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Imperial Bal – Marsch und Polka über Leichen

Bal impérial: Da lässt es sich gut tafeln.

Der international renommierte Choreograf und Compagniedirektor Sidi Larbi Cherkaoui hat vom Johann Strauss-Jahr 2025 den Auftrag angenommen, mit einem Ballett dem teuren Jahr internationales Flair zu verleihen. Mit der Compagnie des Grand Théâtre de Genève, wo Cherkaoui Ballettdirektor ist, hat er einen Bal impérial, den kaiserlichen Ball erschaffen. Anglisiert, als Imperial Ball zur Musik von Johann Strauß Sohn, ist die Kreation an drei Abenden im Museumsquartier gezeigt worden. 

Imperial Ball: Tanz über Leichen.Sidi Larbi Cherkaoui empfindet die Musik von Strauß (für die Tourismuswerbung Strauss geschrieben) als „Klangspur des Imperiums“, also Herrschaftsmusik, obwohl gerade Sohn Johann, die Herrschaft egal war. Ihm ging es ums Geld. Wie der Vater hat auch der Sohn den prestigeträchtigen Titel Hofballmusikdirektor erhalten. Aufgetreten ist er jedoch vor allem in öffentlichen Lokalen: Dommayer, Sophienbadsaal, Sperl, Schwenders Casino und Volksgarten sind bei weitem nicht alle Etablissements, wo anfangs Johann Straß Vater (1804–1849) seine Konzerte gab und zum Tanz aufspielte. Filmszenograf Tim Yip sorgte für die prächige Aussstattung.Der Sohn beging mit Fleiß einen musikalischen Vatermord, war der stärkste Konkurrent des von den Wienerinnen als Walzerkönig gefeierten Musikers. Der Titel ist als Erbe nahtlos an den Junior übergegangen. Dass einst sein Vater der König war, ist längst vergessen. 1999 hat das Historische Museum der Stadt Wien – heute Wien Museum – eine Strauß-Jubiläumsausstellung organisiert. Nicht über Geburtstage wurde jubiliert, sondern an Todestage gedacht. 1849 und 1899 sind die Todesjahre von Vater und Sohn. Die Differenz zum Jahr 1999 ergibt für den Vater 150 und den Sohn 100, Anlass genug, beider Walzerkönige zu gedenken. Einprägsam, unterhaltend und auch Wissen vermittelnd. (Quelle)
Japan trifft Österreich, wenn Choreograf Cherkaoui an Johann Sgsrauss denkt.2025 steht Unterhaltung im Mittelpunkt, wissen muss man nichts.
So kann Choreograf Cherkaoui mithilfe von Tim Yip, dem international bekannten Artdirector, Kostüm- und Szenenbildner und mit einem Oscar belohnt, eine üppige Show auf die Bühne stellen. Fantastische Kostüme, die weiten Röcke vorne oder hinten offen, ein üppig gedeckter Tisch mit goldenen Kerzenleuchtern und versilberten Obstkörben auf rotem Samt, manchmal wird auf dem Tisch getanzt (die Herrschaft war frivol und verfressen).
Als Architektur gewordener Walzer rollt eine doppelte Wendeltreppe auf die Bühne. Dramaturgisch sinnlos, doch ist es hübsch anzusehen, wenn die Damen rauf und runter walzen. uch die griechische Göttin der Rache, Nemesis, wandelt wischen Ost und West.Mitunter treibt sich auch eine Bacchantin, dekoriert von Giuseppe Arcimboldo, auf der opulenten Tafel herum. Möglicherweise soll die Obst Behangene auch eine Göttin sein. Im Programmheft ist eine Pamona angeführt. Das wäre ein Tippfehler, denn die römische Göttin für Äpfel und Birnen heißt Pomona. Egal, wichtiger ist, dass Walzer, Polka, Galopp und Marsch nicht genügen, Cherkaoui verschmilzt Österreich (oder auch alle Kaiser samt ihren -innen Europas) mit dem Kaiserreich Japan, und daher Strauss-Musik mit japanischer Musik. Es wird getrommelt und gepfiffen, gesungen und am Ende auch sanft gepredigt.
der Rotweißrote kämpft mit dem Säbel, der Schwertkämpfer macht einen Purzelbaum.Sowohl die Musik wechselt von hier nach dort als auch der Schauplatz. Hier wird mit dem Schwert gestochen, dort getanzt und dann Harakiri verübt. Die rotweißrot gekleideten Soldaten balgen sich mit den Männern in Schwarz, die Schwerter blitzen, die Leichen stehen wieder auf und machen weiter. Bis die sattsam bekannte Plattitüde, als Moral von der Geschicht’ sichtbar wird: Das Gewalze und Gehopse ist ein Tanz auf dem Vulkan. Davor wird Donauwalzer in voller Länge intoniert, unverändert, langweilig. Im Mittelteil, einem nächtlichen, japanischen Akt, tauchen Gespensster mit glühenden Augen auf.Zum Finale darf Sänger Kazutomi „Tsuki“ Kozuki dem Publikum noch au japanisch erklären, was die „wahre Freiheit“ ist. Im Programmheft ist der Text über die „Freiheit in der Unfreiheit“ übersetzt: „… die Freiheit, den Wind nicht zu greifen, sondern zum Wind zu werden, …“
Sidi Larbi Cherkaoui hat viele wunderbare Aufführungen geschaffen, sensibel, intim, verständlich, liebevoll und Glücksgefühle verströmend. Mit Walzer, Marsch und Polka hat er sich noch nicht beschäftigt und wird es wohl auch in Zukunft nicht mehr tun. Das ist nicht seine Partitur, nicht sein Takt.

Sidi Larbi Cherkaoui: Imperial Ball
Choreografie: Sidi Larbi Cherkaoui; Musik: Johann Strauss;
Bühnenbild und Kostüme: Tim Yip;
Die Lebenden und die Toten, dekorativ arrangiert.Licht: Jen Schriever; Zusätzliche Musik & Live-Musiker*innen: Tsubasa Hori, Shogo Yoshii; Live-Gesang: Kazutomi „Tsuki“ Kozuki; Musikalische Leitung: Constantin Trinks; Wiener Kammerorchester; Ensemble des Ballet du Grand Théâtre de Genève. 
Fotos: © Filip Van Roe, Gregory Batardon
Eine Produktion des Grand Théâtre de Genève und Johann Strauss 2025 Wien und der Eastman Dance Company in Kooperation mit ImPulsTanz.
3., 5., 6.12.2025, Halle E im Museumsquartier