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Katrine Engberg: „Blutmond“, Krimi

Katrine Engberg. © Les Kaner / salomonossonsagency.se

Katrine Engberg ist in ihrem Heimatland Dänemark schon mit ihrem ersten Kriminalroman, „Krokodilwächer“, taxfrei zur Krimi-queen erhoben worden. Allerdings konnte ich diese Krönung nicht unterschreiben. Zweimal habe ich probiert, das Erstlingswerk zu lesen, doch bis zum Ende habe ich nicht durchgehalten. Jetzt ist auch der Nachfolger übersetzt, und „Blutmond“ zeigt, dass Engberg, geboren 1975 in Kopenhagen, lernfähig ist. Zwar langweilt auch dieser zweite Band mit unnötigen Details wie die Erwähnung, dass die Handbremse angezogen und ein Brot belegt wird, aber er bietet auch Spannung und mit der Welt der Haute Couture und des Kapitals ein schillerndes Ambiente.

Auch Kopenhagen kann sehr kalt sein. Ermittler Jeppe Kørner, den die Leserinnen, wie seine Partnerin Annette Werner, aus „Krokodilwächter“ bereits kennen, spürt den dänischen Winter besonders unangenehm, ist er doch eben erst aus einem Australien-Urlaub zurückgekehrt. Eine Mordserie hält Kopenhagen in Atem. © https://www.diogenes.ch/microsites/engberg.htmlDie Erholung verschwindet abrupt, in Østerparken liegt ein Toter. Es ist kein Obdachloser, wie die Polizei anfangs glaubt, sondern der bekannte Modedesigner Alpha Bartholdy. Nur wenige Stunden vor dem qualvollen Tod durch ein ätzendes Reinigungsmittel im Cocktailglas Der Ørstedspark in Kopenhagen, wo im tiefen Winter in einer Schneewächte die erste Leiche gefunden wird. © gemeinfrei, wikipediahat er im Geologischen Museum die Eröffnung der Copenhagen Fashionweek gefeiert. Verdächtige gibt es genug, die wirklich und die scheinbar Reichen, die Erfolgsgewohnten und die Medienberühmtheiten sind bestens vernetzt, und alle haben sie dunkle Flecken auf ihren Westen. Auch Jeppes Jugendfreund, Johannes, fällt darunter. Er hat mit Bartholdy ein Verhältnis gehabt und ist verschwunden. Der Ehemann des verhafteteten Johannes versinkt in Trauer, Jeppe glaubt krampfhaft an die Unschuld des Freundes. Immer mehr Verdächtige nehmen Jeppe und Annette ins Visier, doch die Beweise fehlen. Der Finanzhai, die Wahrsagerin, der von seiner Frau verlassene Vater, Johannes, der auf windige Finanzspekulationen hereingefallen ist, sie alle könnten ein Motiv haben: Rache.

Annette Werner ist mit ihrer Gesundheit beschäftigt, misst im Minutentakt ihren Blutdruck, wagt es nicht, zum Arzt zu gehen. Bei totaler Mondfinsternis beleuchtet die Sonne den Mond blutrot.  © Foto von  Alfredo Garcia Jr.Jeppe tritt auf der Stelle und entschließt sich endlich, mit seiner Freundin Esther de Laurenti, einer einst bekannten Autorin von Kriminalromanen, Kontakt aufzunehmen. Schon im Fall des „Krokodilwächters“ hatte sie wertvolle Tipps parat und auch jetzt, nachdem sich die Giftanschläge häufen, scheint ihr Umweg zum richtigen Ziel zu führen.

In der Erzählung der eine Woche, rund um eine totale Mondfinsternis, dauernden Ermittlungen nimmt Engberg unterschiedliche Perspektiven ein, nicht nur Jeppe und Annette blicken auf das Panorama, auch Verdächtige und auch die Gedanken des nicht identifizierbaren Mörders / der Mörderin werden als Zwischenbemerkungen mitgeteilt. Das macht die Geschichte einerseits spannend, andererseits auch verwirrend. Die minuziösen Details, mit denen Engberg jede Szene anreichert, bremsen unnötig den FShowdown im Østervold Observatorium von Kopenhagen. ©  Guillaume Baviere,  wikimedia, gemeinfreiluss der Erzählung, statt die Handlung voranzutreiben; einige akribisch verbreiterte Nebenstränge haben mit der Handlung gar nichts zu tun. Dass sich Esther Laurentis alter Nachbar das Bein bricht und ihr mit seiner grantigen Unbeholfenheit auf die Nerven geht, muss ich wirklich nicht wissen. Zu meinem Glück hat Esther mit dem Rotweintrinken aufgehört, und ich muss nicht mehr die Gläser billigen Weins aus dem Karton zählen, die sie während der Ermittlungen im Fall des Krokodilwächters hinuntergeschüttet hat.

Katrine Engberg: "Blutmond", Cover. © Diogenes VerlagDiese ausufernde Liebe zum Detail entpuppt sich am Ende als Handicap. Jetzt hat es die Erzählerin auf einmal eilig, zaubert einen Täter aus dem Zylinder und lässt die so eifrig gesponnenen Fäden in der Luft hängen und alle Verdächtigen von der Bühne verschwinden, um die überraschende Lösung zu servieren. Doch ich darf auch Schmunzeln, denn Annette Werner hat ebenfalls eine Überraschung bereit. Diese leisen Ansätze von Humor machen Engbergs Roman sympathisch, auch wenn der „Thriller“ im Untertitel etwas übertrieben ist, „Kopenhagen Krimi“ träfe den eher gemütlich als rasant konstruierten Roman besser.

Katrine Engberg: „Blutmond – Ein Kopenhagen Thriller“, „Blodmåne“, aus dem Dänischen von Ulrich Sonnenberg, Diogenes 2019. 480 S. € 24,70. E-Book: € 20,99.