte gar nicht wissen, und Burnacinis Bilder zu studieren und zu erfahren, wie sehr der Künstler bis heute die Maskeraden beeinflusst, bringt nicht nur die Augen zum Staunen.

Lodovico Ottavio Burnacini: „Groteske Komödie“, kuratiert von Rudi Risatti.
 Alte Arlecchina mit Katzenwelpen und Narr. 8. Oktober 2020 bis 12. April 2021, Theatermuseum, täglich außer Dienstag 10–18 Uhr.
Bilder: © KHM Museumsverband.
Rudi Risatti (Hg.): „Groteske Komödie – in den Zeichnungen von Lodovico Ottavio Burnacini (1636–1707)“, Bestandskatalog des Theatermuseums 2019. KHM Museumsverband, die Autor*innen und Hollitzer Wissenschaftsverlag, 2019. 354 Seiten. € 40 im Museumsshop.