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Opernjubiläum: „Die Spitze tanzt“, Theatermuseum

Rebecca Horner mit Andrey Kaydanovskiy ("Cacti)". Foto: Ashley Taylor

Vor 150 Jahren ist das Opernhaus am Ring, geplant von den Architekten August von Sicardsburg und Eduard van der Nüll, eröffnet worden. Ein guter Grund für die Verantwortlichen, sich mit ausgedehnten Feiern selbst zu loben. Auch wenn der Begriff „Oper“ in seiner Doppelbedeutung vor allem mit Gesang assoziiert wird, darf auf die zweite Säule eines Opernhauses, das etwas auf sich hält, das Ballett, nicht vergessen werden. So wird dem Tanz auf Spitze als Aperçu zu all den laustarken Jubeltönen eine Ausstellung im Theatermuseum gewidmet: „Die Spitze tanzt“ hat Andrea Amort quasi als Fortsetzung ihrer gelungenen Schau „Alles tanzt – Kosmos Wiener Tanzmoderne“ ein Stockwerk darüber gestaltet. Am 16. Mai ist sie von Ballettdirektor Manuel Legris eröffnet worden.

Die Geschichte des Balletts in Wien ist natürlich viel länger als die des Opernhauses. Schon 1622 tanzten die Hofdamen der Kaiserin Eleonore, der Gattin Ferdinands II., Hedwig von Haentjens als Diana in "Sylvia",  1891. © KHM Museumsverbandim Sommerschloss Favorita auf der Wieden. Und zur Vermählung Leopolds I. mit Margarita Teresa von Spanien ist das Rossballett in der Burg (der Hof, in dessen Mitte heute das 1846 enthüllte Denkmal für den letzten römisch-deutschen Kaiser, Franz I. (II), steht). Für die Ausstellung „Spetacolo barocco!“ (2016 / 17 im Theatermuseum) hat Rudi Risatti die erhaltenden Bilder von diesem spektakulären Ereignis allerliebst animiert, sodass man die geschmückten Pferde tanzen sehen kann. Ab 1719 tanzen dann nicht nur / mehr die Hofdamen vor adeligen Augen, professionelle Tänzerinnen übernehmen die Spitze (der Schuh dazu musste allerdings noch rund 100 Jahre auf seinen Auftritt warten). Nahezu 150 Jahre ist im Kärntnertortheater getanzt worden, Wien war der führende Schauplatz für Ballett. Das ist vor allem dem Choreografen und Tanztheoretiker Gasparo Angiolini zu verdanken, der 1761 seine Choreografie „Don Juan“ erstmals gezeigt hat, zu der Christoph Willibald Gluck die Musik komponiert hat. Fanny Elßler, 1870, fotografiert von  Carl von Jagemann. ©  KHM MuseumsverbandNicht gar so gut vertragen hat sich der Italiener mit dem Franzosen Jean Georges Noverre, der jedoch eine ebenso wichtige Rolle in der Ballettgeschichte Wiens spielt: Er hat 1771 die Teatraltanzschule gegründet, aus der sich die heutige Ballettakademie der Wiener Staatsoper entwickelt hat. (Meine Weisheiten stammen aus der von Alfred Oberzaucher zusammengestellten Chronik im Begleitheft zur Ausstellung.)

