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Viennale ‘16, das Wiener Filmfestival

Der Frankenstein-Komplex © Viennale

Das hört man gern: Die Künstlerin Patti Smith liebt Wien und auch die Viennale. In diesem Jahr gibt sie nicht nur ein Konzert im Gartenbaukino, sondern zeigt auch 28 ihrer Fotografien im Metro Kinokulturhaus. Im Übrigen bietet das 54. Filmfestival, zwischen 21. Oktober und 2. November 2016, was wir gewohnt sind: Filme, Filme, Filme, kurz oder lang, erzählend oder dokumentierend, Tributes, Retrospektiven und einige Spezialprogramme. Das umfangreiche Rahmenprogramm mit Diskussionen, Lesungen und künstlerischen Interventionen gehört auch dazu, sowie das Festivalzentrum auf der Dominikanerbastei mit Party und Konzert bis zwei Uhr früh.

Ein Blick auf die Fassade des Hotels InterContinental, wo das Festival während der heißen 14 Tage den 9. Stock beherrscht, lohnt sich. Dort hängt nämlich Harold Lloyd über der Lothringerstraße an den Zeigern einer riesigen Uhr. Eine Intervention der Künstlergruppe Steinbrenner / Dempf & Huber, eine Erinnerung an den Stummfilmklassiker „Safety Last! (Ausgerechnet Wolkenkratzer!)“ aus dem Jahr 1923. Harold Lloyd vor dem Absturz, Filmausschnitt © Viennale
Lloyds Doppelgänger bleibt rund ein Jahr hängen, ohne zu fallen. Anders als im Film, wartet kein Mädchen im Brautkleid auf ihn. Titel der Fassadenskulptur: „Sign Of The Times“. Das filmische Orignal ist auch zu sehen: am 23. Oktober ist im Metrokino. Oft zitiert und parodiert ist „Safety Last!“ ein Klassiker des Stummfilm-Humors.

Der Run auf die Spielfilme hat längst eingesetzt, also schaue ich mir lieber Dokumentationen an, die kaum den Weg ins Publikumskino finden. Alphabetisch und willkürlich ausgewählt.
Porträt der rätselhaften  Edith Suschitzky © Wolf SuschitzkyZum Beispiel „Auf Ediths Spuren“ über die Wienerin Edith Suschitzky, eine Fotografin, die den Spion des Jahrhunderts, Kim Philby, für die Sowjetunion rekrutiert hat. Sie war, geboren als Edith Jungk, die Großtante des Schriftstellers Peter Stephan Jungk, der wiederum der Sohn des Zukunftsforschers und Autors Robert Jungk ist. Jungk, der Großneffe, versucht mit dem Film den Rätseln des Lebens von Edith auf die Spur zu kommen.

Oder „Le Complex De Frankenstein“ über das Erschaffen von Film-Kreaturen. Künstliche Münster, die gleichberechtigt neben den menschlichen Darstellern agieren. „Moghen Paris – Und sie ziehen mit“, ein verwirrender, bunter, anarchistischer, gruseliger Karnevalsumzug in einem sardischen Bergdorf. Auch ein Film kann berauschen.

Auch mit Oleg Karavayschuk würde ich gerne Bekanntschaft schließen. Ein Star in Russland, ist der Komponist in Europa kaum bekannt. In den prachtvollen Räumen der Eremitage sinniert er, ein spindeldürres, androgynes Männchen, mit zittriger, hoher Stimme über den Stand der Dinge und nötigt uns über die Geschichtsschreibung nachzudenken. „Oleg y las raras artes“ ist ein spanischer Dokumentarfilm von Andrés Duque, in der Karavayschuk nicht nur (russisch) parliert sondern auch auf dem Klavier tremoliert. Der Komponist Oleg Karavayschuk in der Eremitage © Viennale

„Peter Handke – Bin im Wald, kann sein, dass ich mich verspäte …“ von Corinna Belz zeigt den Schriftsteller in seinem Haus am Rand von Paris. Über einen Zeitraum von drei Jahren hat Belz Handke besucht, um ihn, seine Tochter Amina und seine Frau Sophie zu Wort kommen zu lassen.

Christpher Walken im Filmmusical "Romance and Cigarettes"  © Viennale Handke, das ist schwierige Kost, Erholung tut not. Bei dem Tribute to Christopher Walken, poetisch zusammengefasst unter dem Titel „Dancer in the Dark“, könnte man sie finden. 12 Filme, zwischen 1983 und 2012 entstanden, zeigen den ausdrucksstarken Schauspieler in vielen Facetten.

Der Katalog hat nahezu 500 Seiten und bietet detaillierte Informationen über das gesamte Programm. Die 15 € sind bestens investiert, denn lesen kann man darin auch wenn die Kinoleinwand wieder dunkel ist.

Viennale 2016, vom 21. Oktober bis 2. November 2016. Alle Informationen online.