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Mathias Ringgenberg, ImPulsTanz, [8:tension]

Matthias Riggenberg ist PRICE in rotem Samt © Karolina Miernik

Mit seiner Kunstfigur PRICE entwirft der 1986 in Rio de Janeiro geborene und in Zürich lebende Performance-Künstler und Sänger Mathias Ringgenberg eine queere, von den sozialen Medien und der Übermacht des Internets und der Bilder geprägte, verstörte und verunsicherte Person nicht bestimmbaren Geschlechts und undefinierter Herkunft. Seine Performance „Where Do You Wanna Go Today“, die im Rahmen von [8:tension] des ImPulsTanz Festivals 2018  im mumok aufgeführt worden ist , zeichnet mit Gesang, viel gesprochenem Text und Musik das Bild einer kalten Gesellschaft, in der Empathie und Liebe nur als Ziel von Sehnsüchten existieren.

Mathias Ringgenberg als Price in Designerroben von Barragàn © Karolina MiernikEin mit rückenfreiem Kapuzenshirt bekleidetes Wesen kauert auf der Bühne, kriecht zuckend auf einen an der Wand stehenden hölzernen Rahmen zu, entledigt sich langsam des Shirts, um dieses an den Rahmen zu klammern. Man sieht erstmals ein Gesicht, es wirkt „stoned“. PRICE beginnt zu reden, in der Manier, wie völlig Bekiffte eben reden, und verstärkt diesen Eindruck noch durch seine Art, sich zu bewegen. Und das hält die gesamte Performance an. Glaubwürdig gespielt!  

Ringgenberg strukturiert seine Performance, indem er immer wieder Acts mit Nummern ankündigt, ungeordnet. Diese Acts bestehen aus rezitierter Lyrik, aus gesprochenen Texten, aus A Capella-Gesang, aus Songs, die mit eher einfachen musikalischen Strukturen und per Gitarre und/oder Elektronik eingespielt den Rahmen für ein paar Textzeilen geben. Mathias Ringgenberg zeigt eine frustrierte und orientierungslose Figur © SentaSimondDas Performative entsteht durch sein Spiel mit dem Bühnenraum, der vom meist auf dem Boden sitzenden Publikum gerahmt wird, und den verteilten Requisiten.
Der Umgang mit den verschieden großen Holzrahmen und insbesondere den sehr fantasievoll und jenseits jeder Normalität entworfenKleidungsstücken (beinlange Stiefel mit überlangen himmelwärts gebogenen Schuhspitzen, Ponchos mit Handschuhen, nur nicht für den kleinen Finger, eine viel zu große Hose), drei Mikrofonen, einem fahrbaren Scheinwerfer, der zum Ende hin den wandernden, kauernden, singenden PRICE in Szene setzt, machen aus dem Stück eine Show. PRICE beweint zum Beispiel den gewaltsamen Tod seines Hundes, des einzigen Wesens, das jeden Nachbarn geliebt hat. Musste er sterben, weil er seinen Mörder geliebt hat?

"Where Do You Wanna Go Today“ mit reichlich Requisiten. © Karolina MiernikDer vorletzte Song ist der musikalische und inhaltliche Höhepunkt. PRICE singt zu elektronisch erzeugtem Sound von der Sehnsucht nach Wärme und Geborgenheit, nach echten Beziehungen zwischen den Menschen. Das ging nahe. Dann ein letzter Song, währenddessen PRICE die Bühne verlässt und nicht mehr erscheint. Von dem wohlverdienten Applaus wird man berichtet haben.
Queer und stoned, in Kleidung, die nie wirklich passt? Die Design-Identitäten auf Facebook und Co., eine Überflutung mit nichtigen Interessantheiten und gefälschte Bilder, Fakten und News betäuben, lassen einen kaum noch spüren, wer man tatsächlich ist und verunsichern zutiefst.
Poetische, eindringliche Metaphorik!
Ringgenberg stellt mit PRICE eine frustrierte und orientierungslose Figur auf die Bühne, die in einer von Instabilität und Neoliberalismus geprägten Welt ihr zutiefst menschliches Bedürfnis nach Liebe und echter Beziehung zu gelebter Wirklichkeit werden lassen möchte. Ein trauriges Bild unserer Gegenwart.

Mathias Ringgenberg aka PRICE:  „Where Do You Wanna Go Today“; Konzept und Performance: PRICE (Mathias Ringgenberg); Dramaturgie & Character Coach: Mira Kandathil; Musik: PRICE; Kostüm: BARRAGÁN; Movement Research: Ivan Blagajcevic.
27. und 29. Juli 2018; mumok. ImPulsTanz Festival, [8:tension] Young Choreographers' Series.