Skip to main content

Corinne Eckenstein: Erfolgreiches Saisonende

Zeitsprünge: Stefanie Sternig, Marco Payer . © Bernhard Wolf

Als Doppelabend hat die künstlerische Leiterin des Dschungel – Theaterhaus für junges Publikum, Corinne Eckenstein, die letzten Premieren in dieser Saison am 11. Juni gestaltet. Nach „Wann ist morgen?“ und „Die fabelhafte Welt von Klaus“, beide Stücke für Zuschauer*innen ab 6, kann schon vor dem Saisonschluss samt „open Floor“ für Bewegungsmotivierte am 27. Juni gesagt werden: Auch diese dritte Saison der ambtionierten Intendantin des Dschungel war erfolgreich.

Wenn morgen noch lange nicht ist, tut eine Ruhepause gut (Marco Payer, Stefanie Sternig). © Bernhard WolfDie beiden jüngsten Premieren mögen als Beispiel für das reiche und vielfältige Bühnenprogramm im Dschungel hervorgehoben werden. Das noch junge Kollektiv Kunststoff (Plastik ist mit dem Namen nicht gemeint), hat bereits mit dem ersten Stück „Messer Gabel Schere Licht“ (2016/17) für Winzlinge ab 3 gezeigt,  dass junges Publikum ernst genommen wird. In „Wann ist morgen?“ lassen Raffaela Gras (Konzept und Choreografie) und die Darstellerinnen Marco Payer, Stefanie Sternig und Susanna Peterka über das Warten, die Zeit und was im Warteraum so alles passieren kann, wenn die Minuten zu Stunden werden, nachdenken. In einem fantasievollen, ungemein ästhetischen Bühnenbild von Hanna Hollmann bewegen sich die Wartenden, Es regnet Zeitpunkte  (Payer, Sternig, Susanne Peterka).  © Bernhard Wolf tanzen und turnen, singen und unterhalten die Zuschauer*innen mit allerlei Überraschungen und schaffen es auch, ihre Ruhepause akrobatisch zu gestalten. Eine Premiere deckt allerdings oft, noch so manchen Leerlauf, mögliche Redundanzen und Lücken auf. In den Folgevorstellungen, und das sind im Dschungel ganz selten die üblichen drei, sondern viel mehr, oft mit einer Wiederholungsserie, können Verbesserungen und Straffungen vorgenommen werden. Nur aus Fehlern kann man lernen, sie dürfen, sie müssen sein.

In der fabelhaften Welt spannt das fröhliche  Gummiband Gummi-Hürden im Museumsquartier. © Laurent ZieglerKompakt, spannend und für mich fehlerlos gestaltet das Kollektiv Klaus seine „Fabelhafte Welt“. Die sechs akrobatischen Tänzerinnen – Manuela Deac, Welmoed Kollewijn, Anne Megiér, Ella Necker, Julia Riederer und Gabi Seeleitner – sind eigentlich belebte, doch überaus konkrete Objekte: Brot und Gummiband, Spiegel und Matratze, Fahne und Walfisch im / mit Goldfischglas. Der Wal im Goldfischglas sucht das Meer,  Brot und Fahne und die anderen freundlichen Dinge gehen (tanzen, klettern, spielen und suchen) miAlles ist möglich in der fabelhaften Welt von Klaus. Eine Nixe, ein Fisch oder gar der Wal auf Wanderschaft? Auf jedenfall mit Goldfischglas. t. Das Publikum folgt der seltsamen Karawane. Aus dem Dschungel hinaus in die weite Welt des Museumsquartier, in den Wald, Stiegen rauf, Stiegen runter, bis das große Wasser erreicht ist. Dabei erklingt Musik, das Brot hängt in den Ästen und singt, der Spiegel windet sich im Staub, weil ihn niemand beachtet, und das Gummiband lässt Hürden entstehen, die überstiegen oder, wenn die Knie nicht mitmachen, durchschlüpft werden müssen. Unter dem goldenen Flügel der schwingenden Fahne wird allerlei Schabernack getrieben, und wenn das Goldfischglas samt dem (unsichtbaren) Wal endlich auf dem Wasser schaukelt, hat das Publikum eine intensive, kompakte Vorstellung mitgemacht und sechs nimmermüde, engagierte Darstellerinnen gesehen.

So ist das im Dschungel, vieles gelingt perfekt, an manchem muss noch gearbeitet werden, die Türen sind offen für junge Talente und erfahrene Bühnenkünstler*innen, für Tänzer*innen, Schauspieler*innen, Solisti*innen und Gruppen, für bewegte Körper und klingende Stimmen in allen Sprachen, und natürlich für ein Zusammenspiel sämtlicher darstellerischer Möglichkeiten auf der Guckkastenbühne, in der Arena oder unter dem Himmel, selbst wenn es regnet. In der Saison 2017/18 sind 500 Vorstellungen mit einer durchschnittlichen Auslastung von 82, 77 % dokumentiert. Die aktuelle Saison wird ein ähnliches hohes Ergebnis zeitigen. Ich erwähne jetzt nicht die publizierte Auslastung des Volkstheaters, wofür sich Verantwortliche und Medien offenbar mehr interessieren als für das theatrale Angebot an junges Publikum. Da wartet man lieber, bis dieses ausgewachsen ist und im "echten" Theater sitzt. Dass auch im Dschungel das, was auf der Bühne passiert – Theater, Tanz, Performance oder Musik, Gastspiele oder Eigenproduktione, Freie Gruppen oder junge Solist*innen – immer echt ist, wird übersehen.

