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Franz Hohler: „Fahrplanmäßiger Aufenthalt“

Franz Hohler, Autor und Kabarettist. @ Luchterhand

Den Schweizer Autor Franz Hohler zu preisen, ist schwierig. Es ist bereits alles gesagt über den Poeten und Humanisten. Auch wenn der Preisregen überwiegend in seiner Heimat auf ihn herunterprasselt, so ist Hohler auch in den Nachbarländern kein Unbekannter. „Fahrplanmäßiger Aufenthalt“, eine Sammlung von Kurzprosa, Erdachtes und Erlebtes, findet den besten Platz neben dem Bett. Vor dem Einschlafen eine der kurzen Erinnerungen, Beobachtungen oder Kopfgeburten zu genießen regt zum Schmunzeln oder auch zum Nachdenken an, schlaflos machen Hohlers Texte jedoch nicht.

„Fahrplanmäßiger Aufenthalt“, ein Buchtitel als Programm. Franz Hohler frönt seiner Leidenschaft, dem Umherspazieren und genau Schauen. © Videoausschnit,  Luchterhand LiteraturverlagEs geht ums Reisen, mit dem Regionalexpress oder einfach per pedes, oder mit dem Boot auf einem Bergsee. Da hört sich der Spaß aber auf, denn das Boot ist voller Flüchtlinge, auch auf der Autobahn sieht der Autor sie wandern, Scharen von Flüchtlingen. Das Thema Flucht und Migration lässt Hohler nicht los, auch in der Schweiz werden die vielen, die eine neue Heimat suchen, nicht so freudig und liebevoll aufgenommen, wie sie es sich erträumt haben. Doch Franz Hohler verfolgen die Heimatlosen in seinen Träumen.
 Hohler ist nicht nur Schriftsteller, Liedermacher, Kabarettist und Menschenfreund, er ist auch Mahner und Lehrer. Was einem Jüngeren nicht anstünde, ist dem Schweizer Altmeister, bald wird sein 80. Geburtstag gefeiert werden, sehr wohl erlaubt. Die Leserin ist ein wenig verstört, fühlt sich ertappt und  Olten, wo Hohler seine Jugendjahre verbracht hat. Im Bild: Die Altstadt mit der Holzbrücke über die Aare. © Roland Zumbuehlgönnt sich als Dessert den Schalk Franz Hohler, der manchmal für Max Frisch gehalten wird oder für den um neun Jahre älteren Adolf Muschg. Die Schweiz ist neben Uhren und Schokolade auch ein Land der Dichter. Wer hätte das gedacht. Hohler ist in Olten aufgewachsen, und diese Stadt im Kanton Solothurn ist ein guter Nährboden für Kunst und Wissenschaft, ist in Olten doch nicht nur der Afrikaforscher Werner Munzinger (ein Spross der berühmten Solothurner Mun­zinger-Dynastie) geboren, sondern rund hundert Jahre später auch sein Biograf , der unnachahmliche Schriftsteller Alex CapusFankfurter Buchmesse 2017: Hohler stellt seinen neuen Roman "Das Päckchen" vor. © Videoausschnitt /  Luchterhand , aufgewachsen. Capus (als Sohn eines Franzosen wird sein Name französisch, kapü, ausgesprochen) hat Olten bis heute die Treue gehalten, Hohler lebt in Zürich. Doch beiden ist akustisch auf dem Oltener Schriftstellerweg zu begegnen, wo sie in acht Stationen ihre Geschichten vorlesen. Hohler bekennt, dass er gerne Dichter ist; Olten ist gerne Dichterstadt und daher werden Besucher*innen auf eine weitere Literatour eingeladen, den Quai Cornichon. Dort sind sämtliche Preisträger der Oltener Kabarett-Tage versammelt. Buchcover: "Fahrplanmäßiger Aufenthalt", © Luchterhand VerlageKlar, dass Franz Hohler das Gurkerl (Cornichon, französisch für Essiggurkerl, auch Spinner, Wirrkopf) längst erhalten hat, nämlich 1990. 2008 hat er den „Salzburger Stier“, den Kleinkunstpreis der deutschsprachigen Radioanstalten, für sein Lebenswerk entgegennehmen dürfen. Doch damals war das Lebenswerk des Franz Hohler noch lange nicht beendet, und weil Hohler gern „ein lebender Dichter“ ist, wie er in der letzten Geschichte im aktuellen Band, „Dichterleben“, sagt, wird es auch noch lange unvollendet bleiben, das Lebenswerk des Franz Hohler.

Franz Hohler: „Fahrplanmäßiger Aufenthalt“, Kurzprosa, Luchterhand 2020. 112 Seiten. € 18,50. eBook: € 13,99.