Mit zwei kleinen Räumen wäre Kuratorin Andrea Amort für diese langen und ereignisreiche Wiener Ballettgeschichte nicht ausgekommen. Tilly Losch, Prinzessin Teeblüte in "Schlagobers", 1924 . Foto: Trude Fleischmann, © KHM MuseumsverbandEs steht ja auch wieder einmal nicht das Ballett im Zentrum, es darf nur ein Anhängsel an das Jubiläum des Gemäuers sein, das vor allem dem Gesang gewidmet ist. Die Klage, dass dem Ballett nicht der ihm zustehende Platz in den Ehrenhallen und im Programmkalender gegeben wird, ist nicht neu. Schon in den 1960er Jahren hat Kulturredakteur Heinz Fischer-Karwin die fehlende Würdigung des Balletts und der Tänzerinnen, Tänzer und Choreografen kritisiert. In der Ausstellung zum Opernhaus-Jubiläum wird nicht geklagt und nicht kritisiert, sondern dokumentiert. In acht Abschnitte hat Amort die Bilder, Plakate und Videos geordnet, wobei die Rolle der Wiener Ballerina Fanny Elßler und der Welterfolg des Balletts „die Puppenfee“ (1888 von Josef Hassreiter geschaffen) besonders hervorgehoben sind. Ballettdirektor Manuel Legris kann offenbar keine innige Beziehung zu dem kleinen Juwel aufbauen. Plakatmotiv der Ausstellung. Blick auf die Seitenbühne während einer Probe zu  "Schwanensee". © Wiener Staatsballett / Ashley Taylors „Die Puppenfee“, obwohl sie auch heute noch vom Publikum geliebt wird und auch Elevinnen und Eleven der Ballettakademie eine Auftrittsmöglichkeit auf der großen Bühne bietet, ist in der Versenkung verschwunden. Am Sonntag, 23. Juni, findet als Matinee eine Vorstellung der Ballettakademie in der Oper statt. Vielleicht ist da auch der Spielzeugladen zu sehen, in dem nächtens die Puppen lebendig werden.

Tanzende Puppen sieht man auch in der Ausstellung, so man die beiden Ausstellungszimmer verlässt und zu den Vitrinen scheitet, um die Figuren des Puppenspielers und Bühnenmagiers Richard Teschner (1879–1948) zu bestaunen. Im speziell für die Ausstellung entwickelten Programm, „Die Tänze des Magiers von Gersthof“, dürfen im von Teschner erfundenen „Figurenspiegel“ die Stücke „Die grüne Tänzerin“ und „Der Sonnentänzer“, für die Anna Pawlowa und Vaslav Nijinsky Teschners Vorbilder waren, die Puppen tanzen .Susanne Kirnbauer in "Spitze" von Doris Uhlich. © Archiv

Andrea Amort ist zwar Tanzhistorikerin, doch will sie niemals den Kontakt zur Gegenwart verlieren, wie in ihrer animierenden Ausstellung „Alles tanzt“ spannt sie auch auf der Spitze den Bogen ins Heute, zu Manuel Legris und der Compagnie und auch zum freien Tanz, der ohne Spitzentanz nicht existierte. Als Bindeglied wirkt die Choreografin und Tänzerin Doris Uhlich. Susanne Kirnbauer, Harald Baluch in "Spitze".  © Andrea SalzmannSie hat ihr 2008 entstandenes überaus erfolgreiches Stück „Spitze“ mit dem Duo Susanne Kirnbauer / Harald Baluch neu einstudiert. Sowohl Baluch als auch Kirnbauer sind an der Ballettschule der Wiener Staatsoper ausgebildet. Baluch war zuletzt Solotänzer in der Volksoper; Kirnbauer war 1. Solotänzerin in der Staatsoper und von 1986 bis 96 Ballettchefin in der Volksoper. Doris Uhlich ist eine international renommiere Choreografin und Lehrerin unter anderem am Max Reinhardt Seminar in Wien. In „Spitze“ tritt sie auch als Tänzerin auf.

„Die Spitze tanzt“, 150 Jahre Ballett an der Wiener Staatsoper. Konzept und Kuratierung mit performativem Programm: Andrea Amort. Ausstellungsorganisation: Gertrud Fischer; Assistenz: Inge Gappmaier, Paul Delavos. Eine Kooperation mit dem Wiener Staatsballett, bis 13. Jänner 2020, Theatermuseum, täglich außer Dienstag 10 bis 18 Uhr.
Begleitheft: „Die Spitze tanzt. 150 Jahre Ballett an der Wiener Staatsoper“, herausgegeben von der Wiener Staatsoper mit Texten zu den Ausstellungspositionen, Ballett-Chronik und Personenregister. € 4,80.
Gastspiel von Doris Uhlich: „Spitze“ mit Susanne Kirnbauer, Harald Baluch, Doris Uhlich. 24., 25., 26. Mai 2019, Theatermuseum, Eroica-Saal.
Begleitprogramm: „Die Tänze des Magiers von Gersthof“: 7., 8., 9.November 2019, jeweils 19 Uhr. Sonntag 10.11.2019, 11 Uhr, Theatermuseum.
Mittagsführungen, Kinderprogramm, Schulprogramm.