Zum Hauptinhalt springen

Jan Machacek & Angélica Castelló: every day display

Jan Machacek & Angélia Castelló im kleinen Performanceraum.

Jeden Tag das Gleiche. So stellt sich der Alltag für viele dar, ob zu Hause in Küche und Kinderzimmer oder am Arbeitsplatz. Der Videokünstler Jan Machacek erzählt bildhaft von seinem Alltag als Vater von zwei Kindern: every day display / Darstellung des Alltäglichen ist eine intime und abwechslungsreiche Stunde über Privates und Öffentliches, Persönliches und Gesellschaftliches.

Auch der Raum vor dem Lokal spielt mit. Innen ist es privat, außen öffentlich.Jan Machacek verzichtet auf eine Bühne und auch auf einen Eintrittspreis. In der Wiener Theresianumgasse nahe dem Hauptbahnhof hat er ein Gassenlokal gefunden, in dem zuletzt Autoreifen gelagert waren, das jedoch ursprünglich ein gutbürgerlicher Gasthof auf der Wieden war. Es gibt einige Nebenräume unterschiedlicher Größe, auch der Spielraum, Bühne und Zuschauerraum zugleich, ist eher eine große Kammer. Gut geeignet für den Videokünstler und seine Kollegin Angélica Castelló, die ihn musikalisch begleitet. Angélica Castelló mit der Melodika. In den Fenstern Jan Machatchek als Mise en abyme (Bild im Blid).Wer selbst Kinder großgezogen hat, findet allerlei Parallelen sowohl in Machaceks Performance und den Bildern, die in den beiden Fensterleibung erscheinen, als auch im Roman Wellen (Suhrkamp, 2022) des deutschen Autos Heinz Helle, woraus aus dem Off Textpassagen zitiert werden. Auch Helle ist Vater zweier Kinder und Hausmann, seine Frau verlässt in der Früh das Haus, der Mann musste / wollte eine Rolle übernehmen, die gemeinhin den Frauen vorbehalten ist– eine freie Entscheidung gibt es für die nicht immer. Jan Machacek und der Overheadprojektor, die Fenster als Vdeowände.
Damit wir genau wissen, worum es geht, präsentiert sich Machacek zu Beginn mit vor die Brust geschnallter Babytasche. Bald darauf verlässt mit der Kamera das Lokal und filmt das Gehsteigpflaster und die Straße. Es geht nicht nur um sein privates Leben als Vater, sondern auch um die Spannung zwischen familiären und öffentlichem Leben. Es gibt schon Väter, sie sich um die Betreuung, Pflege und Erziehung ihrer Kinder aktiv kümmern, aber die alltägliche Normalität ist es nicht. Wird der (nicht) alltägliche Vater angepöbelt, ausgelacht, von den Müttern im Park akzeptiert oder ausgeschlossen? Und was sagen die anderen Männer? Die Mannosphäre schrumpft nicht etwa, halbe / halbe ist nur ein Witzwort und das Recht und die Macht sind beim Mann. Ein nacktes Bein dient als Notizobjekt. Probenbild.
Machacek lässt die Handykameras sprechen und zeigt Bilder und Videos, erzählt kleine Anekdoten aus seiner Beschäftigung mit Tochter und Sohn. Dabei verwendet er, wie in vielen seinen Performances unterschiedliche Methoden der Visualisierung, mischt live Bilder mit aufgezeichneten, spielt mit seinem eigenen Schatten und Doppelbilder, filtert aus seinem Körper Teile heraus oder gleich den gesamten Körper, sodass der rosa Overall allein leer dasteht. Jan Machacek im Corona-Jahr 2012: Ewige 80er.Die Maschine fährt Loops, auf dem Overheadprojektor, arrangieren sich rosa Zuckerlpapierln zu einem von Monets Seerosenteichen, im Tagesplan radiert Machacek, die Stationen aus, die er bereits erledigt hat, wir bereits erlebt haben, er öffnet das Handyalbum, und auf einmal schwimmt das Mikrofon im Abwaschwasser. Die Virtualität der Bilder, ihre Veränderbarkeit und auch assoziierte Metaphorik kontrastieren mit der Realität der lebendigen, unmittelbar sichtbaren Person, mit dem überforderten Vater, der leibhaftig und zum Greifen nah vor uns agiert.  
In dem kleinen Raum entsteht eine intime Atmosphäre, in er es leicht ist, den eigenen Gedanken nachzuhängen, um zugleich den Künstler zu bewundern, der allein zwischen seinen Apparaten wuselt und werkt und schon dadurch einen lebhaften Eindruck des gewählten Themas erweckt.
Eine kleine Mundharmonika und die Melodika werden als musikalische Unterstützung geblasen. Agélica Castelló hat die musikalische Betreuung der Aufführung übernommen. Um mir hopertatschige Erklärungen zu ersparen, zitiere ich den offiziellen Text: „Musikalisch wird die Performance jeden Abend von Angélica Castelló begleitet. Die Komponistin erschafft live einen stets neuen Soundtrack – eine musique cinématique voller elektroakustischer Klanglandschaften. Lo-Fi- und Hi-Fi-Maschinerien werden von ihr und dem Performer gleichermaßen aktiviert und bespielt.“
Machacek wurde für seine Arbeiten, mit denen er sich mit Fragen zu individuellen Handlungsspielräumen in einer von Medien und Informationen dominierten Wirklichkeit befasst, mehrfach ausgezeichnet. Zuletzt war er im Dschungel Wien, Theater für junge Menschen, im theatralischen Glücksfall momentchen für Regie, Video und Bühne verantwortlich.

Jan Machacek & Angélica Castelló: every day display, Performance / Installation
Raum, Video, Performance: Jan Machacek
Komposition & Livemusik: Angélica Castelló
Text: Wellen von Heinz Helle; Kostüme: Anke Philipp, Michaela Landrichter; Licht: Bartek Kubiak; Beratung: Sabine Marte, Frans Poelstra
Grafik: Michael Jung / Metaphor; Videodokumentation:  Victor Jaschke
Aufführungsort: Theresianumgasse 35, 1040 Wien. Premiere: 9.10., danach noch 11 Abende bis 26.10.202512 Abende:
Fotos: © Sophie Pölzl