Corinne Eckenstein, Intendantin im Dschungel Wien. ©  Franzi KreisAuch in ihrer dritten Saison hat Corinne Eckenstein erfüllt, was sie sich als künstlerische Leiterin vorgenommen hat: „Alles ist möglich“, nicht nur gespanntes oder vergnügtes Konsumieren, sondern auch teilnehmen, mitmischen, trainieren, sich entwickeln, ob in Workshops oder den Theaterwild:Werkstätten, im Theater:Klub für Theaterbesessene am 15, in der offenen Werkstatt, dem open Floor oder mit Try Out!, einer residency für drei Performerinnen (oder Gruppen), die professionellen Künstler*innen aus den Bereichen Tanz, Performance, Musik und bildende Kunst unabhängig von Herkunft, Ausbildung und Erfahrung eine Möglichkeit bietet, sich mit Kunst für junges Publikum auseinanderzusetzen. "Pip" eine faszinierende Performance der Gewinnerin des TRY OUT!/artists-in-residence-Wettbewerbs 2018, © Rainer Berson
Im Programm von Corinne Eckenstein ist konkretisiert, dass „zeitgenössische Projektideen mit einem entweder sehr körperlichen und musikalischen Ansatz oder der Auseinandersetzung mit Objekten beziehungsweise Material für alle Altersgruppen zwischen drei und 16 Jahren“ gesucht werden.. „Interdisziplinäre Projekte aus den Bereichen darstellende und bildende Kunst und schräge Performances – wild, subversiv, anarchisch“ sind erwünscht!. Am Ende der Residenz werden im Rahmen des Theaterwild:Festivals die Kurzstücke einer Jury vorgeführt. In Koproduktion mit dem Dschungel Wien wird eine ausgewählte Produktion zu einem abendfüllenden Programm ausgearbeitet. Nicht nur die zuletzt gesehene Produktion „Pip“ (von und mit Emmy Steiner), hat gezeigt, dass diese Plattform ein funktionierendes Trampolin ist, von dem junge Frauen und Männer in die Öffentlichkeit springen können.

immer wieder sehe ich im Dschungel gute, ja sogar sensationelle Vorstellungen, weder kindisch noch langweilig, nicht belehrend und manchmal, zum Schrecken vieler Lehrer*innen, sogar richtig aufmüpfig und keck, Theater, das Kindern und jungem Publikum Mut macht, "Über uns nur der Himmel" mit dem Koehne-Quartett. Eine Eigenproduktion des Dchungel als aufregendes Erlebnis. Uraufführung im Herbst 2018. Konzept: Corinne Eckenstein; Regie: Eckenstein und Sanja Tropp-Frühwald. Herbst 2018. © Rainer Berson.das Selbstbewusstsein stärkt und sich auch, passend zur Altersstufe, auch mit allgemen relevanten Themen und Fragen auseinandersetzt. Gastspiele und Koproduktione in allen Sparten inbegriffen.
Kritisches Zusehen und ernsthaftes Rezensieren sind kein Hindernis, mich gut zu unterhalten und mitunter sogar Neues zu erfahren. Professionalität und Aktualität vieler Stücke im Dschungel, in dem auch Gastspiele zu sehen sind und Kooperationen mit Festivals stattfinden, der im Dschungel auftretenden oder koproduzierten Gruppen und Solist*innen, kann sich durchaus mit dem messen, was in sogenannt großen Häusern nur für Erwachsene geboten wird. Dass Theater für junges Publikum weder den Medien noch Stadt und Land Wien und möglichen Sponsor*innen ein echtes Anliegen ist, scheint mir recht kurzsichtig. Aus Kindern werden Leute …

Kollektiv Kunststoff: „Wann ist morgen?“, Uraufführung: 11.6. Reprisen: 12.–15.6.1016, Dschungel Wien.
Kollektiv Klaus: „Die Fabelhaft Welt von Klaus“, Konzept & Regie: Natalie Campbell, Sarah Schachner Nedherer. Uraufführung 11.6. Reprisen: 12.–15.6.2019. Dschungel Wien.
Dschungel Wien Theaterhaus für junges Publikum: Künstlerische Leitung & Geschäftsführung: Corinne Eckenstein. Kaufmännische Leitung & Geschäftsführung: Alexandra Hutter. Dramaturgie & Assistenz der künstlerischen Leitung: Marianne Artmann. Technische Leitung: Hannes Röbisch. Sowie das Team für Presse & Kommunikation, Kunstvermittlung, Technik und Publikumsservice.